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Folge 19: Welche Bücher wollen Kreative lesen, Karin Schmidt-Friderichs?

Podcast Designerklärer Folge 19 mit Karin Schmidt-Friderichs
Podcast Designerklärer Folge 19 mit Karin Schmidt-Friderichs

Für die Folge 19 ist Christoph Luchs nach Mainz gereist zum Gespräch mit Karin Schmidt-Friderichs. Sie ist die Verlegerin des Verlags Hermann Schmidt, der mit seinem Aldus-Blatt zahlreiche preisgekrönte und außergewöhnliche Bücher ziert, die sich an Kreative im Design richten.

Im Gespräch gehen sie der Frage nach, welche Bücher von Kreative gefragt werden, wie der Prozess verläuft, bis ein Buch auf dem Markt erscheint und wie die neuen Medien aus uns Kreativen jederzeit und überall Autor:innen machen.

Der Verlag Hermann Schmidt hat sich ganz auf Kreative spezialisiert und konzentriert sich auf 20 Veröffentlichungen pro Jahr. Dieses Ziel haben sich Karin und Bertram Schmidt-Friderichs gegeben, die gemeinsam den Verlag aufgebaut haben.

Zusammen mit zahlreichen namhaften Autorinnen und Autoren – aber auch jungen Nachwuchsköpfen – bieten sie ein hochwertiges Programm an. Darunter sind u.a. Stefan Sagmeister, Jochen Rädeker, Leander Greitemann, Roberta Bergmann, Felix Scheinberger, Tilo Schneider, Marko Hanecke, Andreas Koop, Daniela Spinelli, Birte Spreuer, Lars Harmsen, Raban Ruddigkeit, Martin Mosch, Joni Majer u.v.a.m.

Besonders ragt ein Buch heraus: „Nea Machina – die Kreativmaschine.“ Das äußerst ungewöhnliche Buchprojekt von Thomas und Martin Poschauko durchlebte zahlreiche Momente der Überraschung und führte von einem Mappentag im Verlag zu einem der erfolgreichsten Bücher für Kreative!

Auch der gemeinsame Entscheidungsprozess des Ehepaares Karin und Betram Schmidt-Friderichs wird beleuchtet. Auf ungewöhnliche Weise haben beide einen Prozess gefunden, der Ihnen Zuversicht gibt, ob ein Buch am Markt Erfolg hat.

Darüber hinaus suchen sie gemeinsam im Podcast auch Antworten auf die Frage, die moderne Medien aufwerfen: Ist heute jede Kreative und jeder Designer auch gleichzeitig ein Sender? Und wie positioniert sich der Verlag auf diese Herausforderung?

Karin Schmidt-Friderichs ist nicht nur Velegerin, sondern auch Vorsteherin des Deutschen Börsenhandels – und damit Gesicht und Stimme der deutschen Buchbranche. Aus diesem Rollenwechsel weiß sie spannendes zu berichten und wie diese Perspektive ihren Blick auf ihre tägliche Arbeit im Verlag verändert.

Das Verlagsprogramm gibt es auf der Website typografie.de.

Musik: Samba Party, Tiki Tiki; Samba No Pe, Ruben Cortes; erschienen auf epidemicsound.com

Karin Schmidt-Friderichs begrüßt Christoph Luchs im Verlag Hermann Schmidt in Mainz.

Transkript:

CHRISTOPH LUCHS: Ja, herzlich willkommen zum Podcast Designerklärer. In der heutigen Folge bin ich nach Mainz gefahren und ich bin zu Gast bei Karin Schmidt-Friderichs beim Verlag Herrmann Schmidt.

KARIN SCHMIDT-FRIDERICHS: Ja, herzlich willkommen hier. Schön, dass du da bist und gekommen bist.

CHRISTOPH LUCHS: Ja, Karin, wir sind heute die Designerklärer. Wir versuchen heute mal, ein bisschen Licht in die Buchbranche zu bringen. Auch in das Thema Bücher für Kreative. Und du warst in der letzten Woche hier im Verlag und ihr habt ein Open Day gemacht. Wie war der denn? Was habt ihr da erlebt?

KARIN SCHMIDT-FRIDERICHS: Das ist immer eine sehr schöne Zeit. Vor zehn Jahren sind wir in neue Räume gezogen, und viele wollten einfach mal sehen, wie es dort aussieht. Also haben wir gesagt: „Kommt doch vorbei!“ Das kam so gut an, dass wir es seitdem zweimal im Jahr machen.
Letzte Woche war es besonders schön, weil zwei Tage vorher eine riesige schwarze Kiste aus New York ankam – mit den Arbeiten der Tag Directors Show. Wir hatten sie selbst noch nicht gesehen, also haben wir sie im ganzen Büro verteilt. Einiges hängt immer noch. Das hat uns genauso begeistert wie die Gäste.
Es kommen Menschen aus ganz unterschiedlichen Ecken – aus Norddeutschland, aus Österreich, aber natürlich vor allem aus dem Rhein-Main-Gebiet. Viele Studierende sind dabei. Sie stellen Fragen zu Büchern, tauschen sich aus. Und am Ende sitzt immer ein harter Kern in der Teeküche und quatscht sich fest.
Manche kaufen Bücher, aber das ist gar nicht das Hauptziel. Für mich ist der Verlag nicht nur ein Buchproduzent und Verkäufer, sondern auch eine Art Plattform für Austausch und Gemeinschaft. Und genau das macht diese Tage für mich so besonders.

CHRISTOPH LUCHS: Schön. Kannst du dich mal kurz vorstellen für alle, die dich nicht kennen oder den Verlag auch noch nur vielleicht mal gehört haben oder vielleicht ein Buch in der Hand hatten, aber noch gar nicht wissen, was Aldusblatt ist?

KARIN SCHMIDT-FRIDERICHS: Ich fange am besten mit dem Aldusblatt an – einem Zeichen aus der Frühzeit der Druckkunst und Typografie. Es wurde vor allem von Aldus Manutius verwendet. Man sagt ja, die Druckkunst sei in Mainz erfunden worden, die Typografie hingegen in Venedig. Mein Mann Bertram und ich, die gemeinsam den Verlag Hermann Schmidt gegründet und aufgebaut haben, hatten augenzwinkernd den Ehrgeiz, die Typografie nach Mainz zurückzuholen.

Eigentlich begann alles damit, dass Bertram in seiner Diplomarbeit über Ornament und Typografie das Aldusblatt entdeckte. Er verzierte damit liebevoll seine Briefe an mich. Später, als er die elterliche Druckerei übernahm – aus der dann unser Verlag hervorging –, gab es dort ein Firmenzeichen, bei dem das „S“ der Druckerei Schmidt nicht ganz ausbalanciert war. Ein „S“ droht ja immer ein bisschen umzukippen. Also kam er auf die Idee und fragte mich: „Du hast doch nichts dagegen, wenn ich unser Aldusblatt als Firmenlogo nehme, oder?“ Mir blieb der Mund offen stehen. Doch, ich hatte etwas dagegen! Aber trotzdem habe ich, irgendwie netterweise, zugestimmt.

Als wir dann 1992 den Verlag gründeten, haben wir das Aldusblatt von der Druckerei mitgenommen, weil es dort nun wirklich besser passte. Seitdem ziert es unsere Bücher.

Unser Verlag war anfangs fast eine Art Außendienst der Druckerei – die ersten Bücher entstanden dort. Ihnen war gemeinsam, dass sie das scheinbar Unmögliche möglich machten: Sie waren besonders aufwendig und schön gestaltet. Dann kam mit dem Siegeszug des Mac plötzlich eine Situation, in der alle Menschen eine „Wahnsinnssetzerei“ auf dem Schreibtisch hatten. Aber eine Schriftsetzerlehre oder ein Grafikdesign-Studium ersetzte das ja nicht. Also begannen wir, unser Wissen über Typografie in Büchern weiterzugeben.

Damals gab es keinen anderen Verlag, der sich ernsthaft mit dem Thema befasste. Wir hatten das Glück – und haben es bis heute –, dass Kreative unsere buchherstellerischen und gestalterischen Ambitionen spüren. Solche Bücher kann man ja nur mit einer Zielgruppe machen, die dafür ein Sensorium hat.

Über die Jahre ist aus unserem Schwerpunkt Typografie eine breitere Ausrichtung entstanden: Wir begleiten unsere Zielgruppe weiter, beschäftigen uns mit allem, was die Kreativen bewegt. Anfang der 2000er machten wir ein Buch über Webdesign – das wurde international verkauft. Heute lacht man vielleicht darüber, aber damals war es wichtig. Dann kamen viele Bücher zu Kreativtechniken. In den letzten zehn Jahren haben wir uns verstärkt mit weicheren Themen beschäftigt.

Denn wenn Menschen davon leben, Ideen für andere zu entwickeln, müssen sie auch dafür sorgen, dass immer neue Ideen entstehen. Mentale Fitness, Ausgleich zum ständigen Sitzen am Computer – all das sind Themen, die für Kreative essenziell sind. Und genau dafür machen wir Bücher. Ein klassischer Zielgruppenverlag.

CHRISTOPH LUCHS: Man könnte jetzt denken, dass Kreative eigentlich gar nicht lesen wollen. Das heißt, dass sie die Bücher aufschlagen, und sie wollen bunte Bilder haben. Ich habe das in meinem Studium erlebt, Grafikdesign in den Neunzigern. Tatsächlich gab es schon Macs in den Büros und in den Rechenzentren, aber noch nicht so wirklich viel. Und auch ein Laptop hat wirklich Unsummen Geld gekostet damals. Das heißt, man hat sich eigentlich tatsächlich erst mal theoretisch damit beschäftigt und hat dann mal was gesehen und war dann auch sehr begeistert. Unter anderem auch Ausstellungen. Da kann man vielleicht gleich noch mal dazu. Aber damals war das halt auch so, dass man sich gerne mal Bücher angeguckt hat, wo möglichst viel Material drin war. Also möglichst viel Beispielmaterial. Das Internet war noch nicht da, es gab keine Bilder-Suchmaschine, wo man mal eben Logos recherchieren konnte zu irgendeinem Thema. Aber man hat sich dann solche Sammlungen gekauft und dann damit sozusagen seine Wand zu Hause tapeziert. Wie ist es denn eigentlich heute? Wollen Kreative eigentlich noch lesen? Aber wenn ja, was wollen sie denn eigentlich lesen? Wo ist der Wunsch dahinter?

KARIN SCHMIDT-FRIDERICHS: Ich finde es total spannend, dass du diesen Rückblick machst – in eine Zeit vor dem Internet, die man sich heute kaum noch vorstellen kann. Aber es gab sie eben.

Damals haben wir zum Beispiel Output verlegt, ein Buch zu einem internationalen Studierenden-Wettbewerb. Denn es war nicht so einfach herauszufinden, was zum Beispiel in Tokio an den Hochschulen gerade passiert. Ein großes Verdienst von Florian Pfeffer, der das Projekt maßgeblich mitgestaltet hat. Doch mit dem Internet wurde das Buch überflüssig – plötzlich konnte man sich einfach online informieren. Konvolute mit vielen Bildern verloren ihre Relevanz, und das spiegelte sich schnell in den Absatzzahlen wider.

Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als wir mit Florian zusammensaßen – wir mögen ihn sehr und sind inzwischen gut befreundet. Wir sagten: „Florian, egal wie, es macht keinen Sinn mehr. Solche Bücher braucht heute niemand mehr.“ Und er fragte: „Was braucht man denn dann?“ Jahre später wurde daraus To-Do, eine Reflexion über die neue Rolle der Gestaltung. Es hatte zwar noch ein paar Bilder, aber mit der Zeit verlagerten sich die Inhalte: Die große Bilderflut wanderte ins Netz, Bücher mussten etwas anderes leisten.

Was dann kam – und was ich auch aus den Rückmeldungen spüre –, sind Denkanstöße und die Beschäftigung mit sich selbst. Ein Buch, an dem ich diese Wende besonders festmache, ist Die Kunst, ein kreatives Leben zu führen von Frank Berzbach. Ich glaube, es war das erste Buch bei Schmidt, das ganz ohne Bilder auskam. Ein klassisches Lektorat, bei dem es nicht um Bildmaterial ging, sondern um die Ästhetik, die allein aus der Gestaltung entstand. Sehr schön umgesetzt von Kathrin Schaake. Lustigerweise behaupten viele Leser, sie hätten Bilder darin gesehen – einfach weil es so gut gestaltet ist, dass sie es bildhaft erleben. Da widerspreche ich nicht. Das darf jeder für sich entscheiden.

Ich glaube, dass Kreative lesen. Ich glaube sogar, dass es essenziell ist, sich nicht nur mit Bildern, sondern auch mit der Metaebene dessen zu beschäftigen, was wir tun – weil wir unser eigenes Schaffen in solchen Büchern reflektieren. Kreative bringen unendlich viel mehr Ich in ihre Arbeit ein als jemand, der Bus fährt, an der Kasse sitzt oder Regale einräumt. Da gibt es keine Distanz zwischen der Idee und der eigenen Person. Und wenn eine Idee nicht angenommen wird, trifft das oft viel tiefer, als wenn jemand auf einen simplen Rechtschreibfehler hinweist.

Deshalb haben diese Bücher, die sich mit Selbstreflexion befassen, auch Erfolg. Gerade erst haben wir in Leipzig im Frühjahr Kreative Identität und Selbstvertrauen von Roberta Bergmann vorgestellt. Sie geht der Frage nach: Wie passt das, was ich als Kreative:r anbiete, mit dem zusammen, wie ich mich selbst erlebe? Und wenn diese Passung auf Dauer nicht stimmt, dann geht es einem nicht gut – und die Ideen sprudeln garantiert nicht mehr.

CHRISTOPH LUCHS: Ich frag einfach mal jetzt konkret zu diesem Buch, aber auch zu anderen Büchern, die ja auch sich mit dem Thema der Selbstständigkeit von Kreativen beschäftigen, mit der konkreten Tätigkeit, auch vielleicht mit der Aussicht auf Erfolg, aber auch mit dem: Wie kann ich mit anderen zusammenarbeiten? Das heißt, dass die Kreativen jetzt nicht nur das Bedürfnis haben, ihre eigenen Werke nach außen an ein Publikum über ein Buch zu kommunizieren und darüber zu sprechen, wie sie zu dieser Idee gekommen sind, sondern auch, sich damit zu beschäftigen: Wie kann ich denn überhaupt mein Leben bestreiten? Unter welchen Rahmenbedingungen und mit wem, also unter welchen wirtschaftlichen Gegebenheiten, also Richtung Projektmanagement, was ja eigentlich so Business Themen sind und ist es so, dass zum Beispiel die Pandemie ein Auslöser war, dass sich Kreative in diese Richtung bewegen? Oder war das grundsätzlich vorher schon Thema und wird es dadurch noch fokussiert wie unter einem Brennglas?

KARIN SCHMIDT-FRIDERICHS: Vor mehr als zehn Jahren haben wir mit Parkour zum ersten Mal ein Buch veröffentlicht, das sich mit dem Thema Selbstständigkeit beschäftigte. Wie mache ich mich selbstständig? Was muss ich bedenken? Und ja, sobald man diesen Schritt geht, kommen irgendwann auch die großen Themen: Recht, Wirtschaft, Steuern – Dinge, die alle Kreativen fürchterlich finden, mich eingeschlossen. Aber es hilft nichts, sie gehören einfach dazu.

Parkour lief über mehrere Auflagen hinweg gut, und später haben wir mit Kunst, Kommerz und Kinderkriegen von André Hennen nachgelegt. Dieses Buch geht einen Schritt weiter und stellt die Frage: Was ist eigentlich die richtige Form der Arbeit für mich? André selbst ist Freelancer, genauso wie seine Frau. Die beiden teilen sich auch die familiären Aufgaben – ein tolles, emanzipiertes Modell. Einer von beiden nimmt intensive Aufträge an, während der andere mehr für die Familie da ist, und dann tauschen sie. Ursprünglich wollte André ein Buch über das Freelancen schreiben. Doch gemeinsam haben wir herausgearbeitet: Ist Freelancen denn für jeden das Richtige? Nicht jeder Mensch hält es aus, mal richtig ranzuklotzen und dann mit der Unsicherheit zu leben: Wann kommt der nächste Auftrag? Werde ich wieder gebucht? Für viele ist eine Festanstellung ein wichtiger Halt – das regelmäßige Gehalt auf dem Konto kann eine ganz andere Art von Sicherheit geben. So entstand ein Buch, das diese Fragen auslotete – und das lange vor der Pandemie.

Dann kam die Pandemie – und sie hat das Thema Selbstständigkeit noch einmal in ein neues Licht gerückt. Unternehmen kürzten ihre Budgets, und wo wird als Erstes gespart? In der Kommunikation und im Marketing – genau den Bereichen, in denen Kreative ihr Geld verdienen. Die Krise wirkte wie ein Brennglas, das viele dieser Herausforderungen noch einmal verstärkte. Gleichzeitig verändert sich aber auch die Art, wie sich neue Generationen von Kreativen mit diesen Fragen auseinandersetzen.

Hier kommt Roberta Bergmann ins Spiel. Sie ist selbstständig, betreibt einen Podcast und hat das Thema noch einmal anders aufgezogen – vielleicht mit einem stärkeren psychologischen Blick. Der Markt verträgt verschiedene Herangehensweisen. Gleichzeitig haben wir mit Frei von Nicolas Obhaus ein Buch wieder aufgelegt, das einen sachlicheren, eher begleitenden Ansatz verfolgt. Es ist so etwas wie ein Sicherheitsgurt für die Selbstständigkeit – ein Nachschlagewerk mit einem praktischen Griffregister, in dem man jederzeit Antworten findet.

Es beginnt mit scheinbar banalen, aber essenziellen Tipps wie: Benenne deine Dateien so, dass man sie wiederfindet. Denn spätestens, wenn eine Aushilfe oder jemand aus dem Team die Datei zum Druck schickt und die „wirklich final“ Version nicht erkennt, landet am Ende die vorletzte Version im Druck. Aber das Buch geht weit darüber hinaus – es behandelt auch Themen wie die Künstlersozialkasse und alles, was man als selbstständige:r Kreative:r wissen muss.

CHRISTOPH LUCHS: Genau. Also die ganzen fürchterlich bürokratischen Rahmenbedingungen, in denen man seine Kreativität versucht auszuleben, sofern man die Freiheiten denn genießen darf. Ich kenne es aus der eigenen Selbstständigkeit auch zur Genüge und ich weiß darum um diese Themen. Was ich interessant finde bei dem Buch, das um das Projektmanagement sich handelt, da fände ich es interessant mit dem Titel „Design-Projekte gestalten“, da finde ich die Herangehensweise eigentlich sehr interessant, dass halt auch die Prozesse einfach mal beleuchtet werden. Die Schritte, die zur Gestaltung gehören, um das überhaupt transparent zu machen, damit es eben nicht diese kreative Blackbox des Künstlers / der Künstlerin ist, die dann quasi eben mit einer Idee irgendwann das Zimmer verlässt und sagt: So, jetzt hab ich’s. Sondern, dass das ein Erarbeiten ist, ein dass man vorher nicht weiß, was hinterher bei rauskommt und dass das eigentlich auch ein Prozess ist von vielen Meinungen, dass das manchmal ein demokratischer Prozess ist, des Diskurses, dass man sich über viele Sichtweisen einem Design nähern muss, das ist ja durchaus ein Aspekt in diesem Buch.

Ist das auch etwas, was man als Trend sehen kann, dass man sagt, es werden mehr diese Prozesse auch mehr beleuchtet. Auch wenn das Thema Prozessdesign eigentlich schon seit Generationen im Design verankert ist und bei vielen Designern auch bekannt ist, aber nicht unbedingt bei den Menschen, die mit Kreativen arbeiten. Ist das ein Trend?

KARIN SCHMIDT-FRIDERICHS: Ich bin mit Trends immer vorsichtig. Ich erkläre es mir so: Kathrin Niesen, die Autorin dieses Buches, hat viele Jahre in großen Agenturen gearbeitet und dabei junge Kreative auf ihrem Karriereweg begleitet. Sie hat oft erlebt, dass wir Kreativen den eigentlichen Ideenprozess lieben – genau deswegen haben wir diesen Beruf gewählt. Die analytischen Phasen davor und das strukturierte Abarbeiten danach sind uns dagegen oft weniger sympathisch.

Über viele Jahre – du hast gerade die 90er erwähnt, aber das galt auch noch in den frühen 2000ern – war es in der Agenturwelt angesagt, möglichst lange zu arbeiten. Fast so, als gäbe es eine Ehrenmedaille dafür, der oder die Erste im Büro zu sein und als Letzte:r zu gehen. Es galt als geradezu „sexy“, erst mitten in der Nacht die Agentur zu verlassen. Man hat sich sogar damit gebrüstet. Wenn sich Kreative trafen, war klar: Vor 22 Uhr braucht man gar nicht damit zu rechnen.

CHRISTOPH LUCHS: Genau, der Klassiker Frühstück um zehn und um zehn abends dann das Büro verlassen.

KARIN SCHMIDT-FRIDERICHS: Genau.

CHRISTOPH LUCHS: Als die Sonne untergegangen ist.

KARIN SCHMIDT-FRIDERICHS: Jetzt kommt eine Generation, der Work-Life-Balance enorm wichtig ist. Aber auch vorher schon stellte sich die Frage: Ist es wirklich der beste Umgang mit sich selbst, so viel Zeit in der Agentur zu verbringen? Macht das tatsächlich kreativer – oder vielleicht einfach nur ineffizienter?

Kathrin Niesen hat diesen Wandel über viele Jahre beobachtet und begleitet. Dabei zeigte sich: Man kann durchaus auch pünktlich Feierabend machen – es funktioniert. Irgendwann hat sie sich selbstständig gemacht, und jetzt verrate ich etwas, das mich total fasziniert: Sie wollte nicht nur in der Agentur sitzen, sondern auch in Museen gehen und zeichnen. Sie zeichnet unglaublich gut – eine Fähigkeit, die sie bewusst trainiert hat. Dafür brauchte sie Zeit und reflektierte dabei ihre eigenen Arbeitsprozesse und Methoden zur Optimierung. Genau daraus entstand dieses Buch.

Wenn ich ehrlich bin, bleibt der Absatz etwas hinter meinen Erwartungen zurück. Vielleicht, weil es nicht so spektakulär daherkommt. Aber inhaltlich spart es einem enorm viel Zeit, Nerven und Stress. Ein Beispiel: Wenn man seine ursprünglichen Ideen konsequent dokumentiert, hat man sie für die finale Präsentation sofort griffbereit – ohne die übliche panische Suche nach diesem einen Bild, seiner Quelle oder der Frage, ob man es überhaupt benutzen darf. Wer das nicht tut, landet oft in der klassischen Nachtschicht vor der Präsentation. Doch ob man wirklich besser präsentiert, wenn man völlig übernächtigt ist? Man fühlt sich vielleicht ein bisschen high, aber ob das ein Vorteil ist, sei dahingestellt.

Ich persönlich weiß, dass ich viel besser präsentiere, wenn ich am Vortag draußen war und etwas anderes gemacht habe. Deshalb hat dieses Buch bei mir sofort einen Nerv getroffen. Es ist wie ein Coach für Zeit- und Energiemanagement. Ich kann es jedem empfehlen, der neben der Arbeit noch Freunde treffen, bei schönem Wetter in den Biergarten gehen oder seinen Sport machen möchte – und trotzdem erfolgreich sein will.

Ob das ein Trend ist? Vielleicht. Es gibt definitiv ein neues Bewusstsein für klar abgegrenzte Arbeitszeiten. Aber ich bin mit solchen Einschätzungen vorsichtig. Unser Verlag ist nicht groß genug, um gesellschaftliche Trendforschung zu betreiben.

CHRISTOPH LUCHS: Ich würde gern noch mal auf ein anderes Buch zu sprechen kommen, auf die Kreativmaschine „Nea Machina“ von Thomas und Martin Poschauko. Wie ist es zu diesem Buch gekommen? Es ist ja sehr poppig, ist es knallig, aber es ist auch mit sehr vielen, sehr klaren Informationsgrafiken aufgebaut, es sind Konzeptskizzen drin. Es ist viel auch Text als Erklärung, aber wie ist es zu diesem Buch überhaupt gekommen? Es hat ja auch eine eigene Form.

KARIN SCHMIDT-FRIDERICHSDas ist eine wunderbare Geschichte aus dem Verlegerinnenleben. Sie beginnt auf der Buchmesse, wo immer wieder Kreative mit großen Mappen am Stand auftauchen, auf der Suche nach der richtigen Person, der sie ihre Ideen präsentieren können. Doch mitten im Trubel der Messe ist das der denkbar ungünstigste Moment – der Blick flackert zwischen Journalisten, Buchhändlern und Gesprächen hin und her. So entstand die Idee eines „Mappentags“: Ein Tag nach den Messen, an dem alle mit ausgereiften Ideen ihre Projekte vorstellen können.

Einer der ersten Mappentage brachte Thomas und Martin Poschauko ins Spiel. Die beiden Zwillinge kamen mit einer riesigen Tasche und warteten geduldig bis zum Schluss – keine ideale Strategie, denn nach einem langen Tag voller Präsentationen, Feedbackrunden und Gummibärchen ist die Aufmerksamkeit oft nicht mehr die beste. Doch dann holten sie zwei massive Folianten hervor – ihre Abschlussarbeit an der Hochschule in Würzburg. Ein einzigartiges Experiment: Sie wollten weg vom reinen Kopf- und Computerdenken hin zu mehr handwerklicher, intuitiver Kreativität. Dafür entwickelten sie unzählige Techniken, etwa das großflächige Rastern und Bearbeiten von Bildern mit Kleber und Dreck, bevor alles wieder eingescannt wurde. Unfassbar spannend!

Die Arbeiten waren atemberaubend, aber die Idee, die gigantischen Folianten als Buch herauszubringen, war buchbinderisch fast unmöglich. Stattdessen entstand die Frage: Wie funktioniert diese „Kreativ-Maschine“? Wie kommen sie auf ihre Ideen? Der Verlag schlug vor, die Methoden dahinter zu schildern – und so entstand „Nea Machina“, ein Buch, das schließlich in einer großformatigen, schwergewichtigen Erstausgabe erschien.

Die Poschaukos hatten eine klare Vision: Sie wollten nie „in Käfighaltung“ arbeiten – so nannten sie eine feste Anstellung in einer Agentur. Ihr Ziel war es, für spannende Auftraggeber zu arbeiten, Workshops zu geben, auf Konferenzen zu sprechen – und davon leben zu können. Ein kühner Traum, den viele für unrealistisch hielten. Doch sie haben es geschafft. Sie arbeiten mit großen Kunden, geben gefragte Workshops und stehen auf internationalen Bühnen.

Das Buch selbst hat sich mit jeder Ausgabe weiterentwickelt – von den Folianten über eine strukturiertere Form bis hin zu einem workshopartigen Konzept. Denn in ihren Workshops erleben sie immer wieder, wie Kreativität bei Menschen wieder entfacht wird, die sich zuvor für „unkreativ“ hielten – oft, weil diese Fähigkeit in der Kindheit durch äußere Kritik verschüttet wurde.

Ein besonders schönes Highlight war ihr Live-Auftritt für die Band LaBrassBanda in der Münchner Olympiahalle. Zum zehnjährigen Jubiläum der Band gestalteten sie das Bühnenbild live auf der Bühne. Ein unvergesslicher Moment, der auch symbolisch für ihre Offenheit und Kreativität steht. Ein Foto davon, das sie zeigt, wie sie zwei sich umarmende Figuren zeichnen – als Zeichen gegen Mauern und für Verbundenheit – hängt heute als Symbol für diese Philosophie im Ehrenamt.

Eines der schönsten Erlebnisse im Verlagsleben – und ein echtes Geschenk.

CHRISTOPH LUCHS: Cool, das klingt total schön, wenn du das so erzählst und ich glaube, alle, die mit den beiden schon Workshops gemacht haben, können nur ganz, ganz kräftig den Kopf nicken und sagen: Ja, genau, die haben mich wieder, ich sage mal, in die Spur gebracht oder wieder zu neuen Ideen angeregt. Und ich glaube, das ist das Oberthema, was da drüber steht, wir hatten eben über Metaebene gesprochen. Ist tatsächlich auch das Experimentieren, diese Lust am Experiment. Ich habe viele Gespräche schon mit Menschen aus dem Bildungssektor gemacht und auch viele Podcasts und die alle sagen, dass das alles immer sehr systematisiert ist, sehr bürokratisiert und eher immer nach Auswendiglernen und Abarbeiten und punkten und bewerten. Und das Experimentieren ist eigentlich völlig frei. Ich weiß nicht, was da bei rauskommt. Ich weiß nicht, ob das Experiment gelingt und ob mir bei diesem Prozess etwas gelingt. Ich nehme etwas vor, ich denk mir was aus, das könnte ja vielleicht klappen. Und dabei kommt man in einen Fluss. Und ich glaube, es ist wahnsinnig viel Kopf, was man alles mal ausblenden muss und ausschalten muss, dass man diesen Intellekt: Das darfst du nicht, oder Das geht doch nicht, oder Das machen wir so nicht, oder Das haben wir nicht so gelernt, dass man das eigentlich erst mal alles wegstreichen muss.
Also man muss eigentlich erst mal ein paar Jahrzehnte Bildungsarbeit wegarbeiten und wegstreichen, damit man sich dann wieder auf das Experiment einlassen kann.

KARIN SCHMIDT-FRIDERICHSDas ist ein schöner Ansatz für kreatives Arbeiten! Der Begriff „Entlernen“ passt gut zu Transformationsprozessen, weil er verdeutlicht, dass es nicht nur um das Aneignen neuer Methoden geht, sondern oft darum, alte Denkmuster bewusst abzulegen.

Die „Spinner-Abende“ klingen nach einer großartigen Methode, um kreativen Ideen Raum zu geben. Einwände sind oft der natürliche Reflex, wenn wir etwas Neues hören – warum es nicht geht, warum es schwierig wird, welche Hürden es gibt. Doch wenn man sie bewusst ausklammert, entsteht ein Freiraum, in dem wirklich Neues entstehen kann. Auch wenn am Ende nur ein kleines „Nugget“ übrigbleibt, ist das oft der entscheidende Funke für eine größere Idee.

Dieses Gleichgewicht zwischen freiem, kindlichem Erkunden und einer systematischen, gestaltenden Arbeitsweise ist wichtig – gerade in unsicheren Zeiten, in denen man ohnehin nicht vorhersehen kann, was kommt. Die Fähigkeit, zu staunen, flexibel zu denken und spielerisch mit Möglichkeiten umzugehen, ist heute wertvoller denn je.

Thomas und Martin verkörpern genau diese Mischung aus analytischem Denken und unbändiger Kreativität – eine seltene und sehr spannende Kombination!

CHRISTOPH LUCHS: Dabei wollen wir natürlich auch nicht alle anderen Bücher vergessen. Also es ist ein Beispiel von vielen Mal herausgegriffen. Ich finde das ganze Verlagsprogramm sensationell. Ich habe selber einige Bücher von euch im Büro natürlich und bin dabei auch sehr begeistert davon. Auch wie die ausgestaltet sind und ausgestattet sind.

Kommen wir mal so ein bisschen in den Prozess der Herstellung, aber vielleicht auch davor der Auswahl. Ihr habt euch selbst pro Jahr auferlegt, dass ihr sagt, wir machen maximal 20 Titel, wenn ich das richtig verstanden habe. Wie geht das überhaupt, wenn ihr zum Beispiel einen Spinner Abend macht und da gibt es Ideen und die landen vielleicht irgendwo und hängen dann mal und ich kenne es bei mir, ich häng es irgendwann mal irgendwo an eine Raumecke und ich gehe jeden Tag vorbei oder am Kühlschrank. Und immer, wenn ich dann drauf gucke, denke ich so: Ist die Idee besser geworden? Damit, dass ich sie noch mal überdacht habe. Wie ist das bei euch? Wie werden dann aus Ideen von einem Spinnerabend oder vielleicht von einem Mappentag, wo Menschen zu euch kommen, die kreativ Buchideen haben oder sagen: Daraus möchte ich vielleicht ein Buch machen? Geht das überhaupt? Wie wird das dann bei euch zu einem Titel letzten Endes? Wie ist dieser Prozess? Wie kann man sich das ungefähr vorstellen?

KARIN SCHMIDT-FRIDERICHS: Wir erhalten eine enorme Anzahl an Projektideen, wofür wir sehr dankbar sind. Noch mehr würden wir uns allerdings freuen, wenn die Ideengeber:innen vorher prüfen würden, ob ihr Vorschlag zu unserem Verlag passt. Ein Beispiel: Wenn jemand die Flucht der Urgroßmutter aus Ostpreußen fotografisch und in Gedichten dokumentiert, dann ist das ein wunderbares Projekt – aber nicht für uns. Wir haben großen Respekt vor solchen Geschichten, aber sie entsprechen nicht unserem thematischen Fokus. Viele Vorschläge lehnen wir daher freundlich ab, oft auch durch unsere Assistentin.

Wenn ein Projekt thematisch passt, landet es zunächst bei mir. Ich prüfe, ob es bereits ähnliche Werke gibt und ob eine neue Herangehensweise sinnvoll wäre. Gleichzeitig versuche ich herauszufinden, ob die Ideengeber:innen das notwendige Wissen und die Erfahrung mitbringen. Bachelorarbeiten zu komplexen Themen entstehen oft in kurzer Zeit. In solchen Fällen spiegele ich zurück: Ist ihnen bewusst, dass eine fundierte Buchveröffentlichung noch einmal erhebliche Recherche erfordert?

Wenn alle Fragen geklärt sind und das Projekt Potenzial hat, machen wir etwas, was kaum ein anderer Verlag tut: Wir laden die Ideengeber:innen zu einem Gespräch ein. Dabei geht es nicht um eine sofortige Vertragsunterzeichnung, sondern um eine gemeinsame Vision. Wie soll das Buch aussehen? Umfang, Format, Zielgruppe – all das besprechen wir offen. In solchen Gesprächen entwickeln sich oft neue Aspekte oder es zeigt sich, dass eine ursprüngliche Idee zu umfangreich wird. Am Ende des Gesprächs bitten wir die Beteiligten, sich zu überlegen, ob sie mit uns diesen langen Weg gehen möchten – mit all seinen Höhen und Tiefen. Ein Buchprojekt bringt nämlich nicht nur glückliche Momente mit sich, sondern auch anstrengende Phasen, in denen man sich gegenseitig auf den Mond schießen könnte.

Seit wir diese Gespräche so transparent führen, gab es noch nie Streit um einen Vertrag. Uns ist wichtig, dass alle Seiten wirklich miteinander arbeiten wollen. Dazu gehört auch, dass wir von Anfang an ehrlich sagen: Mit unseren Büchern wird niemand reich. Wer finanziellen Erfolg anstrebt, sollte eine alternative Einkommensquelle haben. In diesen Gesprächen zeigt sich auch, wer den Arbeitsaufwand unterschätzt. Manche ziehen sich dann von selbst zurück – und das ist besser, als nach Monaten frustriert aufzugeben.

Wenn alles passt, kommt es zum Vertrag. Früher haben wir per Handschlag entschieden, doch nach einem Todesfall wurde klar: Ein schriftlicher Vertrag gibt allen Seiten Sicherheit. Dennoch haben wir noch nie vor Gericht darum streiten müssen.

Dann beginnt die eigentliche Arbeit. Intern erhält das Projekt eine:n Lektor:in: Bertram oder mich, je nach Thema. Typografie und bildgewaltige Projekte gehen an Bertram, textbasierte und essayistische Werke an mich. Die Arbeitsrhythmen sind dabei unterschiedlich: Manche liefern diszipliniert jeden Monat, andere arbeiten in großen Sprünge während der Semesterferien.

Später kommt das Buch zu externen Gestalter:innen, und wir denken bereits intensiv über die Herstellung nach. Welche Materialien passen? Wie fühlt sich das Papier an? Soll das Umblättern bewusst sein oder flüssig gehen? Dann kommt oft die Ernüchterung: Lieblingsmaterialien sind teuer, Papierpreise hoch.

Ein besonderer Moment im Prozess ist mein „Waldmoment“: Ich gehe spazieren, um die Marktchancen einzuschätzen. Wie viele Menschen könnten sich für das Buch interessieren? Welchen Preis wären sie bereit zu zahlen? Währenddessen rechnet Bertram am Rechner durch, ob diese Annahmen tragfähig sind. Stimmen unsere Einschätzungen überein, ist das Projekt auf gutem Weg. Wenn nicht, müssen wir klären, ob wir etwas falsch eingeschätzt haben oder ob das Projekt am Markt vorbeigeht.

Danach folgt die kalte-Dusche-Phase: Papier ist nicht verfügbar, Lieferzeiten sind länger als gedacht. Aber irgendwann lösen wir all diese Probleme. Praktikant:innen dürfen oft Satzarbeiten übernehmen, natürlich unter intensiver Betreuung. Auch die Druckabstimmung ist ein besonderer Moment: Bertram achtet darauf, dass das Korallrot wirklich das gewünschte Korallrot ist und Zweifarb-Satz exakt passt.

Wenn das Produktionsfreigabe-Exemplar eintrifft, steigt die Aufregung. Niemand darf es sofort posten, denn der Buchhandel dürfte sich zurecht fragen: Warum haben wir es noch nicht? Nun folgt die Vertriebsphase: Presse, Marketing, Verkauf.

Am Ende zeigt sich, ob meine Waldannahmen richtig waren. Gab es wirklich 3.000 Interessierte? Falls ja, sagt Bertram überzeugt: „Wir hätten eine höhere Auflage machen sollen!“ Falls nein, war ich zu optimistisch. Aber eine zweite Auflage hat auch Vorteile: Fehler lassen sich korrigieren.

Wir haben in den letzten Jahren immer intensiver lektoriert. Vielleicht liegt es an gestiegenen Ansprüchen, vielleicht am Älterwerden. Doch der Effekt ist spürbar: Mehr Bücher gehen in weitere Auflagen, mehr Titel werden international verkauft. Unsere Obergrenze von 20 Neuerscheinungen müssen wir nicht mehr explizit festlegen – denn so viel schaffen wir ohnehin nicht mehr.

CHRISTOPH LUCHS: Ich finde, der Gang durch den Wald, ich kann das nachvollziehen, ist tatsächlich ein den Kopf freimachen, durchpusten, Moment und vielleicht auch dann. Tatsächlich finde ich das sehr schön, wie du das gerade beschreibst, dass man eigentlich einen kaufmännischen Prozess, ein Schritt mitten in einem Herstellungsprozess, der logischerweise normalerweise mit erstens und 99. endet, dass irgendwo mittendrin eine Entscheidung herbeigeführt werden muss und dass ihr da es aber trotzdem schafft, durch eure Verlagskultur, aber auch durch euren beiderseitigen Dialog, dann ein diesen kaufmännischen Prozess kreativ zu lösen, letzten Endes, um zu sagen: So, wir rechnen das jetzt mal völlig unabhängig durch und treffen uns mit einem Ergebnis und schauen, ob das passt. So ähnlich ja eigentlich auch, wie das mit den Autorinnen und Autoren ist, dass ihr sagt: Passt das menschlich zusammen? Auch das ist so eine Art Matching, so zu sagen? Kann man das so beschreiben, dass es immer wieder einen Dialog gibt, auch letzten Endes dann zum Schluss: Ja, wie hoch wäre denn die Erstauflage? Treffen wir dann ungefähr den Anspruch und treffen wir den Markt damit?

KARIN SCHMIDT-FRIDERICHS:  Ich halte es für unglaublich wichtig, im ständigen Austausch zu sein – auch mit dem Team, was bisher noch nicht genug zur Sprache kam. Deshalb bin ich auch nicht überzeugt davon, dass Homeoffice für alles die optimale Lösung ist. Ich persönlich brauche den direkten, spontanen Austausch sehr. Unsere Teammitglieder sind nur selten im Haus, aber wenn sie da sind, laufe ich oft schnell raus und frage: „Kannst du mal kurz draufschauen?“ oder „Ich brauche mal eben deine Meinung.“ Ich finde das nicht nur viel effizienter, sondern auch entlastend.

Ich kenne mich gut genug, um zu wissen, dass ich mich in eine Aufgabe regelrecht verbeißen kann – und das führt dann nicht unbedingt zu besseren Ergebnissen. Gerade jetzt, während ich an den Texten für den kleinen Katalog zur Frankfurter Buchmesse arbeite, merke ich das wieder. Mein erster Schritt ist immer, einfach irgendwelche Worte ins Dokument zu werfen, um eine Basis zu haben. Früher hätte ich diese Rohversion vielleicht noch überarbeitet, bevor ich sie weitergebe, aber mittlerweile lasse ich sie bewusst so stehen. Denn für mein Team ist das eine wertvolle Grundlage – vieles davon fließt später in die Metadaten oder Newsletter ein. Ich setze die Newsletter ja nicht allein auf. Durch diese Vorgehensweise haben wir bereits alle Ideen und Begriffe, die mir beim Lektorieren in den Kopf kommen, an einem Ort versammelt. Und es kostet nichts – außer ein bisschen Speicherplatz.

Für uns ist es essenziell, dass wir uns gegenseitig beim Denken „zuschauen“ können. Bertram hat diese Methode inzwischen auch übernommen, sodass wir all diese Zwischenschritte transparenter machen. Das gilt auch für die Arbeit mit unseren Autor:innen. Wenn ich ein Manuskript lektoriere und mich über eine Stelle freue, setze ich ein Smiley oder ein Ausrufezeichen an den Rand. Anfangs braucht es dafür eine kleine „Legende“, damit die Autor:innen verstehen, was ich mit einem Ausrufezeichen meine – meistens einfach nur: „Cool! Super!“ Genau so würde ich mir auch in einem fertigen Buch Notizen machen.

Es geht um einen ständigen Dialog. Ohne Ansprechpartner:innen könnte ich wahrscheinlich überhaupt nicht arbeiten.

CHRISTOPH LUCHS: Du bist Vorsteherin im Börsenverein des Deutschen Buchhandels und damit ja auch Gesicht und Stimme der Buchbranche in Deutschland, kann man sagen. Inwiefern hat das denn mit der Kreativität oder dem Umgang mit Kreativen zu tun, die Bücher machen? Gibt es da irgendwo eine Brücke?

KARIN SCHMIDT-FRIDERICHS: Natürlich bin ich in beiden Rollen die gleiche Person, aber ich glaube, es handelt sich um sehr, sehr unterschiedliche Rollen. Und tatsächlich trenne ich sie auch sehr bewusst voneinander. Ich habe dafür immer ein Bild vor Augen, mit zwei Hüten. Ich mache mir immer sehr bewusst, welchen Hut ich gerade aufsetze. Das ist besonders wichtig, weil ich im Verlag Mitinhaberin und Mit-Chefin bin und unser eigenes Geld riskiere. In dieser Rolle darf ich natürlich ganz andere Dinge tun – und muss das vielleicht auch – als in meiner Funktion als Repräsentantin der Unternehmensvertreter:innen, die im Buch- und Börsenverein Mitglied sind.

In dieser Repräsentantenrolle finde ich, dass ich viel weniger tun darf. Ich möchte für die gesamte Branche sprechen und manchmal gehe ich da vielleicht kreativer an die Sache heran, als es andere in diesem Amt tun würden. Aber auch hier ziehe ich mich anders an, bewege mich anders und spreche anders. Das ist, glaube ich, auch meine Verpflichtung.

CHRISTOPH LUCHS: Wenn du in dieser Rolle als Vorsteherin des Bösenvereins des Deutschen Buchhandels bist, inwiefern siehst du denn die Arbeit für Kreative und mit Kreativen dann aus dieser Rolle. Ist das eine andere Position, wo du sagst, aus dieser Rolle heraus sehe anders auf mein eigenes Tun, auf mein tägliches Handeln, dass du sagst, das ist jetzt quasi mal die Außensicht, die ich einnehme oder eben grad von Rollenwechsel auch gesprochen hast.

KARIN SCHMIDT-FRIDERICHS: In meiner Rolle als Vorsteherin wird mir natürlich immer wieder bewusst, was für ein „Orchideenverlag“ wir hier eigentlich sind. Wenn wir in unserem Büro sitzen, dann ist diese Welt für uns natürlich alles. Aber wenn man von außen darauf schaut, dann ist der Verlag hoffentlich auch für die ein oder anderen Kreativen ein wichtiger Ort. Trotzdem relativiert sich das Ganze, wenn man die gesamte Branche sieht. Und dann erkenne ich auch, was für ein Privileg es ist, dass jedes Buch hier seine eigene, individuelle Form annehmen darf. In einem großen Konzern-Verlag würde der CFO wahrscheinlich den Kopf schütteln und mich rausschmeißen, wenn ich so arbeiten würde. Das funktioniert in großen Häusern eben anders – und das ist auch gut so.

Ich bekomme so die ganze Bandbreite der Branche mit, auch die ganz anders marktgängige Kreativität von Autor:innen. Ich habe mit Unternehmen und Autor:innen zu tun, die Bestseller schreiben und international einen riesigen Ruf genießen. Wenn ich morgens auf Salman Rushdie warte, zusammen mit seiner Pressesprecherin, dann sind das natürlich vollkommen andere Dimensionen. In solchen Momenten fühle ich mich dann schon manchmal klein oder empfinde es als wahnsinniges Geschenk, diese Rolle überhaupt einnehmen zu dürfen.

In dieser größeren Dimension gibt es natürlich auch ganz andere Marktmechanismen. Ich unterhalte mich in dieser Rolle mit dem Verleger von Barack Obama, und es gibt einen Prozess, der dafür sorgt, dass ein solches Buch weltweit gleichzeitig erscheint. Das ist etwas, das bei uns bei Schmidt noch nie passiert ist. Bei uns würde kein Erscheinungstermin gehalten werden – aber bei diesen großen Unternehmen funktioniert das. Sie können ein Buch weltweit veröffentlichen und es wird an verschiedenen Orten gedruckt und verteilt, ohne dass irgendjemand vorher das Buch in die Finger bekommt. Bei uns wäre das unvorstellbar – jeder würde es schon gepostet oder sich mit jemandem darüber unterhalten haben. Es ist wirklich faszinierend zu sehen, wie das funktioniert, und gleichzeitig auch sehr verantwortungsvoll, für dieses System zu sprechen.

Aber es ist auch wieder schön, mit dem Bewusstsein zurückzukehren, was in unserem kleinen Universum funktioniert und was vielleicht auch funktionieren muss, damit dieser kleine Verlag überhaupt eine Berechtigung hat. Denn wenn ein kleiner Verlag nur kleiner ist als die großen und nicht wirklich etwas anders macht, dann wird er bald nicht mehr da sein. Es ist also ein ständiges Pendeln zwischen diesen Welten und ein Einblick in Systeme, in die ich sonst keinen Zugang gehabt hätte. Das ist eine riesige Herausforderung und etwas, das ich wirklich als Ehre empfinde – auch wenn es ehrenamtlich ist.

CHRISTOPH LUCHS: Kommen wir mal zu einem völlig anderen Thema: der Zukunft. Bücher haben ja etwas vielleicht Zeitloses. Manche Bücher haben ihre Zeit. Manchmal braucht ein Buch sehr, sehr lange, bis es geschrieben ist. Manchmal braucht auch ein Buch, sehr lange, bis es am Markt erfolgreich ist. Und dann ist es plötzlich erfolgreich und man fragt sich: Warum war das denn in den Jahren davor nicht der Fall?

Das passiert ja alles. Aber wenn wir mal den Blick in die Zukunft wagen, dann kommt ja auch das Thema Digitalisierung mit dazu. Da kommt ja auch das Thema der Autorenschaft an sich mit hinein. Und viele Menschen schreiben mittlerweile online und sagen: Ich verkaufe mein eBook, ich schreibe einfach in meinen Kanäle. Ich mache meinen eigenen Kanal. Letztendlich ist dieser Podcast ja auch ein eigener Kanal, ein eigenes Medium, was ich mir ausgedacht habe und was mir niemand finanziert und niemand sagt: Du musst das jetzt so und so machen. Das hat eine unglaubliche Autonomie. Aber das heißt natürlich auch, ich kann den größten Blödsinn von mir geben. Und Jürgen Habermas hat sich mit diesem Thema ja mal vor zwei Jahren in seinem Buch beschäftigt “Ein neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit und die deliberative Politik“, bei Suhrkamp erschienen. Und er schreibt:“ Wie der Buchdruck alle zu potenziellen Lesern gemacht hatte. So macht die Digitalisierung heute alles zu potenziellen Autoren. Aber wie lange hat es gedauert, bis alle lesen gelernt haben?“

KARIN SCHMIDT-FRIDERICHS: Natürlich kann ich mich nicht im Entferntesten mit Habermas messen – das würde ich auch nie behaupten. Aber ich habe oft das Gefühl, dass die Digitalisierung uns alle zu Sendern macht. Selbst wenn es nur unsinnige Dinge auf Social Media sind, es gibt ja auch sinnvolle Inhalte auf Social Media, und das sehe ich als einen ganz wichtigen Baustein für die Demokratie. Auch wenn einige der Unsinnigkeiten in sozialen Netzwerken gerade die Demokratie ziemlich gefährden.

Zu Beginn dieser digitalen Prozesse hatte ich als Verlegerin tatsächlich etwas Angst, weil ich dachte: Wenn ich alles kostenlos und in unbegrenzter Menge haben kann, warum sollte dann noch jemand für Informationen bezahlen? Das Geschäftsmodell eines Verlages basiert ja darauf, dass man Informationen oder gebundene Inhalte, also Bücher, verkaufen möchte. Und angeblich kommt das Wort „Verlag“ von „vorlegen“ – ich weiß nicht, ob das stimmt, aber man erzählt es sich. Jedenfalls muss irgendwann der „Return on Investment“ kommen, sonst hat man nichts mehr, was man vorlegen kann. Aber mittlerweile bin ich da sehr entspannt und auch glücklich über die Medienvielfalt, die uns diese Prozesse bringen. Denn sie zwingen uns als Verlage, intensiv darüber nachzudenken, welchen Mehrwert wir schaffen. Nur wenn ich weiß, was der Mehrwert ist, den ich schaffen möchte – und hoffentlich auch tue – kann ich ihn gezielt und konzentriert angehen.

Natürlich sind wir in einer besonderen Situation, weil viele unserer Kreativen, vor allem die, die ihre Bücher selbst gestalten, uns eigentlich gar nicht brauchen. Sie können schreiben, sie können gestalten, sie wissen, wie man Druckaufträge vergibt und auch kontrolliert. Sie können ihre Bücher auch selbst auf Plattformen hochladen und schauen, wie sie sie verkaufen – sei es durch Fundraising oder auf andere Weise. Eigentlich brauchen sie uns also nicht. Oder doch? Das führt uns wieder zurück zu dem, was wir vorher besprochen haben: dem Team und dem Miteinander. Seitdem ich mir bewusst geworden bin, dass ich diesen Mehrwert klar kommunizieren muss, spreche ich mehr über den Prozess der Veredelung von Inhalten.

Ich vergleiche das oft mit einem Rohdiamanten, den die Kreativen haben. Dann kommt der Schleifprozess, der diesen Rohdiamanten erst zum Funkeln bringt. Dabei muss man, auch wenn ich mich mit Brillanten nicht gut auskenne, schon wissen, wie der Diamant später funkeln soll, um ihn richtig zu schleifen. Und ich bin überzeugt, dass wir diesen Prozess beherrschen. Wir geben den Inhalten einen Mehrwert durch den Prozess, den die Autor:innen mit uns erleben.

Das soll jetzt nicht abwertend klingen, was wir gerade hier tun. Es ist einfach eine andere Ebene mit einem anderen Anspruch. Das, was wir hier erschaffen, bleibt zwar für immer, aber es wird vielleicht nicht ständig gehört. Vielleicht wird es beim Bügeln, Aufräumen oder Spazierengehen gehört, und das finde ich vollkommen in Ordnung. Im Gegensatz dazu denke ich, dass wir uns als Verlag eine gewisse Selbstverpflichtung auferlegen sollten: Was sollte eigentlich zwischen zwei Buchdeckeln erscheinen, auch aus ökologischer Sicht? Manche Dinge sollten vielleicht einfach gepostet werden und dann auch vorbei sein – ohne dass man sie ständig weiter verfolgt.

CHRISTOPH LUCHS: Genau, 15 Minuten Bekanntheit. Andy Warhol hat es sehr schön formuliert vor sehr, sehr langer Zeit. Ich glaube, mit Social Media und Internet ist das jederzeit möglich. In allen Formen.
Eine letzte Frage von mir: Du bist mit vielen Autorinnen und Autoren im Gespräch. Buchprojekte sind in Arbeit. Natürlich darfst du da nichts verraten, das ist klar. Aber wenn wir jetzt mal sagen, du hättest ein Thema oder du hättest Motive, wo du sagst: Da brauche ich eigentlich mal eine Autorin oder einen Autor, die das macht. Und es wurde mir überhaupt noch nicht angeboten. Aber ich bin auf der Suche. Bist du auf der Suche nach Themen, die du hier nennen möchtest oder was kannst du quasi an Botschaft für alle Zuhörerinnen und Zuhörer mitgeben, die jetzt vielleicht auch überlegen: Ah, mir juckt es irgendwie in den Fingern. Ich würde gerne mal eine Idee loswerden.

KARIN SCHMIDT-FRIDERICHS: Ich arbeite gerne mit Magnetwänden, weil sie mir helfen, meine Gedanken zu sortieren. Ich kann Dinge darauf anheften, sie wieder entfernen und sie bleiben trotzdem eine Weile präsent. Ein Beispiel: Wir haben eine Bildwand mit der Überschrift „Projekt sucht Autor“. Leider funktioniert das nicht wirklich gut. Wenn ich dir jetzt erzähle, woran ich interessiert bin und wofür du dich vielleicht auch interessieren könntest, und du sollst dich dann lange damit beschäftigen – das wird nicht klappen. Es gibt Dinge, die sollen einfach eine Weile hängen bleiben, und manchmal wird ein Wunsch dann tatsächlich wahr. Aber der Wunsch, dich mit einem Thema zu beschäftigen, muss meiner Meinung nach aus dir selbst herauskommen, nicht von außen aufgedrängt werden. Das funktioniert vielleicht in der Schule nicht so gut, wenn man ein Aufsatzthema bekommt – vielleicht ist es dort auch nötig, aber bei einem Buch muss es aus dem Herzen der Autorin oder des Autors kommen.

Manchmal werden aber auch Wünsche wahr. Und jetzt werde ich ein wenig spoilern: Ein Thema, das schon lange auf der Wand hängt, ist die Idee, ein Buch für Gestalter:innen zu machen, das sich mit dem Herstellungsprozess beschäftigt. Aber nicht auf technische Weise, sondern so, dass es Lust macht, kreativ neue Wege zu gehen. Das Buch soll die Kreativen zu selbstbewussten Auftraggeber:innen für Druckereien und Buchbindereien machen. Der erste Traum, der daraus wahr wurde, war das Projekt „Vom Blatt zum Blättern“, in dem wir all die Ideen gesammelt haben, wie man ein Buch bindet und welche Rückwirkungen das auf die Gestaltung hat. Das hing lange auf der Wand, bis schließlich die beiden Autorinnen kamen und diesen Wunsch erfüllten. Und dann gab es Ende letzten Jahres das Buch „Nachhaltig drucken“ von Marco Haneke, das uns nicht nur beglückt, sondern auch herausgefordert hat. Es ist ein wahnsinnig wichtiges Buch, und Gott sei Dank ist es auch erfolgreich. Es wurde von Pauline Altmann hervorragend gestaltet und ist übrigens so klein, weil das die beste Nutzung der Seiten ist. Das war ein Spoiler, aber das gehört dazu.

Und wenn es irgendwie möglich ist, feiern wir den Abschluss immer mit einem schönen Essen mit der Autorin oder dem Autor – und wenn möglich auch der Gestalterin oder dem Gestalter – denn wir müssen den Erfolg auch richtig würdigen. Bei diesem Projekt sagte Marco Haneke, dass er jetzt traurig sei, weil er nicht mehr ständig mit Bertram telefonieren könne, weil ihm dieser Fachaustausch so gut gefallen habe. Wenn wir Glück haben und er dran bleibt – es sieht momentan so aus, als könnte das passieren – dann wird eines dieser Projekte 2025 von der Magnetwand verschwinden und wir werden einfach sagen: „Jetzt mach mal Vertrieb damit.“ Mehr kann ich dazu im Moment noch nicht sagen, aber es gibt Hoffnung, dass es wahr wird.

Andererseits habe ich jahrelang geglaubt, dass ich bestimmte Dinge mit Charme und Impertinenz erreichen kann. Aber dann habe ich mir überlegt: Wenn ich wirklich ein Buch schreiben wollte, das lange dauert und immer wieder länger dauert, als man erwartet, würde ich es dann zu einem Thema schreiben, das nicht aus mir selbst kommt? Wahrscheinlich nicht.

CHRISTOPH LUCHS: Das heißt, es ist eine persönliche Botschaft. Es ist die Autorin oder der Autor, die sich das ausdenken und es auch zu ihrem Herzensprojekt machen. Wenn sie das entschieden haben, dann sind sie bei euch richtig.

KARIN SCHMIDT-FRIDERICHS: Genau. Wenn ich den Verlag mit einem Satz beschreiben müsste, würde ich sagen: Wir tun alles, um den Kreativalltag schöner, glücklicher und erfolgreicher zu machen. Es gibt Projekte, die einfach nur dazu beitragen, den Alltag schöner oder vielleicht auch ein bisschen glücklicher zu gestalten. Und dann gibt es Projekte, bei denen es darum geht, den Erfolg zu fördern – aber auch da soll der Spaß nicht zu kurz kommen. Projekte, die nicht zu diesem Ansatz passen, sind woanders besser aufgehoben. Um das herauszufinden, muss man einfach mal in eine Buchhandlung gehen, sich anschauen, wo man seine Projekte im Regal positionieren würde und dann auf den Buchrücken schauen: Welcher Verlag steht da? Das ist das Schöne daran. Nur weil etwas schön gestaltet ist, reicht das noch lange nicht aus.

CHRISTOPH LUCHS: Gut. Ja, wir haben sehr viele Themen besprochen. Vielen herzlichen Dank für das Gespräch mit dir. Es war sehr informativ. Ich habe sehr viele Eindrücke mitgenommen, auch vielleicht für zukünftige andere Gespräche mit Autorinnen und Autoren, aber auch mit anderen Menschen, die im Buchwesen dabei sind und die auch Bücher gestalten. Vielen herzlichen Dank!

KARIN SCHMIDT-FRIDERICHS: Ich danke dir fürs Kommen und ich danke Martino, ohne den wir uns nicht kennengelernt hätten.

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