Die IU ist eine der größten Bildungseinrichtungen in Deutschland. Hier ist es möglich, im Bereich Design zahlreiche unterschiedliche Studiengänge mit Bachelor und Master abzuschließen. Die zertifizierten und stattlich anerkannten Abschlüsse helfen Studierenden, einen guten Einstieg in das Berufsleben zu erreichen. Doch wer studiert eigentlich an der IU und wie gelingt es, das sehr praktische Fach Design online im Fernstudium zu vermitteln?
Andrea Nienhaus ist Professorin für Kommunikationsdesign an der IU, der Internationalen Hochschule. Darüber hinaus arbeitet die studierte Designerin in Berlin als Beraterin für digitale Projekte und hält Vorträge zum Thema Digitale Tools für gemeinnützige Organisationen und Stiftungen.
Im Gespräch mit Diplom-Designer Christoph Luchs erzählt Andrea Nienhaus von ihrem ganz persönlichen Weg aus dem Münsterland in die Metropole Berlin und ihr Studium an der Hochschule der Künste (HdK), heute Universität der Künste – UdK.
Neben ihrer Berufung als Professorin mit einem hohen Anteil an praktischer Lehre an der Internationalen Hochschule berät Sie Organisationen und Firmen bei digitalen Projekten und hält Vorträge, wie digitale Tools im Alltag von gemeinnützigen Einrichtungen und Verbänden genutzt werden können. Ihre frische und unkomplizierte Art kommt offenbar dort gut an, wo Wissen benötigt wird.
Feedback und Designprozess sind zwei Themen, die sie im Gespräch vertieft und näher darauf eingeht, was für Sie ein gutes Feedback darstellt und wie dies gelingen kann. Der Designprozess ist offenbar eine zukünftige Aufgabe in der Design-Lehre, allen Studierenden zu vermitteln, wie ein Projekt von einer Idee zur Realisierung gelangt und dabei alle Kreativen ihre persönlichen Potentiale einsetzen können.
Die Webseite von Andrea Nienhaus: https://www.andreanienhaus.de/
LinkedIn-Profil: https://www.linkedin.com/in/andreanienhaus
Instagram: https://www.instagram.com/andrea_nienhaus
IU Internationale Hochschule, Fernstudium Kommunikationsdesign: https://www.iu-fernstudium.de/bachelor/kommunikationsdesign/
IU-Podcast: https://inside.iu-fernstudium.de/knowit/
Transkript der Folge:
CHRISTOPH LUCHS: Herzlich willkommen zur neuen Folge des Podcasts Designerklärer. Und als Designerklärerin habe ich jetzt eingeladen, Andrea Nienhaus aus Berlin. Herzlich willkommen!
ANDREA NIENHAUS: Hallo, vielen Dank für die Einladung zum Podcast heute.
CHRISTOPH LUCHS: Andrea, du bist Professorin für Kommunikationsdesign an der IU in Berlin. Was machst du da eigentlich? Stell dich doch mal kurz vor.
ANDREA NIENHAUS: Ich arbeite dort seit fast drei Jahren. Arbeite im Fernstudium in Teilzeit, muss ich sagen. Also ein bisschen Zeit ist noch für andere Sachen. Zum Teil arbeite ich als Beraterin für digitale Themen, heißt es, in meiner Signatur. Ich habe noch keinen besseren Titel dafür gefunden und gelegentlich arbeite ich auch noch als Kommunikationsdesignerin. Aber weil eben die Hochschularbeit meine Haupttätigkeit ist, kann man sich ungefähr vorstellen, wie viel Zeit dann noch für die anderen Sachen bleibt.
CHRISTOPH LUCHS: Prima. Wie bist du denn zum Design gekommen?
ANDREA NIENHAUS: Ich freue mich über diese Frage, weil mich grundsätzlich immer interessiert, wie Menschen zu dem kommen, was sie tun, was sie beschäftigt und welche Wege sie dorthin geführt haben – oft sind diese ja alles andere als geradlinig. Mein erster Impuls wäre zu sagen: „Ja, ich habe schon immer viel gezeichnet und gemalt.“ Aber das sagen wahrscheinlich viele. Es ist ja auch nachvollziehbar, dass Menschen im kreativen Bereich ihre Leidenschaft bis in die Kindheit zurückverfolgen können. Vielleicht war es bei mir ähnlich, aber es gab eben auch einige prägende Erlebnisse, die meinen Weg in diese Richtung gelenkt haben.
Schon früh habe ich viel gemalt, es gab sogar erste „Werke“ – und tatsächlich habe ich in der Schule einmal einen Preis für ein besonders gelungenes Bild gewonnen. Der Gewinn war ein Rundflug, was natürlich ein tolles Erlebnis war! Solche kleinen Erfolgsmomente waren für mich schon vor dem Studium wichtig. Und überhaupt: Der Weg ins Studium ist ja nicht immer einfach. Es gibt Aufnahmeprüfungen, die man erst einmal bestehen muss.
Eine prägende Erfahrung hatte ich in den Jahren 1995 oder 1996. Ich war mit meiner Mutter am Wochenende in einer Kleinstadt nebenan einkaufen – ich bin in einer ländlichen Region im Münsterland aufgewachsen, nicht in einer Großstadt, sondern in einem Dorf, wo die kulturelle Infrastruktur eher begrenzt war. Während dieses Einkaufs sprach uns eine Nachbarin an. Sie war im Kulturverein engagiert und meinte zu meiner Mutter und mir: „Wir haben da eine Ausschreibung für Kinder und Jugendliche, wir vergeben Stipendien. Andrea, wäre das nicht etwas für dich? Du machst doch so viel in dem Bereich. Bewirb dich doch mal!“
Also habe ich einige Arbeiten eingereicht – ich war damals 15 oder 16, so genau weiß ich das gar nicht mehr. Und tatsächlich: Ich habe das Stipendium des Kunst- und Kulturvereins gewonnen! Das war für die Region etwas Besonderes, denn es gab dort sonst eher klassische Einrichtungen wie die Volkshochschule. Aber dieser Kulturverein war wirklich von engagierten Menschen aus der Literatur- und Kunstszene geprägt, die sich nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Kinder und Jugendliche eingesetzt haben.
Durch das Stipendium konnte ich ein Jahr lang alle Kurse besuchen, die dort angeboten wurden. Rückblickend war das meine Eintrittskarte für alles, was danach kam. Ich habe bei einem Grafiker gearbeitet, der gleichzeitig Künstler war, Radierungen gemacht, viel gezeichnet, Keramikkurse besucht und an einer Zeichenreise nach Frankreich teilgenommen – alles neben der Schule.
Hinzu kam, dass ich eine großartige Kunstlehrerin hatte, die mich zusätzlich unterstützt hat. Auch außerhalb meiner Familie gab es Menschen, die mich gefördert haben. Ich habe drei Geschwister, wir sind eine große Familie, und die Aufmerksamkeit der Eltern musste auf vier Kinder verteilt werden. Deshalb haben wir vieles einfach selbst organisiert – und für mich war dieses Stipendium eine große Chance.
Die Arbeiten, die ich in dieser Zeit geschaffen habe, konnte ich später für meine Aufnahmeprüfungen an zwei Kunsthochschulen nutzen: der Universität der Künste in Berlin, die damals noch Hochschule der Künste (HdK) hieß, und der Hochschule für Künste in Bremen. Während meines Abiturs habe ich meine Mappen dort eingereicht – damals noch ganz klassisch in physischer Form – und bin zu den Aufnahmeprüfungen gefahren. Am Ende habe ich tatsächlich von beiden Hochschulen eine Zusage bekommen, was wirklich toll war, denn viele erleben bei diesen Bewerbungen erst einmal Ablehnungen oder müssen vorher lange Praktika machen.
Neben der Kunst hat mich aber auch der gestalterische Bereich interessiert. Mein erstes Schülerpraktikum habe ich in einer Werbeagentur in Münster gemacht, wo ich zum ersten Mal Einblicke in die kreative Arbeit bekam. Besonders spannend fand ich, dass die Grafiker:innen dort noch mit diesen speziellen Copymarkern, also Filzstiften, arbeiteten – und nur die Art-Direktoren durften an den Macs arbeiten. Das fand ich total faszinierend und dachte: „Das will ich später auch mal machen!“
Zusätzlich hatte ich ja bereits bei dem Grafiker gearbeitet, der nicht nur Künstler war, sondern tatsächlich Visuelle Kommunikation studiert hatte. Das hat mich neugierig gemacht: Ein Designstudium und gleichzeitig künstlerisch arbeiten – das klang für mich nach einer spannenden Perspektive. Allerdings hatte ich damals noch gar nicht so viel Ahnung von Design. Also habe ich mir in der Bibliothek Bücher ausgeliehen, zum Beispiel über Anton Stankowski, und mich intensiver damit beschäftigt.
So nahm mein Weg allmählich seinen Lauf – von den ersten kreativen Erfahrungen über das Stipendium bis hin zum Studium. Und letztlich war es diese Kombination aus frühen Erfolgserlebnissen, Unterstützung von außen und eigener Neugier, die mich dorthin gebracht hat, wo ich heute bin.
CHRISTOPH LUCHS: Das war die Initialzündung sozusagen. Ja, wunderbar, dass da klasse ist, von einem Stipendium sozusagen ins Studium. Das klingt sehr reibungslos. Also ich darf noch mal fragen, Du hast dann zwei Zusagen für eine Bewerbung gekriegt, also hast du im Prinzip zwei Mappen jeweils nach Bremen und nach Berlin geschickt. Und die wollten dich beide haben.
ANDREA NIENHAUS: Genau. Vielleicht war es damals auch einfach knapp, weil ich eben das konnte, was man mit 18 oder 19 so hinkriegt. Aber offensichtlich haben sie in meinen Arbeiten etwas gesehen. Ich hatte keine digitalen Arbeiten – das fing zu der Zeit zwar langsam an, einige hatten bereits ihre ersten Rechner oder waren schon total die Hacker, aber das war ich überhaupt nicht. Ich habe eher am PC meiner Eltern gesessen und versucht, die Tageszeitung nachzubauen. Solche Dinge haben mich schon interessiert, aber eher unbewusst.
Rückblickend klingt das vielleicht alles sehr reibungslos, aber ich würde sagen, dass ich einfach früh das gemacht habe, was mir Freude bereitet hat. Und da hatten meine Eltern eine sehr coole Haltung, weil sie das unterstützt und mir diese Freiheit gegeben haben. Das halte ich für unglaublich wichtig – dass man Menschen in ihren Stärken fördert, im Rahmen der Möglichkeiten.
Unabhängig davon, ob man in einer großen Stadt lebt oder nicht: Gerade im ländlichen Raum ist es essenziell, dass es gute Förderangebote gibt. Denn auch dort gibt es talentierte Menschen, aber oft fehlt der Zugang zu entsprechenden Möglichkeiten. Ich weiß nicht, wie es für mich gewesen wäre, wenn sich alles nur über die Schule abgespielt hätte. Sicherlich hätte ich auch dort guten Support gehabt, aber für solche Wege braucht es einfach eine gute Unterstützung.
Deshalb bin ich ein großer Fan davon, wenn es auch in kleineren Orten ein starkes Kulturangebot gibt – denn Talent und Kreativität gibt es überall, nicht nur in den Metropolen.
CHRISTOPH LUCHS: Das kann ich nur unterstützen. Also ich bin auch im Ländlichen aufgewachsen, in Ostwestfalen, also da, wo keiner Humor hat, angeblich und das war weit, weit ab und die nächsten „Großstädte“ waren Paderborn und Bielefeld und dazwischen ist die Ecke oder auf der anderen Seite der Solling, das heißt, da sind Bergzüge und da endet die Welt sozusagen, und das heißt, so was wie Design und andere Dinge kamen eigentlich nur durch Film, Funk und Fernsehen höchstens mal in das Tal.
Und ich hatte dann meinerseits mal das Glück, einen Volkshochschulkurs zu machen. Ich habe das zusammen mit meinem Vater gemacht, der gesehen hat, dass ich da kreativ was reißen möchte und dachte: Okay, wir machen mal einen Volkshochschulkurs. Es war ein unglaublich cooler Produktdesigner, der auch Künstler ist und der dann diesen Kurs gemacht hat. Und da gab es dann quasi so Grundzüge vom Produkt Design mit Zeichnen und mit Modellieren und allem Drum und Dran. Und der Typ kam eigentlich aus Tschechien und war einfach ein international sehr belesener und weitgereister Mensch und der hat dieses ganze Wissen einfach mitgebracht und das war wirklich eine völlig andere Welt und das hat mir auch dann Lust gemacht, persönlich dann weiter zu gucken und über den Solling hinaus und nicht nach Bielefeld zu ziehen.
ANDREA NIENHAUS: Ich wollte übrigens vorhin nicht die Volkshochschule schlechtreden – ganz im Gegenteil! Ich bin ein großer Fan solcher Strukturen, denn am Ende steht und fällt alles mit den Menschen, die dort arbeiten, und den Kursangeboten, die stattfinden. Hier in Berlin habe ich selbst schon den ein oder anderen Kurs besucht, zum Beispiel in Interior Design – kann ich nur empfehlen! Da sind wirklich tolle Leute dabei.
In meinem Fall war es damals einfach besonders, dass neben der Volkshochschule noch ein eigenes Programm ins Leben gerufen wurde, das wirklich großartig war.
In der Vorbereitung auf unser Gespräch ist mir außerdem noch etwas eingefallen: Diese Zeit war nicht nur der Startpunkt für mein eigenes gestalterisches Arbeiten, sondern auch mein erster Berührungspunkt mit dem Unterrichten. Ich habe damals tatsächlich mein erstes Seminar als Lehrende gegeben!
Es gab einen Kurs, bei dem es – glaube ich – um Malen für Kinder ging, eine Art kreative Nachmittagsbetreuung. Die Dozentin war länger krank, und da ich ohnehin schon in den Programmen aktiv war, gedruckt und gezeichnet habe, fragte mich jemand: „Hey Andrea, hättest du nicht Lust, das zu übernehmen?“ Und ich dachte: Warum eigentlich nicht?
Also bin ich als ältere Teenagerin in diesen Kurs gegangen und habe nachmittags mit den Kindern gemalt. Ich erinnere mich noch, dass ich Musik angemacht habe – „Die Moldau“ – und die Kinder haben dazu Bilder gestaltet. Plötzlich war ich in einer Anleitungssituation, ohne dass mir damals bewusst war, dass das im Grunde schon eine Art von Lehre war.
Rückblickend war das der erste Moment, in dem ich diese Rolle übernommen habe. Heute ist das Unterrichten ein Teil meiner Arbeit, aber eigentlich war ich immer wieder in solchen Situationen, ohne es als eigenständige Tätigkeit wahrzunehmen.
CHRISTOPH LUCHS: Genau, es geht einfach von alleine. Es geht von selbst, weil man ist grad in der richtigen Situation oder man merkt, man ist hier richtig und das fällt einem leicht. Oder mir fällt es leicht, anderen Menschen etwas beizubringen. Ich glaube, das hat dich ja dann auch weiter begleitet. Kommen wir mal zu deiner Professur an der IU. Was tust du da?
Also man kann da ja eine ganze Menge studieren. Ich habe mich ja auch mal vorher mal schlau gemacht. Alleine in dem Bereich Design und Medien gibt es Mediendesign, Kommunikationsdesign, Medienmanagement, Game Design, Produktdesign, UX Design, Kultur- und Medienpädagogik und Medieninformatik. Das ist zumindest das aktuelle Angebot. Wo bist du denn da eigentlich zu finden? Was machst du für Kurse? Was bietest du eigentlich an und wie studiert man da? Ja, wie geht das?
ANDREA NIENHAUS: Ja, ich steige direkt ein und kann dazu gerne noch etwas mehr sagen – vor allem für diejenigen, die sich fragen: Wie wird man eigentlich Professorin? Vielleicht interessiert das ja einige Hörer:innen, die sich vorstellen können, selbst in der Lehre zu arbeiten.
Zur IU: Ich unterrichte im Studiengang Kommunikationsdesign – allerdings im Fernstudium. Das bedeutet, ich bin nicht vor Ort an einer Hochschule, sondern arbeite aus meinem privaten Büro, in dem ich auch gerade sitze und spreche. Für die Studierenden ist es genauso: Sie studieren ortsunabhängig. Es gibt zwar einige Prüfungssituationen, in denen sie an einen Studienort gehen können – zum Beispiel für Klausuren –, aber grundsätzlich findet das Studium online statt.
Und was genau mache ich dort? Eigentlich ist meine Arbeit sehr ähnlich zu der an einer Präsenzhochschule oder einer staatlichen Hochschule. Wir Lehrenden sind in verschiedenen Kursen eingesetzt, und als Hochschule für angewandte Wissenschaften haben wir ein hohes Lehrdeputat – also eine Vielzahl an Lehrveranstaltungen.
Ich bin unter anderem für das Modul „Crossmediales Design“ verantwortlich, was bedeutet, dass ich nicht nur unterrichte, sondern auch für die inhaltliche Gestaltung des Kurses zuständig bin. Außerdem betreue ich Kurse zu den Themen Berufsfeldentwicklung im Kommunikationsdesign – ein Bereich, den ich persönlich besonders spannend finde, weil er sich mit der Zukunft der Branche befasst – sowie „Digital Design“. Zudem bin ich inhaltlich für den Kurs „Printproduktion“ verantwortlich, wobei die Durchführung hier ein Kollege übernimmt. Da stellt sich natürlich die Frage, wie man Printproduktion im Fernstudium vermittelt – aber es funktioniert!
Neben der Lehre gibt es noch weitere Aufgabenbereiche: Studienbewerber:innen müssen sich mit einer Aufgabenstellung bewerben und eine Eignungsprüfung ablegen. Ich bin Teil des Gremiums, das die Arbeiten bewertet und entscheidet, ob die Bewerber:innen direkt starten können oder ob sie noch eine zusätzliche Vorbereitungsphase brauchen.
Ein großer Teil meiner Arbeit besteht inzwischen auch in der Betreuung von Abschlussarbeiten. Diese Woche hatte ich beispielsweise zwei Bachelor-Kolloquien – das heißt, ich begleite die Studierenden sowohl bei der schriftlichen Abschlussarbeit als auch in der mündlichen Prüfung. Ich bin dabei als Erst- oder Zweitgutachterin tätig – ein Prozess, der im Grunde genauso abläuft wie an einer staatlichen Hochschule.
Und dann gibt es natürlich noch die Abstimmungen mit Kolleg:innen. Nicht alles, was in der Betreuung und Organisation anfällt, ist direkt kursbezogen – es geht auch um übergreifende Fragen, wie wir die Studierenden bestmöglich unterstützen.
CHRISTOPH LUCHS: Eignungsprüfung hattest du vorhin genannt, da steig ich mal ein. Du hast selbst gesagt, du hast Mappen nach Bremen und nach Berlin geschickt. Bei mir war es ähnlich, bei anderen ist es heute immer noch so, die sich irgendwo bewerben. Die Anzahl der Blätter ist durchaus etwas reduziert, glaube ich. Also es ist etwas komprimierter. Man soll, glaube ich, etwas schneller auf den Punkt kommen. Es hat keiner mehr Lust, noch 20 gezeichnete Bananen durchzublättern oder aufgeschnittene Kohlköpfe oder was man heute digital so macht. Also Animate ist zum Beispiel irgendwelche Manga Characters usw. Ich glaube das kann heute dann auch nicht mehr jeder sehen, der das macht. Wie sieht denn so eine Eignungsprüfung bei euch aus oder was kannst du daraus berichten?
ANDREA NIENHAUS: Ja, wahrscheinlich versteht man den Bewerbungsprozess am besten, wenn man ihn einmal selbst durchläuft. Er ist natürlich komplett digital – zumindest an meiner Hochschule. Wie das an anderen Hochschulen genau abläuft, weiß ich nicht, aber ich kann mir vorstellen, dass sich die Prozesse seit den 90er Jahren stark verändert haben.
Im Kern geht es bei der Bewerbung darum, die künstlerische Eignung festzustellen. Da kann man sich natürlich fragen: Warum ist das überhaupt wichtig? Es soll ja nichts Abschreckendes sein – schließlich ist es für Hochschulen auch essenziell, genügend Bewerber:innen zu gewinnen. Das gilt nicht nur für private Hochschulen, sondern auch für staatliche, die ebenfalls bestimmte Quoten erfüllen müssen. An privaten Hochschulen funktioniert das zwar ein wenig anders, aber das Ziel bleibt dasselbe: Es soll sichtbar werden, ob jemand das Potenzial hat, kreativ zu arbeiten.
Das kann man mit anderen Studiengängen vergleichen: Wer Musik studieren möchte, sollte eine gewisse musikalische Grundlage mitbringen und bereits ein Instrument spielen können – mitten im Studium erst damit anzufangen, wäre schwierig. Oder nehmen wir BWL: Es gibt dort keine Aufnahmeprüfung, aber wenn jemand eine völlige Zahlenphobie hat und sich mit Mathematik überhaupt nicht wohlfühlt, wäre das vermutlich auch keine gute Wahl. Oder Medizin – mittlerweile reicht dort nicht mehr nur ein ausgezeichnetes Abitur als Eintrittskarte, sondern es gibt Eignungsprüfungen, die testen, wie gut sich Bewerber:innen in Patientensituationen hineinversetzen können. Schließlich geht es um den Umgang mit Menschen.
Ähnlich ist es auch in kreativen Studiengängen: Es geht nicht darum, dass Bewerber:innen bereits perfekt sind, sondern dass sie ein gewisses Potenzial mitbringen. Ich finde es wichtig, dass jede:r die Chance bekommt, Fähigkeiten zu entwickeln und Wissen im Studium zu erwerben – niemand muss am Anfang schon alles können. Aber wir schauen, ob es eine Basis gibt, auf der man aufbauen kann.
Wenn ich an meine eigene Bewerbung zurückdenke: Ich habe mich damals ja nicht als perfekte Grafikdesignerin beworben. Aber ich hatte vielleicht einen guten Blick für Gestaltung oder einen Zeichenstil, der Potenzial hatte – und genau solche Dinge kann man in einer Bewerbung zeigen.
CHRISTOPH LUCHS: Dein Studium ist ja online und die Studierenden sitzen also irgendwo vor einem Laptop irgendwo auf der Welt oder in Deutschland. Wenn du das ganze online durchführst, und wir kennen es ja alle so ein bisschen aus der Pandemie-Zeit, wo plötzlich das reguläre Präsenzstudium einfach mal eben von heute auf morgen umgewechselt wurde in eine Zoomkonferenz oder Big Blue Button oder was auch immer und plötzlich sich Leute im Break out Room verloren haben, dann war das eine steile Lernkurve innerhalb von ein, zwei Semestern für jede Universität. Bei euch ist es ja quasi gleich vorausgesetzt. Wie gut seid ihr denn da eigentlich organisiert und aufgestellt? Also wenn du jetzt da angefangen hast in der Universität, kriegst du ja quasi erst mal ne Einführung, wie die ganzen Tools dann funktionieren und mit welchen Plattformen ihr arbeitet oder wie kann man sich das vorstellen, wo man sagt: So, ich versetze mich mal in die Rolle eines Studierenden in deinem Kurs.
ANDREA NIENHAUS: Ja, ich gehe mal noch einen Schritt zurück. Für mich persönlich war die Pandemie eine steile Lernkurve – wahrscheinlich wie für viele im kreativen Bereich. Zwar hatte ich vorher auch schon remote gearbeitet, aber das lief eher pragmatisch ab: Daten wurden digital verschickt, man hat telefoniert, anstatt direkt ein Video-Meeting aufzusetzen. In anderen Bereichen, wie der IT, war das natürlich längst Standard, aber für viele von uns wurde das erst mit der Pandemie zur Normalität – einfach, weil es nicht anders ging.
Das hat mich auch in meiner Lehrtätigkeit betroffen, noch bevor ich an der IU war. Ich habe als Lehrbeauftragte gearbeitet und hatte während der Corona-Pandemie Lehraufträge, die plötzlich komplett digital stattfinden mussten. Es war für alle Beteiligten ein „Okay, wir müssen das jetzt irgendwie machen“-Moment. Niemand war wirklich vorbereitet. Aber ich würde sagen, dass meine gewisse Technikaffinität mir geholfen hat, mich da schnell zurechtzufinden.
Rückblickend war das eine super Vorbereitung für das Fernstudium, in dem ich heute unterrichte. Als ich mich an der IU beworben habe, hatte ich ja schon zwei Jahre lang fast ausschließlich online unterrichtet – für mich war es also keine Frage, ob das überhaupt funktioniert. Ich wusste bereits: Ja, es geht, und ja, es kann sogar spannend sein.
Natürlich braucht eine Hochschule, die ein Fernstudium anbietet, eine entsprechend ausgebaute Infrastruktur. So etwas entwickelt man nicht mal eben in fünf Minuten. An der IU gibt es rund 130.000 Studierende – nicht alle davon im Fernstudium, aber eine beträchtliche Anzahl. Das heißt, es gibt eine solide technische Grundlage und einen entsprechenden Support, der sicherstellt, dass das Ganze auch reibungslos funktioniert.
Ich wollte noch etwas dazu sagen, aber das ist mir gerade entfallen. Vielleicht hast du ja noch eine Frage dazu?
CHRISTOPH LUCHS: Okay, kein Problem. Ich wollte eigentlich noch mal einen Schritt weitergehen. Und zwar diesen Unterschied mal zu erfragen. Wie ist das denn jetzt online? Wenn ich jetzt das ganze Studium nur online mache oder als Fernstudium? Fernstudium, das klingt ja immer noch so nach Fernuniversität Hagen. Das ist sozusagen der Inbegriff in Deutschland, der Bildung über die Entfernung. Da hat man dann Unterlagen noch per Post damals hin und her geschickt und hat dann ganze Kurse gemacht. Zu Prüfungen musste man irgendwo anreisen, aber sonst nicht. Heute, wenn ich jetzt online studiere, ist es fast eigentlich normal. Es gibt ganz viel Material, Input Online. Aber wie kann ich das eigentlich transportieren? Wie kann ich Feedback online geben? Wie gibst du Feedback zum Beispiel an deine Studierenden, wenn die sagen: Ich halte hier mal gerade eine Zeichnung in die Kamera oder ich schicke dir dann meine Entwürfe digital. Klar geht das, logisch. Aber wo ist auch der Unterschied, wo es vielleicht auch der Unterschied, wenn du jetzt an dein Studium zurückdenkst in Berlin, wo halt auch der Austausch der Studierenden untereinander ja vielleicht auch ein wichtiger Lernfaktor ist, dass man voneinander lernt und eventuell auch mal in eine Konkurrenzsituation gebracht wird, sei das jetzt bewusst oder unbewusst. Wie ist das bei dir? Was beobachtest du?
ANDREA NIENHAUS: Ich glaube, man muss aufpassen, dass man nicht in eine allzu romantische Vorstellung vom Präsenzstudium verfällt. Es klingt ja oft so verlockend: tolle Räume, inspirierende Werkstätten. Ich war letztes Jahr an einer Hochschule in der Schweiz auf einer Fachkonferenz – das Gebäude war großartig, und man konnte sich richtig in die Atmosphäre verlieben.
Aus der Perspektive eines Fernstudiums wirkt das natürlich noch beeindruckender, weil wir so etwas in der Form nicht abbilden können. Wobei es an der IU durchaus Präsenzstandorte gibt – vor allem für das duale und das klassische Präsenzstudium.
Wenn ich aber auf mein eigenes Studium zurückblicke, war es nicht so, dass ich ständig in einem belebten Hochschulgebäude war. Es gab bestimmte Kernzeiten – Montag, Dienstag waren viele da. Ab Mittwoch lichteten sich die Reihen, und spätestens am Donnerstag und Freitag waren die Gänge oft wie leergefegt. Ich erinnere mich an Kurse, in denen ich alleine oder vielleicht mit einer weiteren Person saß, weil viele Kommiliton:innen lieber von zu Hause aus arbeiteten.
Ich selbst war oft an der Hochschule – allerdings aus einem praktischen Grund: Ich hatte anfangs keinen eigenen Rechner. Erst nach einer Weile konnte ich mir von meinem Ersparten meinen ersten eigenen Laptop kaufen – dieses blaue MacBook, das aussah wie eine kleine Handtasche. Ich fand es total cool! Bis dahin war ich regelmäßig im Computerlabor, zusammen mit anderen, denen es ähnlich ging.
Aber dass alle gemeinsam und kollaborativ gearbeitet haben? Das war eher selten. Meistens trafen wir uns, um unsere Arbeiten zu präsentieren. Natürlich gab es auch Phasen, in denen sich das anders angefühlt hat. Ich erinnere mich an ein Semester, in dem wir praktisch von morgens bis abends zusammen vor Ort waren – wir haben gemeinsam gearbeitet, Filme geschaut, teilweise bis in die Nacht hinein an Projekten gesessen. Das war großartig!
So etwas kann ein Fernstudium natürlich nicht in der gleichen Form abbilden. Aber das bedeutet nicht, dass es keinen Austausch gibt. Studierende organisieren sich selbst, bilden Gruppen, tauschen sich aus. Als Lehrende können wir solche Prozesse zwar nicht erzwingen, aber wir können Rahmenbedingungen schaffen, die den Austausch fördern – zum Beispiel durch Breakout-Sessions, Zweiergruppen oder gezielte Vernetzungsangebote.
Das ist übrigens nicht nur ein IU-Thema, sondern eine allgemeine Frage: Wie arbeitet man virtuell gut zusammen?
Zum Thema Feedback: Was in Präsenz ein gutes Feedback ist, ist auch digital ein gutes Feedback. In der Betreuung von Bachelorarbeiten führe ich Eins-zu-eins-Gespräche, in denen ich individuell auf die Studierenden eingehen kann. In Seminaren mit mehreren Teilnehmer:innen gebe ich gezieltes Feedback, aber ich halte es für genauso wichtig, Studierende selbst in die Feedback-Situation zu bringen.
Das bedeutet: Ich frage aktiv nach ihrer Einschätzung. Wie würdet ihr diese Arbeit bewerten? Wo seht ihr Stärken und Schwächen? Wenn jemand eine Frage zu einem bestimmten Punkt hat, dann gebe ich ergänzend meine Einschätzung.
Denn Feedback zu geben ist nicht nur ein wichtiger Teil des Lernens, sondern auch eine zentrale Fähigkeit in der Designpraxis. In der realen Arbeitswelt läuft es ja auch nicht so, dass man ein Projekt fertigstellt, es abgibt und dann einfach sein Geld bekommt.
CHRISTOPH LUCHS: Äußerst selten! Eigentlich ist man dann schon fast als Kreativer tödlich beleidigt, wenn der Kunde sagt: Okay, in Ordnung, gut abgeliefert, hier ist es Geld. Tschüss.
ANDREA NIENHAUS: Genau, weil wir leben auch so ein bisschen von den Rückmeldungen.
CHRISTOPH LUCHS: Absolut, ja.
ANDREA NIENHAUS: Eine Einschätzung zum richtigen Zeitpunkt zu bekommen, ist enorm wichtig. Am schlimmsten ist es, wenn man schon sehr weit in der Arbeit ist und dann plötzlich Feedback erhält wie: „Ach so, nein, wir wollten das eigentlich ganz anders haben.“ In so einem Fall kam das Feedback schlichtweg zu spät.
Deshalb sollte man Rückmeldungen frühzeitig einholen – nicht nur von Auftraggeber:innen, sondern auch durch User-Tests. Auch das ist eine Form von Feedback, die im Designprozess eine entscheidende Rolle spielt. Denn wir gestalten ja nicht nur für uns selbst, sondern immer für einen bestimmten Nutzer:innen-Kontext. Unsere Arbeit muss in diesem Kontext funktionieren. Sich frühzeitig diesem Abgleich zu stellen und konstruktive Rückmeldungen einzuholen, ist daher essenziell.
Genauso wichtig ist aber die Art und Weise, wie Feedback gegeben wird. Ich halte es für zentral, zunächst zu klären: Wozu möchte jemand Feedback? Ungefragtes Feedback kann zwar gut gemeint sein, hilft aber oft nicht weiter. Natürlich kann ich zu vielen Dingen etwas sagen, aber im Studiumskontext sollte Feedback immer darauf abzielen, Studierende in ihrer Arbeit konkret weiterzubringen.
Deshalb frage ich gezielt: „Wozu möchtest du Feedback haben?“ Wenn mir darüber hinaus noch etwas auffällt, das wirklich wichtig ist, dann spreche ich es an. Aber es geht darum, den richtigen Rahmen für produktive Rückmeldungen zu schaffen – unabhängig davon, ob wir uns in einem virtuellen oder einem physischen Lernraum befinden. Ich würde es genauso handhaben, wenn ich mit den Studierenden in einem Studio vor Ort sitzen würde.
CHRISTOPH LUCHS: Kommen wir mal zu der IU selbst. Was ist das eigentlich für ein Träger? Das ist ja eine private Hochschule und da gibt es ja auch Gebühren, die ich bezahlen muss. Also es ist nicht staatlich, ist es nicht quasi vom Steuergeld bezahlt. Wie funktioniert das und was hat das dann eigentlich für Konsequenzen? Also studieren dann die Studierenden konsequenter, gradliniger, kontinuierlicher? Kannst du den Vergleich ziehen?
ANDREA NIENHAUS: Grundsätzlich ist eine Hochschule eine bestimmte Rechts- und Organisationsform, die bestimmte Strukturen und Organe benötigt, um sich überhaupt Hochschule nennen zu dürfen. Sie muss akkreditiert werden – das kann nicht einfach so geschehen. Gremien wie der Wissenschaftsrat prüfen, ob eine Institution als Hochschule anerkannt werden kann. Auch staatliche Hochschulen unterliegen Akkreditierungs- und Prüfungsverfahren, um sicherzustellen, dass ihre Studiengänge den entsprechenden Anforderungen entsprechen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Trägerschaft. Viele kennen das klassische Modell einer staatlichen Hochschule – in Deutschland bedeutet das, dass das jeweilige Bundesland der Träger ist, da Bildung Ländersache ist. Ein Beispiel: Die UdK in Berlin, an der ich studiert habe, wird vom Land Berlin getragen, das auch die Finanzierung sicherstellt.
Private Hochschulen hingegen haben eine andere Trägerschaft – meist ein Unternehmen, das profitorientiert arbeitet. Es gibt jedoch auch Hochschulen, die von Stiftungen getragen werden. Insgesamt sind etwa ein Drittel der Hochschulen in Deutschland nicht staatlich – eine Zahl, die sich auch in den Shownotes aktualisieren lässt. Die Gründe für diese Vielfalt sind unterschiedlich, tragen aber zur Diversität der Bildungslandschaft bei.
Auch staatliche Hochschulen stehen mittlerweile unter finanziellem Druck. Neben den staatlichen Haushaltsmitteln, die eher gekürzt als erhöht werden, sind sie zunehmend auf Drittmittel angewiesen. Dies betrifft zum Beispiel Forschungsförderungen oder Exzellenzcluster.
Die IU ist eine Hochschule für angewandte Wissenschaften und hat daher keinen Universitätsstatus. Hier kommt eine weitere Differenzierung ins Spiel: Der Status einer Hochschule hat mit Forschung, Promotionsrecht und weiteren Strukturen zu tun. Fachhochschulen – oder Hochschulen für angewandte Wissenschaften – haben traditionell weniger Fokus auf Forschung, aber das ändert sich zunehmend. Immer mehr Fachhochschulen engagieren sich in forschungsbezogenen Projekten.
Diese strukturellen Unterschiede wirken sich auch auf die Lehre aus. An Universitäten gibt es klassische Lehrstühle mit wissenschaftlichen Mitarbeitenden. An Hochschulen für angewandte Wissenschaften ist das anders organisiert: Hier gibt es in der Regel ein hohes Lehrdeputat, was bedeutet, dass die Lehre einen größeren Anteil der Arbeit ausmacht als die Forschung. Zwar kann man auch an Fachhochschulen forschen, aber es ist in der Regel nicht der zentrale Bestandteil der Professur.
CHRISTOPH LUCHS: Oder auch, um es uns mal für Nicht- Akademiker oder Mitarbeitende von Universitäten oder Hochschulen zu erklären. Es ist halt der Anteil, wie viel gelehrt und wie viel geforscht wird. Und bei staatlichen Hochschulen, besonders dann bei Universitäten, ist der Anteil der Forschung durchaus hoch. Und bei euch ist es in dem Fall, wenn ich das jetzt so richtig verstehe, ist er relativ niedrig. Das heißt, ihr habt sehr viel Praxis und sehr viel Lehre.
ANDREA NIENHAUS: Genau. Aber das ist eben nicht so ein IU Thema, sondern das ist es trifft jede Hochschule für angewandte Wissenschaften. Dann geht es auch eben darum, wie ist so ein Deputat ausgestaltet, also sozusagen ein Teil meines Deputats ist dann auch, dass ich Abschlussarbeiten mache. Also da geht es wirklich um das Tätigkeitsfeld. Wir haben auch Forschungsmöglichkeiten an der IU, auch da gibt es dann entsprechende Möglichkeiten, je nach Forschungsprojekt, das dann auch im Deputat abzubilden. Also das gibt es auf jeden Fall.
Muss ich da mal kurz überlegen Du hattest. Ach genau, es ging noch mal um dieses Thema, wenn ich das richtig verstanden habe, wie das mit dem Bezahlen ist und Studiumskosten an sich?
CHRISTOPH LUCHS: Also die Studierenden müssen ja eine Gebühr bezahlen pro Semester und das ist ja jetzt vergleichbar nicht unbedingt mit staatlichen Hochschulen, wo die Gebühren zwar da sind, aber das sind dann ja Grundgebühren für das Studierendenwerk oder für die Mensa und sonstige Dinge. Das ist ja vergleichbar lächerlich, wenn man jetzt sagt, okay, das sind jetzt die Kosten der IU pro Semester, führt das dann dazu, dass die Studierenden kontinuierlich arbeiten, weil sie ja diese Beträge auch bezahlen müssen. Sie müssen die ja auch selber irgendwie aufbringen, sozusagen Eigenmittel oder vielleicht Drittmittel, also sprich Großeltern, Eltern, wie auch immer. Also was gibt es da, wozu führt das dann im Studienverhalten selbst?
ANDREA NIENHAUS: Der Grund für Studiengebühren an privaten Hochschulen liegt in ihrer Finanzierungsstruktur: Sie müssen sich selbst finanzieren, da sie keine staatlichen Mittel erhalten. Die Gebühren decken also die Kosten, die bei einer staatlichen Hochschule durch öffentliche Gelder getragen werden.
Die Entscheidung für ein Studium an einer privaten Hochschule oder im Fernstudium hängt oft mit der Studienform und dem angebotenen Programm zusammen. Natürlich könnte man sich fragen: Warum sollte ich monatlich zahlen, wenn ich auch an eine staatliche Hochschule gehen kann? Doch es spielen mehrere Faktoren eine Rolle.
Ein wichtiger Aspekt sind die Lebenshaltungskosten. Wenn ich heute noch einmal als Studentin in Berlin studieren würde, hätte ich nicht nur die vergleichsweise niedrigen Semestergebühren einer staatlichen Hochschule zu zahlen, sondern auch hohe Miet- und Lebenshaltungskosten. Gerade in Großstädten ist das Wohnen mittlerweile sehr teuer geworden. Nicht jeder hat Eltern, die das finanzieren. Ich selbst habe damals ein wenig BAföG erhalten und nebenbei arbeiten müssen – meine Eltern konnten mir keine großen Summen zur Verfügung stellen.
Viele Studierende wählen ein Fernstudium oder eine private Hochschule auch aus dem Grund, dass sie in ihrer Heimatregion bleiben können, etwa in ländlichen Gebieten, oder ihr Studium mit ihrem Beruf vereinbaren möchten. Das ist allerdings kein spezifisches IU-Thema, sondern ein genereller Vorteil von Fernstudiengängen.
Auch der gesamte Hochschulbereich ist durchlässiger geworden. Staatliche Hochschulen bieten mittlerweile ebenfalls Weiterbildungsprogramme an, da klar ist, dass Bildung sich über das gesamte Leben erstreckt. Hochschulen ermöglichen es heute, sich weiter zu qualifizieren – sei es durch ein Bachelor- oder Masterstudium oder durch Zertifikate und spezifische Qualifikationen in bestimmten Bereichen.
Letztlich gibt es, genau wie an staatlichen Hochschulen, auch im Fernstudium oder an privaten Hochschulen sehr unterschiedliche Studierendenprofile und Motivationen. Jeder bringt seine eigene Lebenssituation und Beweggründe mit – sei es berufliche Weiterentwicklung, persönliche Interessen oder die Flexibilität, Studium und Alltag besser zu vereinen.
CHRISTOPH LUCHS: Ja, also wir haben jetzt über die Online und Offline Schulungssituation gesprochen und über die Angebote bei euch und wie das bei staatlichen Hochschulen oder Universitäten aussieht. Das heißt, wir haben eigentlich auch kaum wirkliche Unterschiede. Es gibt zwar die Online-Lehre und es gibt die Offline- oder Präsenzlehre, aber letzten Endes ist es ja auch entscheidend, wie viel Motivation bringt die Studierende / der Studierende mit und was lernen die eigentlich? Also was ist bei dir in deinem Unterricht eigentlich die wichtigste Botschaft, die du in mitgeben willst? Vorhin hattest du den Satz gesagt: Wir arbeiten nicht nur für uns, wir arbeiten für andere. Und vielleicht ist das ja ein Ansatzpunkt und das würd mich mal interessieren. Was gibst du den Studierenden mit?
ANDREA NIENHAUS: Also, ich möchte noch mal kurz auf das eingehen, was du angesprochen hast, etwas weiter vorne. Es gibt natürlich Unterschiede zwischen einem Fernstudium und einem Präsenzstudium, weil wir in einem Präsenzstudium gemeinsam in einem Raum sind und dort zusammenarbeiten können. In einem Fernstudium müssen wir das Ganze anders abbilden. Ich habe auch den Kurs „Printproduktion“, wo ich als Modulverantwortliche tätig bin. Ich würde sehr gerne mit den Studierenden in eine Druckerei gehen und an der Druckmaschine stehen. Aber natürlich müssen wir uns da kreativ überlegen, wie wir das virtuell abbilden können. Virtuelles Lernen ist nicht grundsätzlich schlechter, nur weil wir uns nicht im Raum befinden. Präsenzstudium und Fernstudium sind einfach zwei unterschiedliche Formen des Lernens, und jede hat ihre eigenen Stärken und Schwächen. Es geht darum, das Beste aus dem herauszuholen, was gerade möglich ist, und genau das ist mir wichtig. Gleichzeitig weiß ich aber auch, was wir in einem Präsenzstudium nicht machen können. Das funktioniert dann eben anders.
Zu deiner Frage, was wichtig ist oder worum es eigentlich geht: Wenn ich als Lehrende von mir spreche, dann ist das natürlich auch eine sehr persönliche und individuelle Sache. Jeder hat sein eigenes Verständnis davon, wie er oder sie Lehre gestalten möchte, und das hat auch viel mit der eigenen Persönlichkeit zu tun. Ein Kollege oder eine Kollegin wird das vielleicht anders angehen. Aber grundsätzlich kann man sagen, dass es mittlerweile gut erforscht ist, wie Lernen funktioniert, unabhängig vom Studiengang. Es geht immer darum, dass Studierende nach einem Kurs etwas können, was sie vorher nicht konnten. Mein Verständnis als Lehrende ist, dass ich Studierende dazu befähige, das zu können. Ich habe dazu auch einige Weiterbildungen gemacht, um das besser zu verstehen. Für mich bedeutet das, die Motivation in den Studierenden zu wecken. Sie müssen sich selbst motivieren, aber ich kann Impulse geben, die sie dazu bringen, zu sagen: „Hey, das ist interessant! Ich habe Lust, das zu machen!“ Das ist meine Perspektive auf Lehre: Ich versuche nicht, einfach zu sagen: „Schau her, so mache ich es, mach es genauso!“ Das ist ein eher veraltetes Verständnis von Lehre. In der Bachelorbetreuung sehe ich mich eher als eine Art Coach. Ich bin Lernbegleiterin – das klingt vielleicht etwas klischeehaft, aber im Prinzip ist das so. Die Arbeiten müssen die Studierenden selbst machen. Mein Job ist es, zu schauen, wo ich jemanden unterstützen kann und welche Impulse ich noch mitgeben kann, damit er oder sie den eigenen Weg findet und herausfindet, wie man das selbst umsetzt.
Ein weiterer Punkt ist: Wir sind jetzt im Jahr 2025, und das klingt schon fast futuristisch. Die Frage stellt sich, was wir eigentlich im Studium noch lernen müssen, besonders in einem Designstudium. Es gibt Künstliche Intelligenz, vieles ist auf Knopfdruck verfügbar, und Design-Tools sind erschwinglich bis hin zu kostenlos. Es ist wirklich alles da. Also, wofür braucht man dann noch eine akademische Ausbildung, wenn doch eigentlich jeder das in der Praxis machen kann? Diese Frage gibt es wahrscheinlich schon immer, weil es eine Art Demokratisierung der Mittel gibt. Das ist auf der einen Seite großartig, aber auf der anderen Seite geht es auch darum, verantwortungsvoll mit diesen Mitteln umzugehen und dabei eine hohe Qualität zu erzielen.
Es gibt mittlerweile viele, die sagen, dass vieles von dem Design, das heute produziert wird – besonders das mittelmäßige Design, das man ständig sieht – von einer KI erledigt werden kann. Das ist dann nicht besonders, und es ist austauschbar. An dieser Stelle fragt man sich: Brauchen wir das überhaupt? Es gibt sicherlich Anwendungskontexte, in denen das durchaus sinnvoll ist. Aber was genau lernen wir also im Studium? Das ist vielleicht eher eine individuelle Frage. Es geht darum, die Studierenden in ihrem Können zu unterstützen und ihnen zu helfen, möglichst reflektierte Menschen zu werden. Und genau das brauchen wir später auch im Arbeitsumfeld. Denn gerade in den angewandten Wissenschaften liegt der Fokus darauf, dass Studierende nach dem Studium wirklich in ihrem Berufsfeld arbeiten können. Ich halte nichts davon, wenn man „fancy Stuff“ macht, aber der Sprung in die Berufspraxis dann so groß ist, dass es gar nicht funktioniert.
Gleichzeitig sehe ich aber auch, dass eine Hochschule Freiräume bieten sollte, um Dinge herauszufinden. Sie sollte ein geschützter Raum sein, in dem man sich ausprobieren kann, ohne dass sofort alles kaputt geht. Das merke ich oft, dass Studierende Schwierigkeiten haben, sich diesen Freiraum zu nehmen und sich etwas zu trauen, etwas herauszufinden, von dem sie vorher nicht wussten, dass es herauskommen würde. Aber genau das brauchen wir später auch in der Praxis: Die Fähigkeit, Dinge auszuprobieren, auch wenn wir nicht wissen, was am Ende dabei herauskommt. Diese Art von Experimentierfreude muss im Studium gefördert werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass ich in 20 Jahren Berufserfahrung nicht mehr sagen kann: „Das habe ich damals gelernt, und so müsst ihr das jetzt auch machen.“ Denn unser Berufsfeld hat sich ständig weiterentwickelt. Ich habe zum Beispiel das Thema KI angesprochen, aber auch die Verfügbarkeit und der Umgang mit verschiedenen Tools hat sich verändert. Auch Social Media ist ein Thema, das es früher nicht gab – heute spielen Bewegtbilder eine viel größere Rolle. Deshalb ist es aus einer Lehrperspektive wichtig, auch eine gewisse Offenheit zu haben. Wir müssen auch sagen: „Ich weiß es auch nicht genau, aber ich möchte es herausfinden.“ Diese Offenheit sollte auch von den Lehrenden kommen, die den Studierenden etwas beibringen und sie in das Berufsfeld einführen. Und dafür braucht es eine Lehrform, in der wir gemeinsam herausfinden, was funktioniert und was nicht. Und wir sollten den Studierenden einen Raum bieten, in dem sie experimentieren und entdecken können.
Das ist mein Verständnis von einem Designstudium. Und wer weiß, vielleicht wird es in fünf Jahren schon wieder ganz anders aussehen.
CHRISTOPH LUCHS: Kurt Weidemann sagte mal den sinnvollen Satz: Wir müssen unseren Job alle fünf Jahre neu lernen. Und ich würde behaupten, dass ist eher noch schneller geworden in den letzten Jahren, Jahrzehnten. Dass nicht nur jetzt KI halt das Berufsbild eindeutig verändert und auch viele Arbeiten überflüssig oder beschleunigt, ich finde, auch effizienter macht. Also ich freue mich, wenn ich ein Bild per Knopfdruck freistellen kann. Ich habe 20 Jahre Photoshop begleitet, in Kursen oder selber angewendet und dann freue ich mich ja, dass ich das nicht mehr machen muss. Allerdings habe ich das Wissen darüber, warum oder wie komplex der Hintergrund ist, um diese Leistung der KI heute wertzuschätzen. Ich könnte mir vorstellen, dass das ein bisschen verlorengeht, wenn man heute einfach das Ergebnis sieht: Okay, KI Photoshop, klick, fertig. Oder ich machen auf meinem Smartphone ein Foto und das bietet mir schon an: Willst du es freistellen? Hier ist es schon. Also das ist schon etwas abgedreht, wenn man 20 Jahre zurückblickt. Allerdings hat man dann auch nicht unbedingt viel Wissen erlangt, um die Medientechnik. Ist das Thema bei euch auch, du sagt es ja auch, digitales Design ist ja auch Thema bei euch im Unterricht, ist das Thema auch, die Medien-Technik zu verstehen und jetzt nicht nur anzuwenden.
ANDREA NIENHAUS: Also, ich finde es grundsätzlich sehr wichtig, dass wir uns mit der technischen Seite von Design und den Anwendungssoftwares beschäftigen. Es geht nicht nur darum, ein gutes Ergebnis zu erzielen, sondern auch zu verstehen, wie man dahin kommt und wie man kritisch darüber reflektiert. Zum Beispiel, wenn ich mit Adobe arbeite: Was bedeutet das eigentlich? Welche Alternativen gibt es? Warum ist Adobe ein gutes Tool, und an welcher Stelle vielleicht nicht? Was kann ich damit machen, und was eben nicht? Das ist definitiv ein Thema, das immer wichtiger wird.
Dabei wird oft über Künstliche Intelligenz gesprochen, und dass mit ihr Ergebnisse schnell erzeugt werden können. Aber unabhängig davon ist es in der Gestaltung auch immer noch entscheidend, den gesamten Prozess zu betrachten. Wie komme ich also zu diesem Ergebnis? Am Ende sieht es vielleicht alles ähnlich aus, aber der Weg dorthin kann völlig unterschiedlich sein. Das betrifft nicht nur den Einsatz von KI, sondern auch den gesamten Designprozess, sei es im Produktdesign oder Kommunikationsdesign. Zum Beispiel: Welche Ressourcen setze ich ein? Wen betrifft das Ganze? Was ist der gesellschaftliche Bezug? Wer war überhaupt am Designprozess beteiligt?
Das sind Dinge, die oft unsichtbar bleiben, aber sie spielen eine immer größere Rolle. Denn wir können es uns nicht mehr leisten, all das auszublenden. Andernfalls schließen wir vielleicht wichtige Gruppen aus oder tragen dazu bei, dass umweltschädliche Materialien verwendet werden, nur weil wir nicht nach Alternativen gesucht haben. Das gilt auch für den Umgang mit KI – wir müssen bewusst entscheiden, wann wir welchen Weg gehen, um ein Ergebnis zu erzielen. Eine KI kann etwas Generisches schaffen, aber eben auch etwas sehr Spezielles. Das entdecken wir gerade alle, und das ist wirklich spannend.
Gleichzeitig gibt es die Diskussion darüber, welche Bedeutung das Individuelle und die Autorenschaft im Design haben. Das ist besonders in den letzten Jahren aufgekommen: Der Designer oder die Designerin als Persönlichkeit. Ich schwanke da ein bisschen, was ich davon halten soll, weil ein Designprozess meistens eben nicht nur von einer einzelnen Person gemacht wird. Wenn wir in einem Agenturkontext arbeiten, dann sind es Teams, die zusammen etwas erarbeiten. Und das zeigt, wie wichtig ein gemeinsames Verständnis und eine Zusammenarbeit sind. Ich finde es sehr spannend, was da im Moment passiert, und man kann da sicher noch viel mehr darüber diskutieren.
Es gibt ja auch Bücher darüber, wie man sich als Designer oder Kreativer präsentiert und sein Profil herausarbeitet. Das scheint mir auch eine Antwort auf die Frage zu sein: Wer steht eigentlich hinter einem Design, wenn es immer weniger sichtbar ist, von wem es kommt? Und je unsichtbarer der Designer wird, desto stärker wird das Bedürfnis, das wieder sichtbar zu machen. Warum macht man etwas? Was ist die Motivation dahinter? Es geht also nicht nur um das Ergebnis, sondern auch um alles, was mit diesem Prozess verbunden ist.
Ich habe auch darüber nachgedacht, wie wir uns auf unseren Webseiten präsentieren: Warum sind wir nicht noch persönlicher und sagen klarer: „Das ist das, was wir machen, und hier ist, was wir in der Vergangenheit geschaffen haben“? Diese persönliche Note ist meiner Meinung nach extrem wichtig. Und das ist auch etwas, das in der Lehre eine Rolle spielt – wie können wir dafür sorgen, dass Studierende ein solches Verständnis entwickeln und sich mit diesen Aspekten beschäftigen?
CHRISTOPH LUCHS: Kann ich absolut unterstreichen. Ich bin persönlich großer Fan von Olafur Eliasson und der ist kein Einzelkünstler, sondern er ist, wenn ich das jetzt mal so ganz frech behaupten darf, er ist ein unglaublich guter Kommunikator, der mit seinen visionären Ideen andere motiviert in seinem monströs riesigen Team, was wirklich gewachsen ist ohne Ende über die letzten Jahre, mit Spezialisten für jedes Detail, über Materialität, über Technik, über Medien usw. Der hat eigentlich, wenn man so will, ein großes Design Team im Hintergrund und seine Ideen werden im Team weiterentwickelt. Er kuratiert das eigentlich, also er kuratiert seine eigenen Werke, wenn man so will, und schaut sich das an, was im Designprozess dabei herauskommt. Und in dem Fall ist es ein Kunsterlebnis. Aber eigentlich könnte er auch Serienprodukte herstellen oder Kommunikationskampagnen. Manchmal hat das ja durchaus auch bei ihm sehr starke Ähnlichkeiten dazu. Also ich möchte dieses Beispiel nennen, weil man den Prozess im Team damit eigentlich sehr gut sehen kann, dass das Gesamtergebnis beeindruckend ist und man denkt so: Da steht ein Name hinter. Nein, das ist eigentlich eher eine Marke und dahinter ist ein riesiges Team 30, 40, 50 Leute, die sich darüber Gedanken gemacht haben über Jahre hinweg und auch Wissen angehäuft haben. Und ich glaube, das ist etwas, was man jungen Menschen immer mitgeben kann. Dass du sagst: Du hast deine eigenen Qualitäten, du hast deine Fähigkeiten und die kannst du in das Team einbringen und damit kannst du das Team voranbringen. Und das ist, glaube ich, etwas, was vielleicht in der Lehre in den letzten Jahren oder Jahrzehnten nicht unbedingt so im Vordergrund stand. Aber ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt. Wie siehst du das?
ANDREA NIENHAUS: Total guter Aspekt. Ich komme auch gerade auf den Gedanken dazu, weil das, was du beschreibst mit Olafur Eliasson, das ist ein international bekannter Künstler, der macht Riesensachen, da ist auch klar, dass es rein zeitlich gar nicht gehen würde, dass er das alles alleine macht.
CHRISTOPH LUCHS: Und er hat auch allein angefangen, nebenbei.
ANDREA NIENHAUS: Das ist tatsächlich bei vielen Künstlerinnen und Künstlern ähnlich. Ich erinnere mich an einen Vortrag von Pipilotti Rist, den sie an der UdK gehalten hat. Am Ende zeigte sie ein Bild von vielen Menschen und sagte: „All diese Videos, die jeder sieht, sind nicht ohne die Leute entstanden, mit denen ich zusammenarbeite. Eigentlich bin ich eine Unternehmerin.“ Das ist eine Perspektive, die aus den 90ern oder 2000ern stammt, aber die Idee ist noch viel älter.
Ich habe dazu auch eine kleine Anekdote: Letzte Woche war ich auf einer Design Research-Reise und habe den Vitra Campus in Weil am Rhein besucht. Außerdem habe ich einen Abstecher nach Basel gemacht und mir eine Matisse-Ausstellung angesehen, die noch bis Ende des Monats läuft. Für mich schließt sich da irgendwie der Kreis zu meinen Bibliotheksbesuchen als Jugendliche. Ich fand Matisse schon immer faszinierend, besonders seine Scherenschnitte. Als junge Erwachsene habe ich einige seiner Werke nachgemalt und war sehr begeistert. Ich habe sie auch schon einmal im Original gesehen, aber in dieser Ausstellung waren seine Schlüsselwerke zu sehen. Am Ende gab es einen Film über seine Geschichte, und das war sehr spannend. Matisse wird heute vielleicht eher als „alter, weißer Mann“ wahrgenommen, aber seine Arbeiten sind dennoch beeindruckend. Besonders faszinierend war, dass er sehr krank war, als er seine berühmten Scherenschnitte schuf.
Matisse hat sich große Papierbahnen bemalen lassen, aber die eigentliche Arbeit bestand darin, mit einer riesigen Schere intuitiv Formen auszuschneiden. Interessant ist, dass diese Scherenschnitte oft kleine Löcher aufwiesen – das war ein Teil des Arbeitsprozesses. Es stellte sich heraus, dass seine Assistentinnen und Assistenten die Schnitte an die Wand pinnten und Matisse mit einem langen Stock die Anordnung korrigierte. Diese „Korrekturen“ gehörten zum Prozess. Was damals aber nicht so gezeigt wurde, ist das Bewusstsein für diesen Prozess – wer war alles beteiligt, wer nicht, und welche Machtverhältnisse standen dahinter?
Auch bei anderen Künstlern, wie Gerhard Richter, sieht man, dass der Entstehungsprozess oft unsichtbar bleibt. Im Atelier stehen die Farben und Leinwände bereit, die Arbeit wird dann darauf übertragen. Das ist der Prozess, und ich finde es ehrlich, wenn man diesen offen zeigt. Vielleicht sollte auch im Design der Fokus stärker auf die Zusammenarbeit gelegt werden und der Autorenschaft entgegengewirkt werden. Die Idee, dass das Design nur von einer Person kommt, ist nicht mehr zeitgemäß. Zusammenarbeit ist zentral.
Spätestens im Printbereich arbeiten wir mit vielen anderen zusammen, und ich denke, dieses gemeinsame Verständnis, dass viele an einem Projekt beteiligt sind, sollte auch unabhängig vom Agenturkontext stärker betont werden. Auch im Bereich der Selbstständigkeit könnte das noch viel mehr sichtbar gemacht werden. In einem Studium ist es dann wichtig, dass Zusammenarbeit und Feedback eine große Rolle spielen – es ist nicht nur die Lehrperson, die alles weiß. Auch ich als Lehrende sage manchmal: „Das weiß ich gerade nicht, das muss ich noch herausfinden.“ Und dann sind es oft die Studierenden, die mit neuen Ideen kommen, was für mich sehr wertvoll ist.
Die Vorstellung, dass eine einzige Person die „Meisteridee“ hat, ist heute nicht mehr ganz so tragfähig. Natürlich kann man alleine etwas machen, aber dieses offene Verständnis, in welchem Kontext ein Ergebnis entstanden ist, sollte viel stärker hervorgehoben werden. Wie ist es zu diesem Ergebnis gekommen? Vielleicht war die KI beteiligt, vielleicht jemand anderes, vielleicht eine Schrift von einer anderen Person. Das ist ein interessanter Diskurs über Gestaltung, und es lohnt sich, diese Aspekte zu reflektieren und zu verstehen.
CHRISTOPH LUCHS: Prima, Du bist auch online unterwegs mit anderen Dingen, also mit Werkzeugen zum Beispiel. Du hast ja schon vor deiner Professur mit Online Tools gearbeitet und bringst das anderen bei. Wie muss man sich das vorstellen? Was ist da dein Schwerpunkt?
ANDREA NIENHAUS: Es war eigentlich eher ein Zufall, dass das alles so gekommen ist – es war nicht geplant. Manchmal entstehen Dinge einfach, ohne dass man es vorher durchdacht hat. Ich habe vor ein paar Jahren für den Bundesverband Deutscher Stiftungen gearbeitet und war dort für das gesamte Design verantwortlich. In diesem Zusammenhang haben wir einen Relaunch-Prozess durchgeführt, und der Prozess selbst war es, der mir besonders gefallen hat. Ich liebe es, Design zu entwickeln.
Im Rahmen meiner Arbeit habe ich viel mit verschiedenen Stiftungen zu tun gehabt, und es gab regelmäßig eine große Veranstaltung namens Stiftungstag – eine Art Klassentreffen und Konferenz für Stiftungen, die auch Weiterbildungsmöglichkeiten und Workshops anbot. Eines Tages sprach mich eine Kollegin an und fragte, ob ich einen Workshop machen wolle. Sie sagte: „Such dir einfach ein Thema aus!“
Ich entschied mich, einen Workshop anzubieten, der digitale Tools und Arbeitsweisen vorstellt – nicht nur durch theoretische Erklärungen, sondern auch durch praktische Demonstrationen, bei denen wir gemeinsam an einem Dokument in Echtzeit arbeiten. So fing das an. Ich habe diesen Workshop ein paar Mal in Präsenz durchgeführt, Werkzeuge vorgestellt und praktische Übungen gemacht. Doch dann kam die Corona-Pandemie, und das Format musste ins Digitale wechseln.
Im digitalen Raum gab es einen enormen Bedarf, vor allem im gemeinnützigen Sektor, den Menschen zu helfen, zu verstehen, wie sie zusammenarbeiten können, Dokumente teilen oder Cloud-Dienste nutzen. Also entwickelte ich ein niedrigschwelliges Format, das es den Teilnehmern ermöglicht, solche Tools praktisch zu erlernen. Ich finde es wichtig, dass man den Einstieg erleichtert, weil es immer Menschen gibt, die im Umgang mit digitalen Themen weniger vertraut sind oder sogar Ängste davor haben – was völlig verständlich ist. Auch wenn ich oft neugierig bin und neue Dinge ausprobiere, weiß ich, dass viele sich unsicher fühlen.
Im Laufe der Zeit habe ich dieses Format weiter angepasst, weil einige Themen an Relevanz verloren, während neue dazukamen. Besonders im gemeinnützigen Sektor, aber auch in der Ehrenamtskoordination, finde ich es wichtig, den Menschen die nötigen Werkzeuge zu vermitteln, um effektiv zusammenzuarbeiten. Diese Formate sind bewusst kurz gehalten, damit sie ohne großen Aufwand ausprobiert werden können. Es geht darum, eine niedrige Einstiegshürde zu schaffen, sodass die Teilnehmer nicht das Gefühl haben, sie müssen sich auf einen jahrelangen Prozess einlassen, um etwas zu lernen.
Mir macht es großen Spaß, in diesem Kontext zu arbeiten, vor allem weil der Fokus auf der Frage liegt: „Wie arbeiten wir eigentlich zusammen?“ Das ist weniger ein Design-Thema, aber dennoch spielt auch hier das Verständnis von Zusammenarbeit und Organisation eine Rolle. Und genau diese Gedanken und Ansätze gebe ich in meinen Workshops weiter.
CHRISTOPH LUCHS: Was sind das dann? Also Stiftungen? Vereine sind da sind sicherlich dann das Publikum, wer ist denn da noch interessiert und was kriegst du da für Rückmeldungen?
ANDREA NIENHAUS: Wie gesagt, meine Arbeit konzentriert sich vor allem auf den öffentlichen und gemeinnützigen Sektor, speziell auch auf Ehrenamtskoordination. In vielen Kommunen gibt es Stellen, die ehrenamtliches Engagement fördern und Interessierte zusammenbringen. Diese Stellen kommen ursprünglich aus der Offline-Welt, insbesondere bei Weiterbildungsangeboten, merken jedoch zunehmend, wie wichtig es ist, auch Online-Formate anzubieten. Das hilft, Menschen zu erreichen, die sich engagieren möchten, aber auf eine andere Weise angesprochen werden müssen. Es ist spannend, weil das ganz anders ist, als im klassischen Design-Agenturbereich zu arbeiten.
Ich finde es sehr bereichernd, zwischen verschiedenen Branchen und Feldern zu springen. Diese Vielseitigkeit schätze ich sehr und versuche, sie miteinander zu verbinden. Das Feedback, das ich erhalte, zeigt mir, dass ich darin gut bin – sonst würde ich nicht immer wieder angefragt werden. Es ist eine Kompetenz, die ich im Laufe der Zeit mehr erkannt habe: Nicht nur Dinge zu machen, sondern diese auch zu vermitteln und einen Rahmen zu schaffen, in dem andere lernen und verstehen können.
Zuerst dachte ich, man macht das einfach so, aber irgendwann merkte ich, dass Didaktik ein eigenes Fachgebiet ist. Ich habe mich gefragt, was eigentlich meine „richtige“ Arbeit ist und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich eher im Vermittlungsbereich tätig bin. Ich habe mittlerweile auch Frieden damit geschlossen, weil ich gemerkt habe, dass genau das meine Arbeit ist. Ich bringe diese Fähigkeit auch in diesem Feld ein, und es macht mir Spaß. Wie sich das weiterentwickelt, weiß ich nicht, aber ich mache einfach weiter. Vielleicht werden irgendwann keine Anfragen mehr kommen – dann werde ich etwas anderes machen. Es gibt ohnehin schon ein paar Ideen, was noch passieren könnte, und darauf freue ich mich.
CHRISTOPH LUCHS: Prima, wunderbar, wenn man sich über dich oder über die IU und das Studium dort informieren will. Oder über was ist da eigentlich entstanden in den Studiengängen? Wo kann man sich da deiner Meinung nach informieren? Was macht Sinn, sich anzugucken?
ANDREA NIENHAUS: Das ist eine gute Frage, und darüber wird intern gerade viel diskutiert, wie wir das am besten umsetzen können. Persönlich finde ich es sehr wichtig, dass Arbeiten sichtbar gemacht werden. Besonders im Bereich Gestaltung oder allem, was visuell ist, gehört das einfach dazu. Unsere Arbeit lebt ja von der Sichtbarkeit, vom Zeigen und vom Sehen. Es wird spannend sein, zu beobachten, wie sich das weiterentwickelt und wie wir das konkret umsetzen.
CHRISTOPH LUCHS: Okay, dann danke ich dir für dieses wunderbare Gespräch mit dir. Ich habe wieder viel gelernt. Ich hoffe auch alle anderen über das Thema Design aus deiner Sicht und was das Studium an der IU bedeutet. Eventuell haben sich ja auch Menschen dafür schon vorher interessiert oder sind jetzt vielleicht noch interessierter daran, wie das weitergeht. Dazu Links in den Shownotes gerne und natürlich auch die Website von Dir.
Ich wünsche Dir bei deiner Arbeit zukünftig viel Glück und dass du den Begriff des Prozesses vielleicht noch stärker herausbringen kannst und dann Studierende noch mehr motivieren kannst, dann reflektiert in das Berufsleben einzugehen.
ANDREA NIENHAUS: Vielen Dank.