In der 21. Folge des Podcasts Designerklärer spricht Christoph Luchs mit Kai Hoffmann, Creative Director des Open Studio aus Düsseldorf. Zusammen mit seiner Geschäftspartnerin Julia Furtmann entwickelt er visuelle Konzepte.
Diesmal geht es im Podcast jedoch nicht um die konkrete Projektarbeit für Kunden, sondern um freie Projekte. Kein Auftrag, kein Kunde, kein Publikum?
Konkret hat Kai Hoffmann zusammen mit zahlreichen weiteren Künstlerinnen und Musikern aus Düsseldorf das Projekt INDUSTRIAL realisiert.
Bei Industrial geht es um die Musikrichtung, die in Deutschland von der Düsseldorfer Band „Die Krupps“ geprägt wurde. Vor mehr als 30 Jahren nahmen die Musiker Töne aus Industrieanlagen auf, so z.B. in einem Stahlwerk.
Zur Wiederbelebung dieser zeitlosen Idee hat sich eine große Gruppe Kreativer zusammengefunden, die sich an Unternehmen der Region gewendet haben. Diese Unternehmen waren selbst positiv überrascht und öffneten ihre Tore.
So haben Kai und sein Team das Los des Düsseldorfer Flughafens gezogen. Was sie dabei aufgenommen haben und wie daraus ein Track auf dem Doppel-Vinyl-Album wurde, erzählt er im Podcast. Spoiler: es sind keine Flugzeuge!
Aber auch die Zusammenarbeit in diesem Team ist Thema, sowie die grafische Ausstattung des Vinyl-Albums, das in limitierter Auflage.
Dieses Projekt ist einzigartig, aber das Open Studio hat sich schon seit der Gründung mit freien Projekten beschäftigt. So entstanden aus Ideen konkrete Ausstellungen, Buchprojekte oder Serien.
Industrial:
Open Manifesto:
https://weareopenstudio.de/manifesto
Free projects:
https://weareopenstudio.de/projects/knob-pots
https://weareopenstudio.de/projects/rocococlock
https://weareopenstudio.de/projects/alittlebitofthis
https://weareopenstudio.de/projects/artificial-intimacy
Ongoing projects:
https://www.doublepages.de/
https://www.instagram.com/doublepages/
https://nextlevelknit.com/
https://www.instagram.com/nextlevelknit/
Shop:
https://weareopenstudio.de/shop
Musik:
Transkript:
Christoph Luchs: Zu unserer heutigen Folge begrüße ich ganz herzlich Kai Hoffmann aus Düsseldorf. Herzlich willkommen!
Kai Hoffmann: Ganz herzlichen Dank für die Einladung und Hallo
Christoph Luchs: Kai, du bist Creative Director des Open Studio in Düsseldorf und du hast auch was mit Grafik, mit Werbung und mit anderen Dingen zu tun. Darüber reden wir später. Aber zunächst beginnen wir, über etwas völlig anderes zu sprechen.
Du hast nämlich ein freies Projekt gemacht, zusammen mit anderen Künstlerinnen und Künstlern und Designern. Und das habe ich hier auch in der Hand. Und das ist nicht nur grafisch schön anzugucken, sondern es ist hauptsächlich zu hören. Es handelt sich um zwei wunderbare Vinylplatten als Album und das nennt sich Industrial und damit zusammen produziert mit vielen
Wie kam es eigentlich zu dieser Idee und was habt ihr damit gemacht? Wie seid ihr zusammengekommen und wie seid ihr dann letztendlich vorgegangen und was war dein Part daran?
Kai Hoffmann: Das Projekt Industrial war nicht ursprünglich ein freies Projekt von uns, sondern wir sind eher seitlich dazugestoßen. Das Kernteam bestand aus Sabine Fleischer, Carsten Siebert und Marco Seitz. Ihre Idee war es, lokale Musiker:innen, Bands und Acts mit der Industrie in Düsseldorf zusammenzubringen.
Die Initiative hatte auch einen historischen Hintergrund, der in der musikalischen Geschichte Düsseldorfs liegt. Kraftwerk, die Toten Hosen, der Ratinger Hof und die Punk-Szene haben hier große Spuren hinterlassen. Aber auch die Anfänge der Industrial Music haben hier bereits früh stattgefunden und sind Teil dieser Entwicklung.
Die Idee war, Musiker:innen und Bands einzuladen, die Industriehallen der Stadt zu besuchen und sich dort inspirieren zu lassen. Es gab dabei keine festen Vorgaben oder ein Briefing in die Richtung, wie genau vorzugehen sei – etwa mit Aufnahmen, Samples oder typischen Merkmalen der Industrial Music. Stattdessen war die Grundidee offen und darauf ausgerichtet, dass neue Tracks entstehen.
Ob das Ergebnis ein Text, eine Melodie oder eine Atmosphäre war, die versucht, den Ort widerzuspiegeln, blieb vollkommen den Künstler:innen überlassen. Letztlich fanden jedoch alle Acts die Idee so spannend, dass sie Aufnahmegeräte mitnahmen und am Ende in jedem Stück zumindest kleine Soundaufnahmen aus den Industriehallen zu finden sind.
Wie schon erwähnt, sind wir eher seitlich in das Projekt eingestiegen. Zunächst erreichte uns die Anfrage, das Logo für das Projekt zu entwickeln. Dieses diente dazu, die Idee den Unternehmen und Musiker:innen vorzustellen und Mitwirkende zu gewinnen. Aus dieser ersten Aufgabe entstand dann sehr schnell eine enge Zusammenarbeit, die weit über das Logo hinausging.
Spannend war, dass wir durch unsere bisherigen Erfahrungen im Umgang mit Musik und experimentellen Projekten schließlich auch musikalisch auf dem Album vertreten sind – mit einem eigenen Track. Das Besondere daran war, dass wir all das, wofür unser Open Studio steht, hier einbringen konnten. Unsere Stärken in der Entwicklung kreativer Konzepte und visueller Kommunikation haben wir sowohl für die Gestaltung des Albums als auch für die gesamte Kommunikation und den Auftritt des Projekts eingebracht.
Christoph Luchs: War denn von Anfang an schon klar, dass das eine Platte wird, ein Album, wie viele Tracks dabei rauskommen sollen? War das schon das Ziel, darauf hinzuarbeiten.
Kai Hoffmann: Die Idee, eine Vinylplatte zu produzieren, stand von Anfang an fest. Es war klar, dass es sich dabei um eine limitierte Auflage handeln würde – kein Massenprodukt, sondern eher ein besonderes Objekt. Das Ziel war, am Ende ein greifbares, fertiges Ergebnis zu haben, das die Einzigartigkeit der Musik unterstreicht.
Unsere Aufgabe war eindeutig definiert: Es sollte eine Vinylplatte werden. Gleichzeitig blieb offen, was sich auf dem Weg dorthin ergeben würde. Der Fokus lag jedoch darauf, eine erste Version zu entwickeln – quasi ein Prototyp des Konzepts. Von Beginn an stand im Vordergrund, nicht nur die Musik selbst, sondern auch ihre Rezeption als Teil eines physischen, künstlerischen Objekts zu gestalten.
Christoph Luchs: Genau. Was war denn dann konkret dein Teil? Also wann bist du in diese Sampling Produktion eingestiegen? Letztendlich kann man es ja auch nicht Production nennen. Das ist ja mehr so ein Entdecken. Also so wie wenn man Kreativen sagt: Geh doch mal mit offenen Augen durch die Welt, am besten neugierig und dann guckst du mal und dann siehst du schon was. Und wenn du etwas wiedersiehst oder wiedererkennst, dann ist das irgendwie interessant und dann beschäftigst du dich damit. Und irgendwie wäre das ja andersherum. Man geht eher mit offenen Ohren durch die Welt. Und wo seid ihr hingegangen und was habt ihr konkret gemacht?
Kai Hoffmann: Besonders bemerkenswert war, dass für einige der Künstler ihre erste Veröffentlichung direkt auf einem limitierten Vinyl stattfand – ein außergewöhnliches Erlebnis und sicherlich ein besonderes Highlight. Diese Vielfalt der musikalischen Ansätze und die Möglichkeit, den kreativen Entstehungsprozess zu begleiten, waren beeindruckend.
Was unseren eigenen musikalischen Beitrag angeht, war es witzigerweise so, dass ich vor einigen Jahren mit meinem musikalischen Partner auf der Platte, Rolf Meier-Bode, schon ein ähnliches Experiment unternommen hatte. Damals waren wir auf einem befreundeten Musikfestival unterwegs, ausgerüstet mit einem portablen Aufnahmegerät. Wir haben spontane Snippets aufgenommen und daraus einen Probe-Track gebaut, um zu sehen, ob es spannend sein könnte, ein Event und dessen Ort klanglich miteinander zu verbinden. Diese frühere Arbeit kam im Rahmen des Industrial-Projekts wieder als Referenz auf, und wir wurden offiziell eingeladen, einen Track für das Album beizusteuern.
Das Besondere daran: Uns wurde der Flughafen Düsseldorf zugewiesen, was für uns ein absoluter Glücksfall war. Mit der konzeptionellen Arbeit haben wir bereits im Frühjahr oder Sommer 2022 begonnen, und im Sommer folgten schließlich die Aufnahmen vor Ort. Das war ein spannender Prozess, der mit einem umfangreichen Sicherheitskonzept verbunden war. Wir mussten uns offiziell anmelden und wurden durch Bereiche des Flughafens geführt, die für die Öffentlichkeit normalerweise nicht zugänglich sind – ein faszinierender Einblick hinter die Kulissen.
Unser Fokus lag weniger auf den naheliegenden Klängen wie Flugzeugmotoren, sondern vielmehr auf den Wegen und Bewegungen, die Mensch und Gepäck innerhalb eines Flughafens zurücklegen. Wir wollten die Dynamik dieser Orte erkunden: die Gepäckbänder, die Übergänge, die versteckten Bereiche. Diese Strukturen und Prozesse haben uns wirklich inspiriert.
Rolf ist dabei jemand, der bis ins kleinste Detail geht und uns mit reichlich Equipment ausgestattet hat. Wir waren mit vier bis fünf unterschiedlichen Mikrofonen und zwei Aufnahmegeräten unterwegs, haben unabhängig voneinander gearbeitet und am Ende etwa drei Stunden Rohmaterial gesammelt. Das war die Basis für unseren Beitrag, der am Ende diese einmalige Atmosphäre des Flughafens einfangen sollte, ohne dabei in offensichtliche Klischees zu verfallen.
Also wir sind, glaube ich, mit 4 bis 5 unterschiedlichen Mikrofonen und zwei Aufnahmegeräten dahin und haben unabhängig voneinander aufgenommen und hatten dann am Ende drei Stunden Rohmaterial, mit dem wir gearbeitet haben. In unserem Studio arbeiten wir gerne sehr konzeptionell. Das ist auch etwas, das ich in der Zusammenarbeit mit Rolf schätze, besonders wenn wir musikalisch etwas erarbeiten. Mir gefällt es, eine klare Idee zu haben, die wir konsequent weiterentwickeln. Dadurch ergeben sich viele Dinge fast von selbst, zumindest in der Art und Weise, wie wir arbeiten. Am Ende wirkt das Ganze kohärenter, sinnvoller und bietet mehr, worüber man erzählen kann.
Unser Ansatz war, alles aufzunehmen, was wir vor Ort bekommen konnten. Beim Sortieren und Bearbeiten haben wir uns bewusst dazu entschieden, dass der Track zu 100 % aus dem Soundmaterial bestehen soll, das wir vor Ort aufgenommen haben. Das bedeutet allerdings nicht, dass man die ursprünglichen Geräusche immer direkt wiedererkennt.
Wir haben das aufgenommene Material teils sehr stark gefiltert und extrem verändert, sodass völlig neue Sounds entstanden sind. Aber genau das fanden wir spannend: Unser einziges Werkzeug war das Soundmaterial, das wir vor Ort aufgenommen hatten – und damit haben wir losgelegt. Jeder Künstler hat dabei auf ganz unterschiedliche Weise damit gearbeitet.
Um das noch einmal deutlich zu machen: Die Industriegeschichte Düsseldorfs war zwar der Ausgangspunkt des Projekts, aber es war von Anfang an klar, dass der Fokus nicht rückwärtsgewandt sein sollte. Vielmehr ging es darum, das Jetzt einzufangen und vielleicht auch ein Stück in die Zukunft zu schauen. Das bedeutet auch, dass das Projekt stilistisch sehr offen ist. Es geht hier nicht um reine Industriemusik. Wir haben alles dabei: von Piano über Hip-Hop, Ambient und techno-orientierte Tracks bis hin zu Neo-Pop. Am Ende ist wirklich die ganze Bandbreite vertreten. Insgesamt haben 15 Künstler mitgemacht, und wir hatten Zugang zu acht verschiedenen Industrieunternehmen. Die Idee war dabei auch, ein Stück weit die Vielfalt der Düsseldorfer Musiklandschaft abzubilden.
Unter den teilnehmenden Künstlern waren sowohl etablierte Größen als auch Newcomer. Zum Beispiel die Krupps, die für die industrielle Musikrichtung hier in Düsseldorf stehen. Sie waren meines Wissens eine der ersten Bands in Deutschland, die mit Sampling und dem Einsatz von Klängen wie Stahlgeräuschen experimentierten – und es war großartig, sie direkt im Projekt dabei zu haben. Außerdem hatten wir Pionier Kurt Dahlke alias Pyrolator, Mitgründer des AtaTak-Labels, das musikalisch einen enormen Einfluss auf ganz Deutschland hatte.
Neben solchen Ikonen gab es aber auch Solokünstler wie Thomas Klein, den Drummer von Kreidler, oder Tom Blankenberg, der für seine Pianomusik bekannt ist. Und dann hatten wir ganz junge Talente dabei, wie Soraya, die zu dem Zeitpunkt erst 16 Jahre alt war und in Richtung Neo-Soul gearbeitet hat. Ebenso gab es Künstler, die bisher noch gar nichts veröffentlicht hatten.
Besonders schön war, dass ihre erste Veröffentlichung gleich auf einem limitierten Vinyl erschien – das war für viele sicherlich etwas ganz Besonderes. Es war wirklich toll, diese Vielfalt zu erleben und den Entstehungsprozess zu begleiten.
Christoph Luchs: Super. Ich glaube, bevor wir uns noch über die Produktion oder auch die freien Projekte an sich noch weiter unterhalten, sind wir natürlich jetzt alle glaube ich auch gespannt. Wie klingt denn das eigentlich, wenn man Ton aufnimmt? Ich meine, klar, jeder weiß, dass man ein Geräusch aufnehmen kann, aber was kann man dann damit machen? Also ich glaube, es ist ja, wie du schon eingangs gesagt hast, auch eine von der Musikrichtung, eine völlig andere Stilart damit zu arbeiten. Im Hip-Hop wurde viel mit Samples gearbeitet, auch Samples von bestehenden Alben.
Also da wurden einfach auf dem Flohmarkt irgendwelche Platten eingekauft. In großen Stapel als Stack und als passendes Stück sozusagen mitgenommen und dann durchgehört, bis man dann irgendwo ein kleines Stückchen hatte, daraus ein Loop machen konnte und sagen konnte: Das ist mein Loop. Und damit war der aber auch verbrannt. Für alle anderen Künstlerinnen und Künstler in der elektronischen Musik dagegen ist ja die Klangerzeugung auch ein interessanter Punkt, der jetzt gar nicht bei euch so im Fokus stand, sondern ihr habt euch ja mit den bestehenden Tönen beschäftigt.
Letzten Endes ist ja dann aber die Produktion durchaus sehr ähnlich, wie wir gleich hören werden, dass man halt erst mal guckt, was hat man für eine Klangfarbe, was hat man für einen Rhythmus und wie entsteht daraus auch eine Melodie, einen Spannungsbogen, einen Aufbau und in dem Fall bei euch ein Technostück, was? Das kann ich auch so sagen, dass das durchaus tanzbar ist das Stück. Es ist sehr hörbar und aber dazu können wir gleich noch mal was sagen. Jetzt hören wir uns am besten mal deine Stücke genauer an.
Kai Hoffmann: Ich habe ein paar Beispiele mitgebracht, die natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Ich habe diese drei ausgewählt, weil sie sehr gut zeigen, wie man mit solchen Sounds arbeiten kann – und in gewisser Weise spiegeln sie auch die Herangehensweise aller beteiligten Künstler wider.
Das erste Beispiel, das ich mitgebracht habe, ist tatsächlich eine längere Aufnahme. Wenn ich mich richtig erinnere, stammt sie von einem Gepäckband, das wir zunächst mit einem normalen Mikrofon aufgenommen haben. Wir können da gerne mal kurz reinhören. Das wäre dann Beispiel 13.
In dem Beispiel hört man sehr kratzige Sounds, klackernde Geräusche und irgendwo im Hintergrund auch Relais. Wir sind so vorgegangen, dass wir die drei Stunden Rohmaterial, die wir aufgenommen hatten, in drei verschiedene Muster aufgeteilt haben, mit denen wir gearbeitet haben.
Der erste Ansatz war, bestimmte Abschnitte aus dem Material auszuwählen, die bereits eine gewisse Rhythmik in sich tragen. Diese Parts haben wir dann geloopt und als Grundlage verwendet. Aus dem gerade gehörten Beispiel haben wir uns dafür einen kleinen Ausschnitt herausgesucht. Hören wir uns dazu Beispiel 14 an.
Diesen Ausschnitt konnten wir durch das Loopen wunderbar einsetzen. Er entwickelt sofort eine angenehme Rhythmik, die fließt und direkt Spaß macht. Hören wir uns dazu Beispiel 15 an.
Der zweite Ansatz war, die aufgenommenen Sounds zu isolieren – beispielsweise atonale Klänge oder solche, die an eine Bassdrum erinnern. So konnten wir gezielt einzelne Elemente herausarbeiten. Hören wir uns dazu ein Beispiel an, das aus mehreren Aufnahmen zusammengestellt wurde. Das wäre dann Beispiel 17.
Auch hier haben wir uns für einen spezifischen Sound entschieden. In diesem Fall haben wir die zweite Aufnahme ausgewählt, da sie uns als Basis am besten geeignet erschien. Hören wir dazu Beispiel 18.
Und die haben wir dann aber noch mal bearbeitet, so sodass sie noch ein bisschen fetter wurde und noch ein bisschen mehr Bumms hatte. Beispiel 19.
Und auf der Grundlage konnte man dann arbeiten und schon anfangen, mal erste Beats zu bauen. Beispiel 20.
Damit konnten wir dann ganz klar einen technoiden ‚Four-to-the-Floor‘-Beat kreieren oder auch kleine Variationen einbauen. Hören wir uns dazu Beispiel 21 an.
Mit diesen Elementen konnten wir in der Groove-Section schon sehr gut arbeiten. Aber wir haben schnell gemerkt, dass der Track nicht nur aus Rhythmus und Drums bestehen sollte – obwohl auch das eine Möglichkeit gewesen wäre. Wir sind nämlich große Freunde von Melodien, also haben wir uns wieder Passagen rausgesucht, die wir isoliert und bearbeitet haben, um atonale Sounds zu erzeugen, die wir dann für Melodien nutzen konnten.
Hören wir uns dazu ein Beispiel von der ursprünglichen Aufnahme an. Das wäre Beispiel 23.
Dann haben wir wieder einen Bereich herausgenommen, bei dem die Töne nicht ganz sauber saßen. Es war keine klare Note, aber genau das fand ich eigentlich sehr interessant. Ich muss dazu sagen, dass ich kein Musiker bin – das sollte ich vielleicht noch mal klarstellen. Bei uns ist es Rolf, der der wahre ‚Wizard‘ an den Geräten ist und der mit seinem musikalischen Wissen all das umsetzen kann.
Auch da haben wir wieder ein Stück isoliert, haben es dann gerade gezogen, so dass wir eine saubere Note bekommen haben. Im Endeffekt und mit dem Ergebnis konnten wir dann tatsächlich Melodien spielen. Beispiel 27.
So, und letztlich war das so ein bisschen die Grundlage für unseren Track. Da steckt noch ganz viel anderes drin. Und wen das interessiert, der sucht am besten mal im Internet oder bestellt sich das Vinyl. Der Track ist von Meier Bode Hoffmann und heißt Airport.
Christoph Luchs: Ja, und streamen kann man das auch auf Spotify und Co. Das heißt auch dort ist das Album verfügbar und hörbar und hoffentlich dann auch von vielen anderen, die die Musik mögen oder auch einfach Lust haben, sich da reinzuhören.
Weil ich denke, es ist schon sehr, sehr vielfältig. Wie du schon gesagt hast. Die Art und Weise ist extrem unterschiedlich von den Stilarten, von den Künstlerinnen und Künstlern, die mitgearbeitet haben, von Alteingesessenen sozusagen oder auch sehr erfahrenen bis hin zu Youngstern und auch sehr schön von den Titeln. Allein wenn man sich die Titel durchliest. Recyclinghof flingern beispielsweise oder Wartung 9.2 oder mein Lieblingstitel T in O70379 Wunderbar.
Ja, es ist klingt so ein bisschen auch wie Kunstwerk ohne Titel oder so ähnlich also. Oder auch Maschinen, die halt dann letztendlich natürlich da irgendwo mit aufgenommen wurden oder Typenbezeichnungen, von denen man dann die Sounds abgenommen hat, finde ich total klasse und ich fand es auch sehr schön, da reinzuhören. Wie seid ihr denn selbst dann eigentlich an den Track so rangegangen?
Habt ihr dann gesagt, ihr hört euch da die ganze Zeit rein und dann habt ihr das Intro produziert und letztendlich auch der ganze Track eine gewisse Dramaturgie hat. Also wenn ich den so höre, dann vernetzen sich bei mir so andere Klangerlebnisse oder Musik, Erinnerungen an andere Sounds oder auch an Stücke. Das sind manchmal Bands, das sind manchmal Klangfarben.
Also bei Tonwechseln zum Beispiel fühlte ich mich an John Michel ja erinnert, aber nur bei den Tonwechseln, wohlgemerkt. Bei dem Aufbau und von der Produktion fand ich, war sehr interessant, dass die Filmmusik von Tom Tykwer normalerweise ähnlich produziert ist oder sehr ähnlich. Also wer „Lola rennt“, kennt und weiß, dass Tom Tykwer nicht nur Regie gemacht hat, sondern auch die Musik dazu, die natürlich unglaublich ineinandergreift von der Schnittfolge und vom Rhythmus und vom Laufen an sich ist das etwas, wo ihr euch habt inspirieren lassen, oder wo habt ihr da so eure Vorbilder genommen?
Kai Hoffmann: Das war wirklich ein interessanter Prozess, der eigentlich gar nicht geplant war. Wie gesagt, wir haben einfach angefangen, das Material zu sortieren und dann zu schauen, was wir mit den verschiedenen Aufnahmen machen können und wie wir sie weiterentwickeln können. Einige Sachen sind am Ende nicht mehr erkennbar, aber das war auch teilweise Absicht. Wir wollten auch in wärmere Klangbereiche vordringen, auch weil das Projekt mit dem Thema Reisen und Flughäfen zu tun hatte.
Zu Beginn war es uns wichtig, aus dem vorhandenen Material verschiedene Parts zu bauen und dann zu testen, was gut funktioniert und was weniger gut funktioniert.
Vielleicht muss ich noch etwas mehr zu Rolfs musikalischer Karriere sagen. Er macht seit den Neunzigern Musik und hat wirklich eine beeindruckende Techno-Karriere hinter sich, mit Auftritten bei der Loveparade und Mayday. Das heißt, klassische Techno-Tracks kann er wirklich, und das hört man auch.
Wir wollten, wie du es gerade schön aufgreifst, auch etwas Tanzbares und kommerzielleren Sound integrieren, weil es schon viele experimentelle Ansätze gab. Uns gefiel die Idee, auch diesen Bereich abzudecken. Wir wussten, dass wir das Projekt in eine ganz andere Richtung bringen können. Rolf und ich sind da musikalisch auch sehr unterschiedlich, aber genau das macht die Zusammenarbeit so spannend.
Wir arbeiten schon seit vielen Jahren immer wieder zusammen an freien Musikprojekten – da sind wir wieder bei den freien Arbeiten. Wir haben uns damals kennengelernt, als ich noch in einer Agentur war. Nach seiner Techno-Karriere hat Rolf angefangen, kommerzielle Musik für Werbefilme zu machen, und jetzt strebt er an, ins Filmgenre zu wechseln und längere Kompositionen zu schaffen.
Es wird ihn bestimmt freuen, dass du bei dem Track auch schon Soundtrack-Elemente hörst – das werde ich ihm weitergeben oder er wird sich das selbst anhören. Bei diesem Track war es so, dass wir, wie gesagt, mit einem klaren Ansatz gestartet sind, was die Stilistik und unsere Arbeitsweise angeht. Wir haben uns darauf konzentriert, nur mit den Klängen zu arbeiten, die wir vor Ort aufgenommen hatten.
Während der Arbeit haben wir uns dann überlegt, dass wir mit sehr atmosphärischen Klängen anfangen wollten – mit Aufnahmen von Menschenstimmen und leisen Geräuschen, die man hört, wenn man in einen Flughafen kommt. Dann gibt es Phasen mit den Gepäckband-Geräuschen, was natürlich auch mit dem Thema Transport zu tun hat, ein Thema, das auch im Techno oft eine Rolle spielt. Zwischen diesen Elementen haben wir bewusst wärmere Sounds eingebaut, weil es auch um das Reisen der Menschen und das Zusammensein geht. Unser Ziel war es, ein bisschen Abwechslung zu schaffen und unterschiedliche Parts miteinander zu verbinden.
Der Aufbau des Tracks ist, glaube ich, relativ ungewöhnlich. Ich habe ihn schon lange nicht mehr gehört, da er schon eine Weile fertig ist, aber in der Vorbereitung habe ich ihn mir noch einmal angehört. Es ist eigentlich eine ganz gängige Form, wie man einen Track aufbaut – und wir haben da auch eine lange Zeit daran gearbeitet.
Wie gesagt, es war ein freies Projekt, zumindest was den musikalischen Teil betrifft. Und für so etwas braucht man eben Zeit. Rolf ist Familienvater, und ich arbeite im Studio zusammen mit Julia, also sind wir auch täglich damit beschäftigt. Da muss man sich einfach die nötige Zeit nehmen. Wir haben viel Zeit gebraucht, um das Material zu sortieren, dann auch, um klarzukriegen, wohin die Reise eigentlich gehen soll. Wir mussten verschiedene Dinge ausprobieren und hatten unterschiedliche Ideen, da gab es natürlich auch den einen oder anderen Diskussionsbedarf – was bei so einem Projekt einfach dazugehört.
Letztlich ist genau das daraus geworden. Ich freue mich, dass du hörst, dass da wirklich einiges an Arbeit und Gedanken drinsteckt.
Christoph Luchs: Das ist auf jeden Fall zu hören. Also wie gesagt, alle sind herzlich eingeladen, da reinzuhören. Es ist lohnt sich definitiv und die Alben sind tatsächlich limitiert. 500 Stück wurden produziert und wie kann man schon sagen, nur wenige sind noch verfügbar.
Aber kommen wir mal zu etwas völlig anderem. Neben dem kommerziellen Aspekt, wie haben denn die Firmen reagiert, als ihr mit den Ergebnissen dann wiederum zu ihnen gekommen seid und dann gesagt: Hier, das ist das Ergebnis, was wollen wir denn damit tun?
Weil das sind ja nicht nur um jetzt mal vom Musikalischen ein bisschen wegzukommen, das sind ja nicht nur Musikstücke und Tracks und Samples usw. bei rausgekommen, sondern es sind ja auch Fotos entstanden. Sehr, sehr schöne Schwarzweißaufnahmen und das ganze Coverdesign usw. Und das Gesamtergebnis als Doppel Vinyl Album ist ja auch nicht unbedingt etwas. Wenn ich jetzt ein Industrieunternehmen wäre und sagte, da kommt jetzt eine Gruppe Künstlerinnen und Künstler zu mir und die hören sich sozusagen mal einmal durch meine Produktion und hinterher habe ich so ein Musikalbum auf dem Tisch.
Was waren also für die Reaktionen dann zu sehen bei den kooperierenden Unternehmen?
Kai Hoffmann: Ich war nicht bei allen Aufnahmen direkt dabei. Wie ich schon erwähnt habe, habe ich die Kreativdirektion übernommen und das Gesamtkonzept betreut. Dadurch war ich bei vielen der Aufnahmen dabei und habe auch für Künstler, die an bestimmten Tagen nicht konnten, Aufnahmen gemacht und weiterbearbeitet.
Was ich mitbekommen habe, ist, dass anfangs vielleicht eine gewisse Skepsis bestand – verständlicherweise. Man öffnet seine Türen, und es kommen viele unterschiedliche Menschen zusammen. Aber, wie du schon sagst, das war ein wichtiger Bestandteil des Projekts. Es ging ja nicht nur um Musik, sondern auch um die ganze Dokumentation und Begleitung des Projekts. Wir hatten vier großartige Fotografen, die das Ganze visuell begleitet und sowohl die Aufnahmen als auch die besonderen Locations festgehalten haben. Diese Locations hatten auch ihre eigenen Eigenheiten, auf die wir später noch zu sprechen kommen können.
Was ich wirklich gespürt habe, war, dass sich diese anfängliche Skepsis schnell aufgelöst hat. Am Ende gab es ein großes gegenseitiges Interesse, Offenheit und einen echten Austausch. Die Industrieunternehmen, die mitgemacht haben, waren auch sehr unterschiedlich. Ich habe ja schon die Krupps erwähnt – und witzigerweise schließt sich hier fast ein kleiner Kreis.
Die Krupps haben damals, glaube ich, bei Mannesmann gearbeitet. Wenn ich mich recht erinnere, sind sie in die Mannesmannwerke gegangen und haben auf Stahlrohren rumgeknüppelt – das war zu dieser Zeit nicht abgesprochen. Jetzt sind sie an den Ort des Geschehens zurückgekehrt. Valorek war da und hat einen Remix von einem Track gemacht, der wohl mit dieser Arbeitsweise entstanden ist. Also, da hat sich tatsächlich ein kleiner Kreis geschlossen, was eine sehr interessante Geschichte ist.
Daneben gab es aber auch ganz andere Unternehmen, wie die Mühle, die Haferflocken produzieren. Das ist natürlich ein ganz steriler Ort, eher ruhig – im Vergleich zu den lauten Industrielocations. Ich war bei Valorek dabei, und dort war es wirklich beeindruckend: flüssiger Stahl, lautes Hämmern, der Boden vibriert, und es raucht und qualmt. Es ist einfach richtig laut. Das war auch das, was die Industrial Music früher so ausgemacht hat – dieser rohe, kraftvolle Klang. Das ist der Anfang eines Spektrums, das man in den Bildern wirklich gut sieht.
Die Valorek-Bilder sind alle sehr dunkel, rau und haben wirklich viel Patina, was die Atmosphäre des Ortes perfekt widerspiegelt. Im Gegensatz dazu sind die Bilder von der Mühle, mit ihrer sterilen Umgebung, hell und klar. Was ich auch sehr interessant fand: Der Inhaber von Ford, die Mühle, ist ein großer Kreidler-Fan. Zufällig war es auch so, dass Thomas Klein, der Drummer von Kreidler, an diesem Tag verfügbar war und dann mit der Mühle zusammengearbeitet hat. Das war eine spannende Verbindung, und es hat sich ein reger Austausch entwickelt. Am Ende gab es sogar eine Fotoausstellung dazu – vielleicht können wir später noch mehr darüber sprechen.
Was ich insgesamt sehr spannend fand, war, dass es gar keine Berührungsängste gab. Das fand ich eine der interessantesten und faszinierendsten Beobachtungen während des Projekts.
Es war wirklich interessant zu sehen, wie verschiedene Arbeitswelten aufeinandertreffen. Wir als Kommunikationsdesigner in einer Agentur, die sehr kreativ arbeitet, aber eben im Büro, und dann Musiker, die im Studio oder auf der Bühne arbeiten – das sind ganz unterschiedliche Arbeitswelten. Und dann kommen natürlich noch die knallharten Industrieunternehmen hinzu. Bei Valorek war es besonders emotional: Nachdem wir dort aufgenommen hatten, feierten sie eigentlich das hundertjährige Bestehen des Werks, und im selben Jahr wurde das Werk geschlossen. Es war schon absehbar, als wir dort waren, und das hat die Atmosphäre sehr geprägt – es war alles sehr emotional.
Trotzdem war es schön zu sehen, wie die Leute vor Ort damit umgingen. Es gab das Gefühl, dass durch das Projekt etwas Bewahrenswertes weitergegeben wird – etwas, das in einen anderen Kontext gesetzt wird, aber trotzdem etwas von der Geschichte mitnimmt. Ich glaube, genau das war auch der Schlüssel, um wirklich Zugang zu den Unternehmen zu bekommen. Es war diese Verbindung, die wir geschaffen haben, die es möglich gemacht hat.
Am Anfang haben wir die Logoentwicklung gemacht, ein kleines Konzept erstellt, und es war von Anfang an klar, dass es nicht darum ging, irgendein Statement zu setzen oder eine bestimmte Botschaft zu forcieren. Vielmehr ging es darum, respektvoll miteinander umzugehen und alles auf Augenhöhe zu gestalten. Und das war wirklich der Eindruck, den ich auf ganzer Linie hatte.
Christoph Luchs: Das ist, glaube ich, eine ganz tolle Erfahrung, wenn man merkt, dass einfach so sämtliche Vorbehalte mal abgebaut oder beiseitegeschoben werden, dass man mit völliger Neugier aufeinander zugeht und dann guckt, was dabei rauskommt.
Also wir hatten schon viele Podcast Gespräche, unter anderem auch zu diesem Thema, dass Kreative mit Industrieunternehmen kooperieren, zum Beispiel in der Produktentwicklung und dabei immer wieder genannt wurde. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt ist, dass die Kreativen verstehen, wie ein Unternehmen funktioniert, die Prozesse und auch tatsächlich das Ganze einfach anfassen. Wie fühlt sich das an? Wie fällt eine Form aus, der aus der Maschine? Wie warm ist das? Was hat die für eine Oberfläche? Wie kann man die behandeln, wie kann man die verarbeiten, verändern? Und ich glaube, das ist ein ganz, ganz ästhetischer Moment, auf den man sich auch einlassen kann und nicht zu sagen, das ist ein Industrieunternehmen, Industrie ist böse oder die machen das und das, sondern einfach zu sagen, ich nehme das jetzt einfach mal so wahr, ich nehme mich als Kreativer einfach in diese Umgebung.
Ich schalte nur auf Aufnahme, sozusagen im wahrsten Sinne und lasse das auf mich wirken. Und damit kann ich wieder arbeiten. Ist das so ein Moment? War gegen die das auch so?
Kai Hoffmann: Im Grunde ja. Was ich besonders schön fand, war, dass wirklich von allen eine gewisse Offenheit erforderlich war. Die Musiker wussten ja nicht, was sie erwarten würde, und jeder kam aus einem anderen Stil. Da stellt sich natürlich die Frage: Bekomme ich dort irgendetwas, das ich in meinem eigenen Stil oder für das, was ich normalerweise mache, weiterverarbeiten kann?
Ich stimme dir absolut zu, bei allem, was du gerade gesagt hast. Aber was ich interessant fand, war, dass es nicht unbedingt darum ging, alles sofort zu verstehen. Vielmehr war es eher ein sinnliches Empfinden oder vielleicht sogar die Suche nach einer bestimmten Emotion, die im Vordergrund stand.
Musik funktioniert natürlich ganz losgelöst von konkreten Image-Vorgaben, und es ging auch nie darum, das Image eines Industrieunternehmens in der Musik zu spiegeln. Die Aufgabenstellung war wirklich komplett offen, und alle haben sich darauf eingelassen, was ich unterm Strich mit am schönsten fand. Ob es nun um textliche Bearbeitungen ging oder um Texturen in der Musik – das war völlig freigestellt.
Es gab dann tatsächlich auch ein Releasekonzert, bei dem einige Acts gespielt haben, und das war noch mal ein schöner Moment. Wie gesagt, unser Job ist vor allem Kommunikation, wir müssen Inhalte vermitteln. Bei Musikern ist das natürlich anders, aber bei den Industrieunternehmen war es interessant, wie sie auch mit ihren eigenen Herausforderungen umgingen und versuchten, ihre Botschaften zu transportieren, während sie gleichzeitig ihre eigene Geschichte und ihr Erbe einbrachten.
Es war wirklich schön zu sehen, dass viele der Mitarbeiter aus den Unternehmen beim Konzert dabei waren und plötzlich erlebten, wie ihre Unternehmen in einem ganz anderen Kontext, nämlich einem popkulturellen, stattfinden – losgelöst von ihrer industriellen Identität. Das hat den Unternehmen eine ganz neue Perspektive gegeben. Es war auch interessant, dass viele Mitarbeiter gefragt haben, wann das Lied fertig ist, weil sie es gerne hören wollten. Und wir wussten, dass das Projekt intern in den Kommunikationskanälen aufgegriffen und weitergetragen wurde. Es war beeindruckend zu sehen, wie viel Kraft und positive Energie darin steckt, wenn so etwas über die Grenzen des Unternehmens hinausgeht und eine größere Bedeutung bekommt.
Ja, genau. Und ich glaube, dass auch die Identifikation mit dem eigenen Unternehmen plötzlich eine ganz andere Dimension bekommen hat. Ein Unternehmen, das sonst aus einer sehr nüchternen Perspektive betrachtet wird – ein grauer Kasten, in dem man jeden Tag zur gleichen Uhrzeit reingeht, stempelt, an die Maschine geht, die Schicht übernimmt und das war’s. Aber durch dieses Projekt haben die Mitarbeiter das Unternehmen plötzlich aus einer völlig neuen Sichtweise erlebt. Sie haben gesehen, dass ihr Arbeitsumfeld auch eine Geschichte erzählt, die in einem anderen Kontext – in der Musik und Kultur – eine Bedeutung bekommt. Das hat den Mitarbeitern vielleicht geholfen, sich stärker mit ihrem Unternehmen zu identifizieren und zu verstehen, dass es mehr ist als nur der Ort, an dem sie arbeiten.
Christoph Luchs: Und plötzlich ist das cool. Es ist ja auch eine ganz andere Sichtweise eigentlich dann auch. Und vielleicht ist das ja auch genau der Punkt, den dann in dem Moment diese Kooperation auslösen kann. Und um das mal ein bisschen abzuschließen freie Projekte und insofern so ein großes freies Projekt, wo so viele Menschen gleichzeitig dran gearbeitet haben und die Unternehmen auch noch die Türen geöffnet haben, ist natürlich wirklich eher die Ausnahme.
Ihr macht ja auch kleinere Projekte und ihr habt als Konzept ja auch vom Open Studio auch das sozusagen euch selbst auf die Fahne geschrieben, dass ihr euch mit freien Projekten auch kreative Freiheiten erlaubt. Kannst du uns da noch ein anderes Beispiel nennen? Außer Industrial, worüber wir jetzt gerade gesprochen haben?
Kai Hoffmann: Ich habe tatsächlich eine ganze Reihe an Gedanken dazu. Als wir mit dem Studio angefangen haben, haben wir uns lange überlegt, wie wir arbeiten wollen. Der Name ‚Open Studio‘ ist zwar nicht die Neuerfindung, aber er ist für uns die passende Prämisse gewesen. Wir beide haben unterschiedliche Hintergründe – ich komme aus der Werbung, habe als Grafiker und Texter gearbeitet, und Julia war mehr im Bereich Grafikdesign tätig. 2009 haben wir dann beschlossen, zusammen etwas Neues auszuprobieren. Der Name ‚Open Studio‘ entstand, weil wir uns mit dem Studio offen zeigen wollten und glaubten, dass Offenheit in unserer Branche immer wichtiger wird. Das ist auch ein Thema, das sich weiter entwickeln könnte – aber das wäre wohl ein anderes Thema für eine separate Podcastfolge.
Wir haben uns damals ein kleines Ladenlokal mit Schaufenster genommen, weil wir dachten, dass Kommunikation das ist, was wir machen. Wir wollten auch in Kontakt mit den Leuten aus unserer Umgebung treten. Als wir das Studio gestartet haben, haben wir bewusst einen klaren Schnitt gemacht. Zu dem Zeitpunkt hatten wir noch keine kommerziellen Projekte, weil wir erst einmal Zeit brauchten, um uns zu orientieren und herauszufinden, in welche Richtung es gehen sollte. Unsere erste Ausstellung bestand größtenteils aus freien Projekten, die wir gezeigt haben.
Seitdem feiern wir jedes Jahr unser Jubiläum, meistens verbunden mit einem freien Projekt oder einer neuen Ausstellung. Ich glaube, der entscheidende Moment war, als wir nach ein paar Jahren erkannt haben, dass es Zeit ist, ein gutes Akquise-Tool zu entwickeln.
Wir haben uns damals hingesetzt und überlegt, ein Portfolio-Magazin oder ähnliches zu erstellen. Aber nach einem halben Tag Arbeit haben wir gemerkt, dass der Funke einfach nicht übergesprungen ist. Es fühlte sich nicht richtig an. Natürlich ist es unsere Arbeit, aber sie ist auch sehr anwendungsbezogen, und für uns beide war das einfach nicht der Weg. Wir arbeiten so, dass Leute mit einer konkreten Aufgabenstellung zu uns kommen, und wir dann in Form eines Kreativkonzepts genau darüber nachdenken.
Das bedeutet aber auch, dass wir uns nicht auf ein bestimmtes Gebiet spezialisiert haben, was natürlich seine Herausforderungen mit sich bringt. Aber genau das ist es, was wir an unserer Arbeit sehr schätzen. Wir sind unglaublich flexibel in den Leistungen, die wir unseren Kunden anbieten. Und wenn es etwas gibt, das wir nicht selbst umsetzen können, dann ist das eben so. Das Studio besteht nach wie vor nur aus uns beiden.
Wir betreuen Projekte von der Entwicklung des Kreativkonzepts bis zu einem bestimmten Punkt. Wenn wir feststellen, dass es Spezialisten gibt, die etwas schneller oder besser umsetzen können, übernehmen wir die Rolle der Koordination, machen das Projektmanagement und führen alles zusammen, wobei wir weiterhin den Kurs vorgeben. Das gleiche gilt für unsere freien Projekte.
Im Studio haben wir immer eine Aufteilung, die etwa 80 % kommerzielle Arbeit und 20 % freie Projekte umfasst. Diese 20 % sind uns besonders wichtig, weil wir glauben, dass sie für unsere Weiterentwicklung und das Experimentieren mit neuen Themen und Techniken unverzichtbar sind. Als wir damals angefangen haben, lag unser Fokus stark auf Corporate Identities, Branding und Print.
Zu Beginn haben wir immer ein Paket geschnürt und es dann abgegeben. Doch mit der Zeit kamen immer mehr Website-Projekte dazu, und alles wurde zunehmend digitaler. Heute arbeiten wir gerne projektbasiert mit unseren Kunden zusammen, um etwas Besonderes oder Kreatives zu entwickeln. Dabei hilft uns, dass wir durch unsere freien Projekte die Möglichkeit haben, uns mit neuen Themen und Techniken auseinanderzusetzen. Gleichzeitig achten wir darauf, dass diese freien Projekte einen praktischen Bezug haben und in der realen Arbeit anwendbar sind.
Um den Kreis zu schließen: Aus dem ursprünglichen Portfolio-Magazin wurde nichts. Stattdessen begannen wir mit einer Illustrationsreihe, die „O Yeah“ hieß. Wir nahmen das „O“ aus unserem damaligen Schriftzug und interpretierten es auf verschiedene Weisen in
Die Illustrationen, die wir gemacht haben, konnten ganz unterschiedliche Dinge darstellen und wurden zu einer freien Arbeit, die wir auf unserer Webseite präsentierten. Zusätzlich haben wir ein Magazin dazu erstellt und zum Jubiläum eine kleine Ausstellung organisiert. Diese Arbeit liegt jetzt, glaube ich, schon über zehn Jahre zurück, aber immer wieder begegnet sie uns, wenn Bekannte oder Freunde sich einzelne Seiten herausgenommen und gerahmt haben.
Unsere Erfahrung zeigt, dass freie Arbeiten, obwohl sie ohne konkrete Anwendung entstehen, die Möglichkeit bieten, viel kreativer zu sein und Grenzen auszuloten. Sie erlauben es uns, Themen anders zu behandeln und viel freier und verspielter zu arbeiten. In letzter Zeit haben wir tatsächlich zwei Projekte gestartet, die uns in völlig unterschiedliche Richtungen treiben. Ich weiß nicht, ob wir noch Zeit haben, aber wenn ja, würde ich die gerne kurz ansprechen.
Christoph Luchs: Ja, bitte gerne.
Kai Hoffmann: Ein Projekt, das uns besonders am Herzen liegt, heißt Double Pages. Die Idee dazu hatten wir schon lange, und sie beschäftigt sich mit Gegensätzen, Gemeinsamkeiten und den Interpretationsspielräumen dazwischen. Das zentrale Thema ist die Auseinandersetzung mit diesen Kontrasten und der Grauzone, die entsteht, wenn Gegensätze aufeinandertreffen.
Das Projekt existiert sowohl digital – etwa als Website und auf einem Instagram-Account – als auch in gedruckter Form. Es basiert auf Doppelseiten, bei denen eine Seite schwarz mit weißer Schrift ist, während die andere weiß mit schwarzer Schrift gestaltet ist. Die Inhalte der Seiten können sich entweder als Gegensätze oder als Ergänzungen verstehen lassen. Doch unser Hauptaugenmerk liegt immer auf der „Schnittstelle“ – dem Graubereich, in dem sich die Gegensätze auflösen oder verweben. Es geht bewusst nicht nur um Schwarz und Weiß, sondern um die Interpretationsmöglichkeiten dazwischen.
Die Double Pages sind ein fortlaufendes Projekt, das wir regelmäßig online, insbesondere auf Instagram, weiterentwickeln. Ergänzend dazu haben wir eine Ausstellung in Berlin organisiert, bei der wir das Konzept in neue Formate und Techniken übertragen haben. Das war besonders spannend, da wir so die Inhalte physisch und greifbar machen konnten.
Die Initialzündung für dieses Projekt kam von einem Vortrag, den wir zum Thema Symmetrie gehalten haben. Damals wollten wir den Zuhörern nicht nur eine Idee vermitteln, sondern ihnen auch etwas Greifbares mitgeben, das sie nach Hause mitnehmen können – ein Medium, das die Verbindung zwischen Inhalt und Form verdeutlicht. Double Pages ist seitdem ein Experimentierfeld für uns, um Ideen und Themen spielerisch und visuell umzusetzen.
Damals haben wir ein kleines Büchlein entwickelt, das spielerisch auf den Mechaniken von Symmetrie basiert. Es war ein sehr vages und experimentelles Projekt, das sich jedoch konkret durch den Einsatz bestimmter Techniken definierte. Wir haben zum Beispiel ein Papier verwendet, mit dem wir schon lange arbeiten wollten, und dieses mit einer Digitaldrucktechnik kombiniert, um herauszufinden, wie nah wir damit an die Qualität eines Offsetdrucks herankommen.
Dank des Vortrags, den wir hielten, konnten wir bei der Papierfirma nachfragen und erhielten ein kleines Sponsoring. Die Druckerei war ebenfalls begeistert von der Idee und unterstützte uns. So wurde aus diesem ursprünglich freien Projekt ein sehr greifbares und konkretes Werk, das auch direkt in den Vortrag integriert wurde. Seitdem entwickelt sich das Projekt organisch weiter.
Was die freien Projekte betrifft, so gibt es zwei, die jeweils eine persönliche Handschrift von uns tragen. Double Pages ist stärker mein Projekt, während Next Level It mehr Julias „Baby“ ist.
Next Level It entstand vor ein paar Jahren im Rahmen eines freien Stipendiums und zeigt eindrucksvoll, wie stark frühere Projekte uns beeinflussen können. Vor einigen Jahren arbeiteten wir beispielsweise für eine Schuhmarke, die sich auf nachhaltige Materialien und Produktionswege spezialisieren wollte. Wir haben damals das komplette Branding, die visuelle Gestaltung und die Kommunikation übernommen. Dabei tauchten wir tief in Themen wie Nachhaltigkeit, Materialforschung und umweltfreundliche Produktion ein.
Auch wenn wir heute nicht mehr mit der Marke zusammenarbeiten, hat uns dieses Projekt nachhaltig geprägt. Es war eine äußerst spannende Aufgabe, die nicht nur visuell beeindruckend war, sondern auch große Freude gemacht hat. Die gewonnenen Erkenntnisse und die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit wirken bis heute nach – nicht nur in unserem beruflichen, sondern auch in unserem privaten Alltag.
Das Thema Nachhaltigkeit hat uns nicht mehr losgelassen, und insbesondere Julia ist weiterhin sehr von Fashion fasziniert. Wir haben diverse Kunden aus der Modebranche, aber es geht bei freien Projekten ja auch oft darum, persönliche Interessen und Beobachtungen zu reflektieren und sich mit Themen auseinanderzusetzen, die einen beschäftigen.
Julia hat beispielsweise eine interessante Beobachtung gemacht: Auf Plattformen für Vintage-Mode findet man mittlerweile ein und denselben Pullover in zigfacher Ausführung – in allen Farben, Größen und für einen Bruchteil des Originalpreises. Das Positive daran ist, dass diese Teile immerhin im Secondhand-Markt zirkulieren. Das Negative hingegen ist, dass viele dieser Kleidungsstücke vermutlich nur ein oder zwei Mal getragen wurden, bevor sie in riesigen Mengen wieder auf dem Markt landen.
Diese Entwicklung hat Julia nicht mehr losgelassen. Sie hat sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt, speziell mit dem Konzept des Upcyclings. Aus dieser Beschäftigung heraus entstand Next Level It, ein Projekt, bei dem sie kleine Kollektionen entwirft. Diese sind allerdings weniger als klassische Modekollektionen gedacht, sondern vielmehr als künstlerische Auseinandersetzung mit Marktmechanismen, Produktionsprozessen, Materialien und auch Lebensstilen. Es geht um die Frage, wie Ressourcen im Modemarkt genutzt und verschwendet werden und wie man mit alternativen Ansätzen darauf reagieren kann.
Genau, das war ein spannender Prozess. Julia hat in ihren kleinen Kollektionen alte Sweater bestellt, bei denen oft die Ärmel als erstes kaputt gingen – meistens mit Löchern. Also hat sie die Ärmel einfach abgenommen und stattdessen neue, selbst gestaltete Ärmel entworfen und von Hand angenäht. Jedes Stück war ein Unikat, in das unglaublich viel Zeit und Liebe gesteckt wurde. So konnte sie sich intensiv mit Produktionsprozessen auseinandersetzen und neue Wege gehen, die auch den Wert von Handarbeit und Einzelstücken betonen.
Über diese Arbeiten wurden wir dann zu einer kleinen Messe eingeladen, und es eröffnete sich plötzlich ein Türöffner für das Thema. Und was jetzt wirklich spannend ist, ist, dass dieses Projekt uns möglicherweise nächstes Jahr nach Japan führt, da wir da an einer Ausstellung teilnehmen könnten. Das zeigt wieder, wie viel Potenzial in freien Projekten steckt und wie sie unerwartete Türen öffnen können. Man weiß nie, wohin es einen letztlich führt – und genau das ist das Spannende daran.
Christoph Luchs: Toll, das klingt super. Es gibt unter anderem auch noch bei euch auf der Website im Shop es auch noch eine Serie über Kaffeedrucke, also sprich Film Zitate, die sich um Kaffee ranken. Wer da mal reingucken will, da kommen Kaffeespezialisten auf ihre Kosten.
Kai Hoffmann: Eigentlich stimmt es nicht ganz, dass es sich um Drucke handelt – die Werke sind tatsächlich handgemalt. Anfangs war die Idee, Drucke zu erstellen, und wir haben auch einige Experimente in diese Richtung gemacht. Aber wir sind inzwischen einen Schritt weiter und haben uns entschieden, auf handgemalte Illustrationen zu setzen. Der eigentliche Clou dieses Projekts war jedoch die Entdeckung eines neuen Papiers, das komplett aus recycelten Kaffeebechern hergestellt wurde. Wir fanden das Material so spannend, dass wir es als Trägermaterial nutzen wollten. Zufällig hatten wir ein Café in der Nähe, das Interesse hatte, eine Ausstellung in ihren Räumlichkeiten zu machen. So kamen wir auf die Idee, Kaffeezitaten auf den recycelten Kaffeebechern zu illustrieren. Daraus entstand eine kleine Serie von Einzelstücken.
Christoph Luchs: Also es gibt nichts, was euch nicht inspiriert oder wo euch nicht eine Serie oder ein Produkt zu einfällt. Könnte man das so sagen?
Kai Hoffmann: Ich möchte das nicht zu negativ darstellen, aber letztlich arbeitet man ja so, dass am Ende auch etwas dabei herauskommt. Wir machen das jetzt schon seit einigen Jahren, und es entsteht tatsächlich etwas. Was ich besonders schön finde, ist, wie diese freien Projekte eine Verbindung zwischen verschiedenen Kanälen schaffen – vor und zurück. Du hast im Vorgespräch ja gefragt, ob uns diese freien Projekte auch etwas für unsere eigentliche Arbeit bringen, und das ist definitiv der Fall.
Christoph Luchs: Genau da wollte ich nämlich gerade mal einhaken, weil wir uns natürlich auch fragen. Freie Projekte sind super, sobald ich die Idee habe und ich habe mal Zeit und dann habe ich auch noch Geld. Also meistens so drei Dinge, die selten zusammenpassen oder wo man sich ganz bewusst freie Zeit rausschneiden muss und sagen muss, dass es da ist, einen Kalender, ein Blogger oder es gibt einen Tag im in der Woche, die definitiv nur für eigene Arbeiten, nicht kommerzieller Art gedacht sind und wo eventuell mal später ein kommerzielles Produkt draus werden könnte.
Und das heißt, man muss sich da schon sehr, sehr viel Zeit freiräumen, auch freiräumen dürfen. Es muss ja auch wirtschaftlich nutzbar sein, dass man sagt, das wird gegenfinanziert durch die Jobs, durch intensives Arbeiten unter der Woche, durch aktuelle Projekte, die man vielleicht effizienter und schneller abarbeiten kann. Tatsächlich würde ich gerne mal den Vergleich wagen. Kommerzielle Projekte und freie Projekte. Auf der einen Seite haben wir eben gerade gehört, das waren Industrieunternehmen, für die hier dann die Samples gemacht habt und aus denen ihr dann Musikstücke oder Musikstücke verwandelt habt. Oder ich habt andere Ideen wie die Double Pages und andere Konzepte. Und welche Projekte habt ihr auf der anderen Seite und was bringt euch das eigentlich bei deinen kommerziellen Projekten?
Mal abgesehen davon, dass ihr ja auch experimentiert habt, was du eben gerade schon erwähnt hast, dass sie mit verschiedenen Papiersorten und Drucktechniken zum Beispiel gearbeitet habt, um da mal reinzugucken. Auch mal Erfahrungen in Branchen, in die man jetzt vielleicht nicht unbedingt so schnell reinkommt. Und was mich auch noch interessiert, ist die die Zusammenarbeit. Dadurch, dass ihr in der Creative Direction seid, seid ihr ja immer in einer führenden Rolle.
Ihr müsst quasi die Impulse setzen und geben, den Rahmen stecken, die Richtung definieren. Aber wie schafft ihr es dann, mit anderen Kreativen zusammenzuarbeiten? Das Gesamtergebnis dann immer im Blick zu halten und zu gucken, was dabei rauskommt? Weil das ist ja auch ein Wagnis, weil ich eigentlich nicht unbedingt weiß, was steht am Ende, was kommt dabei raus und wie ticken die anderen Kreativen?
Wenn ich dem einen die Idee gebe, sagt er: Okay. Wo ist die Vorlage? Was muss ich machen? Und arbeitet das sozusagen einfach runter? Und der nächste Kreative sagt: Ich stelle erst mal die Aufgabe komplett in Frage. Und ich mache alles andere als das, was von mir erwartet wird. Wie geht es euch und wie habt ihr euch da ein Workflow produziert oder auch entwickelt?
Kai Hoffmann: Wo fange ich an, wo höre ich auf? Ich versuche, das mal ein bisschen zu entwirren. Wie du schon gesagt hast, bringen uns die freien Projekte in mehrfacher Hinsicht etwas. Wir haben gerade über Materialien und Techniken gesprochen, und da haben wir definitiv Learnings, die wir direkt auf kommerzielle Projekte übertragen können. Das haben wir auch schon mehrfach gemacht. Da stellt sich natürlich auch die Frage, welchen Wert Kreativität und Erfahrung in Bezug auf Know-how haben. Wir können einfach von unserem Wissen und den Dingen, die wir ausprobiert haben, profitieren.
Es ist aber auch so, dass wir in freien Projekten häufig mit anderen Leuten kooperieren – sei es eine Druckerei, weil wir etwas drucken wollen, oder andere Partner, die in den Prozess eingebunden werden. Es geht uns nicht darum, etwas kostenlos zu bekommen. Wir haben immer Budgets für unsere freien Projekte, das möchte ich noch mal ganz klarstellen. Unsere freien Projekte sind real, und wir versuchen, sie genauso professionell umzusetzen wie kommerzielle Arbeiten. Es geht uns auch nicht darum, einfach ein Projekt zu starten, nur weil es sich gerade anbietet. Wir gehen immer von einem Anlass oder einer Idee aus und überlegen dann, wie wir das umsetzen können.
Das ist ganz witzig, weil uns das bei unserem Industrieprojekt auch weitergeholfen hat. Natürlich ist es aber auch so, dass wir mit vielen anderen Kreativen kooperieren. Dieses Jahr feiern wir 15 Jahre Studio, was natürlich eine lange Zeit ist. In diesen Jahren haben wir auch ein Netzwerk aufgebaut, mit dem wir eng zusammenarbeiten. Es deckt für uns wirklich die wichtigsten Bereiche ab, sei es Film oder 3D.
Vielleicht noch zur Klarstellung: Julia und ich sind beide ausgebildete Kommunikationsdesigner, wir kommen also beide aus dem Grafikdesign-Bereich. Wir sind gut in konzeptioneller Arbeit, und ich selbst habe auch ein bisschen Erfahrung als Texter. Aber das sind im Grunde die Hauptqualifikationen, die wir mitbringen. Deswegen ist es bei unseren kommerziellen Projekten so, dass wir uns der Aufgabenstellung nähern, ein Kreativkonzept entwickeln und das Projekt bis zu dem Punkt umsetzen, an dem wir es eigenständig aus dem Studio heraus betreuen können.
Wenn wir merken, dass wir an eine Stelle kommen, wo unser Wissen oder unsere Fähigkeiten nicht ausreichen, dann holen wir uns gerne Unterstützung. Zum Beispiel können wir keine Websites programmieren. Wir gestalten sie, aber die Programmierung ist ein ganz anderer Bereich, der spezielles Wissen und auch eine Leidenschaft erfordert. Das kennen vielleicht viele Designer: Das Thema zwischen Designern und Programmierern ist oft nicht einfach. Aber wenn man jemanden findet, der das gut umsetzt, dann nimmt man diese Person gerne in sein Netzwerk auf.
Unser Ansatz ist, dass wir auf Projektbasis für unsere Kunden genau prüfen, was sinnvoll ist. Handelt es sich um ein großes oder kleines Projekt, und welcher Partner passt am besten dazu? Bleiben wir beim Thema Websites: Muss es wirklich ein großes, komplexes CMS-System sein oder reicht eine einfachere Lösung? Dann suchen wir den passenden Partner, um das Projekt schnell, transparent und auch budgetgerecht umzusetzen.
Und hier kommen uns die freien Projekte zugute. Sie helfen uns, neue Partner kennenzulernen und zu sehen, wie gut die Zusammenarbeit funktioniert. Zum Beispiel haben wir für die Double Pages-Website einen externen Partner beauftragt. Das war ein bezahlter Auftrag, aber wir haben mit Leuten zusammengearbeitet, mit denen wir noch nie zuvor gearbeitet haben, um herauszufinden, wie wir gemeinsam Lösungen entwickeln können. Diese Art von Zusammenarbeit erweitert unser Netzwerk und wir können es später für kommerzielle Projekte nutzen, weil wir wissen, wie zuverlässig die Partner sind und wie sie arbeiten. Das bringt uns ganz praktische Erfahrungen und Vertrauen für zukünftige Projekte.
Christoph Luchs: Ja, ich glaube, es ist auch sehr wichtig herauszufinden, ob man gemeinsam, ich sag mal, auf der richtigen Welle tickt oder ob die Chemie stimmt. Ich hatte auch ein Gespräch hier, wo dann der Gesprächspartner sagte, dass sie erst mal ein sogenanntes Chemistry Meeting vorab machen mit ihren Kundinnen und Kunden, wenn sich etwas Neues anbahnt. Das heißt, sie prüfen erst mal gemeinsam. Sie beschnuppern sich sozusagen gegenseitig, ob das so klappt und ob man den richtigen Horizont quasi im Blick hat. Und ich glaube, das ist ein sehr wichtiger Punkt, nicht nur im Kundenverhältnis, sondern auch tatsächlich unter Kreativen, wie man an einer Aufgabe herangeht.
Ist es eigentlich für dich als Kommunikationsdesigner, gelernter und studierter? Ist es für dich einfach, dass du sagst, du gibst eine Richtung vor und du guckst, was dann rauskommt und lässt dich quasi damit überraschen oder ist es für dich eher schwierig, auch mal diese Aufgaben ja auch an andere abzugeben?
Zu sagen: Ich könnte es jetzt theoretisch eigentlich auch selbst machen, weil ich weiß, wie die Schritte sind, aber ich habe gerade keine Zeit. Das ist blöd. Also wie, wie offen muss man dazu sein? Also im wahrsten Sinne Open Studio.
Kai Hoffmann: Das ist eine sehr gute Frage. Tatsächlich ist es so, dass wir beide noch sehr gerne gestalterisch arbeiten und versuchen, im Rahmen unserer Kreativkonzepte bis zu einem gewissen Punkt zu kommen, an dem wir sagen können, dass die Idee tragfähig ist. Aber wir sind auch keine Designer, die in jedem Fall alles selbst umsetzen müssen. Manchmal erfordert ein Konzept einen bestimmten Stil, und dann suchen wir gezielt nach Partnern, die diesen Stil perfekt umsetzen können. Wir sind jetzt kein super fancy Designstudio, aber wir legen großen Wert darauf, dass unsere Arbeit immer sehr individuell und maßgeschneidert für den jeweiligen Kunden ist.
Was uns auch sehr wichtig ist, ist die direkte Kommunikation mit unseren Kunden. Der Kontakt und der Austausch mit dem Kunden sind für uns entscheidend, weil wir so sicherstellen können, dass das Endergebnis nicht nur kreativ und durchdacht ist, sondern auch die Aufgabenstellung erfüllt. Kommunikation ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Arbeit, um genau das zu erreichen.
Natürlich ist es auch so, dass ein Kunde in bestimmten Bereichen schon Partner hat, mit denen man zusammenarbeiten muss. In solchen Fällen ist es einfach notwendig, dass man mit diesen Partnern kooperiert. Ein wichtiger Teil unserer Arbeit ist es, herauszufinden, wie man diese verschiedenen Kooperationen so koordinieren kann, dass alles gut zusammenkommt. Wir legen großen Wert darauf, dass die Atmosphäre dabei stets positiv und freundlich bleibt – für alle Beteiligten. Es geht uns nicht darum, wie ein Kreativdirektor aufzutreten und zu diktieren, wie alles laufen muss. Vielmehr glauben wir, dass das Ergebnis besser wird, wenn jeder seine eigenen Stärken und seinen Hintergrund einbringen kann. Wenn man aufeinander reagiert und das als konstruktiv empfindet, dann ist das Resultat einfach stärker.
Ein Beispiel, das mir gerade einfällt, ist ein Symposium, auf dem wir letztes Jahr waren. Es war zwar kein freies Projekt, aber eine freie Auseinandersetzung mit einem Thema, das gerade aktuell war: NFTs. Das Symposium fand im Museum Folkwang in Essen statt und hat uns sehr interessiert, weil es sich mit einem Thema beschäftigte, das zu der Zeit sehr in der Luft lag.
Christoph Luchs: Jetzt aber ganz kurz erklären, was NFT heißt oder bedeutet damit, dass auch alle wissen
Kai Hoffmann: Das Thema Non-Fungible Tokens (NFTs) und Blockchain war zu dieser Zeit wirklich in aller Munde. Es war faszinierend, wie sich der erste große Hype um den Kauf von JPGs, die es einfach in gleicher Form irgendwo anders schon gab, entwickelt hatte. Viele fanden das irgendwie nicht besonders spannend, und es verlor schnell seinen Reiz. Aber die Technologie dahinter, die Blockchain, ist nach wie vor äußerst interessant und vielversprechend. Deshalb wollten wir uns intensiver mit diesem Thema auseinandersetzen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte der Digitalkünstler Raphael Rosenthal eine Ausstellung im Museum Folkwang, und es wurde ein zweitägiges Symposium veranstaltet, das sich mit der Blockchain und NFTs aus vielen unterschiedlichen Perspektiven beschäftigte. Es war faszinierend, da die Diskussionen nicht nur von Künstlern, sondern auch von Rechtsanwälten und Institutionen getragen wurden, die über ihre praktischen Erfahrungen in diesem Bereich sprachen. Das war besonders spannend, weil es zu diesem Zeitpunkt noch keine etablierten Richtlinien oder klare Handhabe zu diesem Thema gab.
Das Thema digitale Währung und die Notwendigkeit, digitale Wallets zu besitzen, waren wichtige Aspekte, die bei diesem Symposium zur Sprache kamen. Es stellte sich heraus, dass es für viele Institutionen noch problematisch war, mit dieser neuen Art der Währung zu arbeiten. Aber gerade im Kunstmarkt ist das natürlich ein hochinteressantes Thema. Wir haben also viel aus diesem Symposium mitgenommen, weil uns das Thema einfach sehr interessiert hat.
Ein paar Wochen oder Monate später kam dann eine Anfrage von Typo3, die sich vorstellten, ihren Award – für diejenigen, die es nicht kennen: Typo3 ist ein System für Webseiten – umzuwandeln. Der Typo3 Award, der normalerweise als physisches Objekt vergeben wurde, sollte diesmal in Form eines NFT (Non-Fungible Token) vergeben werden, also als digitaler Preis, der auf der Blockchain gehostet und übertragen werden sollte. Das war natürlich eine spannende Gelegenheit, weil wir uns bereits mit dem Thema Blockchain und NFTs beschäftigt hatten und das nötige Vokabular und Wissen parat hatten, um in den Meetings direkt auf Augenhöhe zu sprechen.
Natürlich gab es auch Fragen und Unklarheiten, was genau das alles bedeutet und wie man es technisch umsetzen könnte. Aber wir konnten auf unser Wissen zurückgreifen und wussten sofort, in welche Richtung es gehen sollte. Wir haben dann einige Ideen entwickelt, zum Beispiel den Einsatz von ISO-Standards oder die Nutzung von Code statt Videos. Letztlich ist es zwar nicht genau so gekommen, aber wir haben dennoch drei verschiedene Routen ausgearbeitet und drei verschiedene Künstler angefragt, die das Konzept visuell umsetzen und auf der Blockchain abbilden hätten können. Es war wichtig, dass alles zum Typo3 Award und der Marke passte.
Schließlich haben wir uns für einen Künstler entschieden, und der Prozess war auch eine tolle Gelegenheit, unser Netzwerk zu nutzen, weil alle Künstler, die wir angefragt hatten, uns empfohlen wurden und begeistert mitgemacht haben. Am Ende haben wir eine Präsentation zusammengestellt, die sehr gut ankam, und ich hoffe, dass alle – sowohl wir als auch der Kunde und der Künstler – am Ende zufrieden waren.
Christoph Luchs: Spannend, spannend, das zu hören, aber auch aus eigener Erfahrung heraus. Wie viel Energie braucht man dann eigentlich? Ist jetzt mal so ein bisschen ins Unreine gesprochen und ich weiß auch nicht, ob du darauf jetzt sofort eine Antwort hast, aber ich frage mich dann, wie viel Energie muss ich immer aufwenden, auch als kreativer Mensch, um mich mit neuen Themen zu beschäftigen, die aufploppen?
NFT war eins, KI ist auch eins und Augmented Reality ist eins. Und dann gibt es noch so ein paar andere Dinge. Nicht nur im Technologiesektor. Es gibt ja auch andere Dinge in der gesellschaftlichen Veränderung oder gesellschaftlichen Entwicklung, die wichtig sind oder die man sich beschäftigen sollte oder mit denen man sich auseinandersetzen sollte als kreativer Mensch. Aber im Prinzip muss ich da immer so reinhorchen, um auch ein Verständnis zu entwickeln was ist denn das eigentlich, Wie funktioniert das?
Aber wann brauche ich es, also wann kann ich es anwenden, in dem Fall wie bei euch? Ich habe jetzt auch diesen Preis, den ich damit umsetzen kann, mit dieser Technologie. Und ich habe das schon mal gehört. Ich kann quasi sofort eine Verbindung schaffen. Manchmal habe ich den Eindruck, wenn ich das selber so von mir sagen darf, dass ich mich mit Dingen beschäftige und manchmal nach zehn Jahren erst Kunden zu mir kommen und sagen: Ich brauch das! Und dann muss ich laut lachen, weil ich denke so, warum kommt er jetzt erst damit an?
Ich hätte es ihm vor fünf, sechs Jahren schon längst viel, viel besser noch erklären können und es wäre viel aktueller gewesen. Und teilweise ist es mittlerweile kalter Kaffee und ich muss ihm dann eher sagen so, na, das kann man jetzt noch machen. Aber eigentlich, so richtig hipp ist das auch nicht mehr. Wie geht dir das dann damit, mit diesem „Ich nehme etwas wahr, Ich setze mich damit auseinander und ich nehme Input auf.“
Und dann wie lange braucht das dann, um das mal auch anwenden zu können? Wie viel Geduld muss man da eventuell auch aufbringen?
Kai Hoffmann: Das ist wirklich sehr unterschiedlich, und es hängt immer vom jeweiligen Thema ab. Wir machen das, glaube ich, vor allem aus einer Lust heraus – unser Studio befindet sich in einem Haus, das stark von der Kunst geprägt ist. Wir haben viel mit den unterschiedlichsten Kunstformen zu tun, die vielleicht gar nicht direkt mit unserem Beruf zu tun haben. Aber der Austausch ist offen und frei, und genau diese Herangehensweise ziehen wir auch in unserem Netzwerk durch. Wir arbeiten mit Leuten aus den verschiedensten Bereichen zusammen, und das führt zwangsläufig dazu, dass man sich bei Treffen und Gesprächen auch mal vom Hauptthema entfernt und neue Perspektiven auf andere Dinge gewinnt. Wir stellen Fragen, weil wir manchmal noch nicht alles verstehen, und das ist für uns ein ganz wichtiger Aspekt. Es geht uns wirklich um die Lust, sich auszutauschen und neue Dinge zu lernen. Ja, wir haben einfach Freude daran. Wir sind neugierig, und ich glaube, dass es gerade in unserer Branche wichtig ist, diese Neugier zu bewahren – besonders in der jetzigen Zeit. Du hast vorhin einige Themen angesprochen, die momentan viel diskutiert werden, und mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Es geht nicht darum, diese Probleme im großen Stil zu lösen, aber wir müssen eine Haltung dazu entwickeln – eine Haltung, die für uns als Studio relevant ist.
Was du noch sagst, trifft auch zu. Wir sind momentan in einem Prozess, in dem wir uns intern neu ausrichten. Unser Studio besteht jetzt seit 15 Jahren, und unsere Webseite ist schon ein paar Jahre alt. Auch wir sind ständig dabei, uns weiterzuentwickeln. Und das betrifft natürlich nicht nur die äußere Kommunikation, sondern auch die internen Prozesse. Wir fragen uns, wie wir als Studio noch relevanter werden können. Zum Beispiel: Wie können wir Formate entwickeln, die es uns ermöglichen, bestimmte Themen nach außen zu tragen? Vielleicht kommen Kunden nicht zu uns, weil sie nicht wissen, dass wir bestimmte Dinge anbieten. Also ist es für uns wichtig, Formate zu finden, in denen wir gezielt über diese Themen sprechen können.
Das ist ein interessanter Punkt. Natürlich wird der zahlende Kunde nicht sofort für eine Weiterbildung zu speziellen Themen aufkommen. Aber wenn man sich tiefer mit einem Thema beschäftigt und es irgendwann als Serviceleistung anbieten kann, wird es für den Kunden wertvoll. Wir könnten ihm dann sagen: „Wir kennen uns damit aus, wir haben uns damit intensiv beschäftigt“, auch wenn wir keine Experten sind. Oft sind es genau diese Themen, die erst später bei den Kunden aufpoppen. Aber wenn man sich schon damit auseinandergesetzt hat, kann man ins Gespräch gehen und die eigene Haltung dazu teilen.
Unsere Empfehlung wäre dann nicht, sich als Experten aufzuspielen, sondern vielmehr eine offene Haltung zu zeigen. Man könnte sagen: „Das ist unser Stand, so haben wir es bisher gesehen, und vielleicht könnte das eine Lösung für dich sein.“ Wenn es nötig ist, könnte man auch sagen: „Wir kennen jemanden, der sich damit noch besser auskennt, lasst uns den dazu holen und darüber sprechen.“ Das funktioniert in den unterschiedlichsten Bereichen und eröffnet Möglichkeiten, wertvolle, offene Gespräche zu führen.
Ich stimme dir zu, es ist wirklich bereichernd für uns und unser Studio, weil jedes Projekt einzigartig ist, auch wenn wir im Kern ähnliche Aufgaben angehen – zum Beispiel die Entwicklung einer Markenidentität. Die Inhalte sind dennoch immer unterschiedlich, was auch den Stil und die Kommunikation über verschiedene Kanäle beeinflusst. Genau das macht es spannend, weil wir uns dadurch immer wieder neu herausfordern und unseren Beruf auf eine vielseitige Weise erleben.
Die Art und Weise, wie Kreativität sich ausdrückt, ist ja auch sehr individuell. Jeder hat seinen eigenen Stil – sei es als Illustrator oder Fotograf. Ich finde es genauso legitim, wenn jemand sagt: „Ich mache das auf meine Art, weil das mein Stil ist.“ Aber wie du schon sagst, es gibt jetzt Themen und Herausforderungen, die diese Herangehensweisen in gewisser Weise schwieriger machen. Gerade aktuell gibt es viele Aspekte, die unsere Branche beeinflussen und diese Veränderungen spüren wir auch in der Art, wie wir uns und unsere Arbeit in einem größeren Kontext sehen müssen.
Das ist eine wirklich spannende Frage, die du aufwirfst. Es geht darum, was Kreativität eigentlich bedeutet, wenn man sie mit den aktuellen Entwicklungen in der Technologie und den Algorithmen vergleicht. Was macht etwas wirklich originell und einzigartig? Ist es das, was von einem Menschen erschaffen wurde, das persönliche Element? Oder können auch aus Algorithmen generierte Inhalte eine Form von Kreativität ausdrücken? Natürlich kann man auch mit diesen Technologien kreativ umgehen, aber man muss sich wirklich damit auseinandersetzen, um zu wissen, wie man sie geschickt nutzen kann.
In unserer Arbeit, die ja oft darauf abzielt, etwas Eigenständiges zu schaffen, ist das ein gewisser Widerspruch. Der Drang, sich abzuheben und anders zu sein, kollidiert oft mit den Vorgaben und Erwartungen, die Algorithmen und die heutigen Kommunikationskanäle bestimmen. Es gibt fast schon eine Erwartungshaltung, dass Inhalte einem bestimmten Schema folgen. Aber irgendwann ähneln sich diese Dinge trotzdem, und da kommt die Frage: Wie kann man diese Gegebenheiten zu seinem Vorteil nutzen und trotzdem etwas Einzigartiges und Aufregendes schaffen?
Das sind definitiv die Fragen, mit denen wir uns auch intensiv beschäftigen. Und genau da liegt der Reiz – herauszufinden, wie man in dieser digitalen Welt, die von Algorithmen und Vorhersagbarkeit bestimmt wird, dennoch authentische, kreative Lösungen finden kann, die sich abheben.
Christoph Luchs: Klasse. Ich denke, wir haben eine ganze Menge gelernt über freie Projekte und vielleicht ist auch der eine oder andere hat jetzt Lust bekommen, mal selbst daran zu gehen.
Hättest du einen Tipp oder vielleicht mehrere für andere Kreative? Wenn sie jetzt daran denken: Ich mach mal ein freies Projekt. Also was ist das Erfolgskonzept? Vielleicht für freie Projekte? Ist es wirklich, wie du schon sagtest, diese Budgetierung, dass ich sage: Ich setzte mir einen Preis, ich setzt mir eine Zeit und ich setz mir auch vielleicht ein Ziel, was dabei rauskommen kann. Oder wie offen müsste ich mir selbst sozusagen die Aufgabe an mich selbst stellen, um ein freies Projekt machen zu können?
Kai Hoffmann: Das ist ein sehr wichtiger Punkt, den du ansprichst. Erfolg ist tatsächlich eine sehr subjektive und persönliche Angelegenheit, besonders bei freien Projekten. Viele Menschen neigen dazu, Erfolg nur an der Reichweite oder Verbreitung zu messen, aber das ist nicht immer der entscheidende Maßstab. Wie du sagst, für euch geht es weniger um die große Bekanntheit, sondern vielmehr darum, euch selbst herauszufordern und euren kreativen Prozess zu pflegen. Das ist eine ganz wertvolle Perspektive, weil gerade diese freien Projekte oft die Freiheit bieten, sich abseits der gewohnten Strukturen zu bewegen und neue Wege zu erkunden.
Die Frage „Was möchte ich damit erreichen?“ ist natürlich eine wichtige, aber genauso relevant ist auch „Was interessiert mich im Moment? Was wollte ich schon immer mal ausprobieren?“ Diese Fragen helfen, Projekte zu starten, die authentisch sind und nicht nur auf externen Erfolg ausgerichtet sind. Es geht darum, neugierig zu bleiben, sich selbst zu fordern und dabei Dinge zu schaffen, die nicht nur der Arbeit dienen, sondern auch der persönlichen Weiterentwicklung.
Und manchmal ist es dieser „Nebenweg“, auf dem sich die spannendsten Entdeckungen und Verbindungen ergeben. Wer weiß, was für Türen sich öffnen, wenn man dem eigenen Interesse folgt, ohne ein klares Ziel zu haben – oft führen gerade solche Wege zu unerwarteten und bereichernden Ergebnissen.
Christoph Luchs: Prima, danke schön. Klasse. Ja, ich würde sagen: Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, heute mit mir zusammen diesen Podcast aufzuzeichnen. Über deine Projekte, über eure Projekte zu sprechen, über Industrial, über Double Pages und über diverse andere Dinge auf euren Websites, auf den Shownotes kann man euch folgen. Gibt es sonst noch einen Tipp, den du hast, wo man dir persönlich folgen kann, wo du unterwegs bist? Auf welcher Plattform
Kai Hoffmann: Aktuell eigentlich nicht so viel anders. Wir sind natürlich auf Instagram mit dem Studio aktiv und haben auch Projekte wie die Double Pages dort geteilt. Durch die Ausstellung, die wir gerade hatten, tut sich bald wieder etwas – die lag jetzt ein bisschen auf Eis. Ansonsten kann man uns am besten über den Instagram-Kanal von Open Studio erreichen, das ist wirklich unser Hauptkanal, wo vieles bei uns stattfindet. Wenn jemand in Düsseldorf ist, dann ist Open Studio meistens offen, es sei denn, wir sind gerade sehr beschäftigt. In diesem Fall wäre es gut, vorher eine E-Mail zu schicken, aber dann sind alle herzlich eingeladen, bei uns auf einen Kaffee vorbeizukommen.
Christoph Luchs: Super, prima. Ja dann viele zukünftige Zuhörerinnen und Zuhörer für euer Album. Viel Erfolg! Hoffentlich vielleicht sogar eine zweite Version. Wer weiß. Und viele neue Projekte, auf die wir uns hoffentlich bald freuen dürfen.
Kai Hoffmann: Ganz herzlichen Dank. Danke, gleichfalls.
Christoph Luchs: Prima.