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Folge 6: Was kommt zuerst: UI oder UX, Wolfram Nagel?

UI UX Design Podcast mit Wolfram Nagel, Teamviewer AG

Diplom-Designer Wolfram Nagel hat seit seines Studiums an der FH Schwäbisch Gmünd seinen Fokus auf das Thema Multiscreen gelegt. Wie müssen Interaktionen gestaltet werden, um mobile Geräte wie PDAs, MDAs und Smartphones zusammen mit Desktop, Tablet und Smart-TV gleichzeitig und gleichwertig bedienen zu können?

Zu den Folgen

Als Ergebnis dieses Studiums ist somit ein Fachbuch zum Thema Multiscreen entstanden, das in der vierten Auflage in englischer Sprache erscheint. Ebenfalls ein Ergebnis der Studienzeit: Eine Website, auf der über 70 verschiedene Design-Methoden präsentiert werden.

Heute entwickelt Wolfram Nagel bei der TeamViewer AG zusammen mit seinem Team User Experience Konzepte. Dabei steht für ihn eine Designmethode im Vordergrund: Jobs-to-be-done. Auf Basis des Standardwerks von Jim Kalbach hat er diese Methode als Sichtweise für seine eigene Arbeit eingenommen und vermittelt nicht nur intern sondern auch extern auf Konferenzen, wie Jobs-to-be-done angewendet wird.

Christoph Luchs unterhält sich mit Wolfram Nagel nicht nur darüber, sondern klärt auch, welche Rolle eine Meerjungfrau darin spielt!

Christoph Luchs: Herzlich willkommen zum Designerklärer – dem Podcast für hellwache Kreative – heute mit Wolfram Nagel, UX Designer und Jobs-to-be-done Evangelist. Herzlich willkommen!

Wolfram Nagel: Hallo, herzlich willkommen ebenfalls von meiner Seite und danke für die Einladung.

Christoph Luchs: Sehr gern. Magst du dich kurz vorstellen?

Wolfram Nagel: Ich bin Wolfram Nagel, Designer, seit ungefähr 20 Jahren aktiv. Ich habe nach der Schule eine Ausbildung gemacht, dann direkt ein Diplom-Studium angeschlossen. Design Ausbildung war auch in Richtung Design Mediengestalter. Habe dann vier Jahre gearbeitet im Beruf, mich danach nochmal dazu entschieden, ein Masterstudium dranzuhängen und danach habe ich wieder gearbeitet und bin jetzt seit fast sechs Jahren bei TeamViewer als UX-Designer angestellt und kümmere mich ganzheitlich um alle UX-Themen mit meinen Kollegen zusammen.

Christoph Luchs: Das klingt interessant. Da werden wir auf jeden Fall nachher nochmal drauf zurückkommen, was konkret deine Aufgaben heute sind. Als ich mir deine Biografie angeschaut habe, habe ich gestutzt darüber, dass du ja erst einmal Diplom Designer FH bist. Also du hast in Schwäbisch Gmünd studiert und später hast du noch mal eine Master Thesis hinterher geschoben. Das heißt, du bist sozusagen in beiden Bildungssystemen groß geworden, in dem althergebrachten Fachhochschule-Studium und dann in dem Master System. Wie bist du da eigentlich klargekommen mit und was war eigentlich der Grund, dass du dann den Master nachgeholt hast, sozusagen?

Wolfram Nagel: Ja, unser Jahrgang war, glaube ich, einer der letzten oder der letzte, der noch Diplom gemacht hat. Danach wurde auf Bachelor Master umgestellt. Ich persönlich bin ganz froh, das Diplom ging acht Jahre, Bachelor geht ja dann nur noch sieben. Ich bin ganz froh, dass wir dieses eine Semester mehr hatten, weil da einfach mehr drin war noch zu lernen, praktikumsmäßig und auch an der Hochschule, das möchte ich nicht missen.
Meine Diplomarbeit hat mich quasi nicht mehr losgelassen. Ich fand die Idee sehr gut. Damals gab es noch keine iPhones, in der Richtung war noch gar nichts da. Ich hatte ein digitales System für Fußballtrainer entwickelt und das Thema hat mich nicht losgelassen während meiner kompletten Tätigkeit nach dem Studium. Und ich wollte dieses Thema noch vertiefen und habe mich unter anderem aus dem Grund dazu entschieden, das noch mal Vollzeit anzugehen und einen Master dazu zu machen. Also nach vier Jahren im Beruf. Und da hat sich dann dieses Multi Screen / Multi Device Responsive Design, verschiedene Geräte quasi herauskristallisiert. Und tatsächlich kam das iPhone eben. Also unser Konzept war damals, Anfang 2006, dafür gedacht, auf mobilen Geräten zu funktionieren mit einem MDA, diese Palm Handheld Computer Dinger, auf die war das ausgelegt. Und wie das alles funktionieren sollte, mit Beamer und so war alles eher theoretisch und dann kam das quasi, dann gab es das iPhone kurz drauf und die ganze, ich nenne es mal die mobile Revolution, hat ja Fahrt aufgenommen und das Thema habe ich dann im Master noch mal richtig vertieft.

Christoph Luchs: Also die passenden Devices, die man damals so hatte, wie ein Palm Computer. Für diejenigen, die das nicht mehr mitbekommen haben, die Zeit. Es war unglaublich spannend. Jede Woche hatte ein neuer Kollege oder eine Kollegin ein neues Gerät auf dem Tisch liegen und man hat sich drüber gebeugt und gesagt: „Was ist das denn?“ Und irgendwann hieß das erst mal Palm zum Beispiel und hatte ein Schwarz Weiß Dot Matrix Display. Und später waren die sogar in Farbe. Das war absoluter Wahnsinn. Und danach ging es dann erst richtig los mit mobiler Kommunikation, weil diese Geräte konnten eigentlich nur Termine und Notizen aufzeichnen mit einem kleinen Pen und den hat man so auf den Monitor gedrückt. Und dann gab es ein „Tut“ und so konnte man also seine ganzen Notizen, To Do Listen aufzählen. Und da hattest du damals schon ein, aus heutiger Sicht würde man sagen: App-Konzept entwickelt zu diesem Thema der Taktik Analyse. Offiziell hieß das ja mobiles Interface für Taktik, Analyse und Visualisierung von Spiel Systemen im Fußball. Ein sehr langer Titel. Konkret ging es ja darum, glaube ich, dass Trainer einen Assistent bekommen, einen digitalen Assistenten. Ist das richtig?

Wolfram Nagel: Ja, das Thema war, weil ich auch selber aktiv gespielt habe, dass alles analog war. Und dann muss ich das als Trainer an der Tafel in der Kabine noch mal erklären. Eeigentlich habe ich damals schon so ein Multi Screen Konzept Projekt entwickelt, was mir erst später dann, den Begriff gab es da noch nicht, bewusst wurde. Ja, das war so der Ausgangspunkt, um eben Geräte übergreifend oder diese Geschichten in Ordnern abzulegen, um das nicht mehr haben zu müssen. Content Management könnte man dazu sagen. Der Begriff war mir damals auch noch nicht geläufig. Gab es sicherlich schon. Und das waren tatsächlich auf diesen kleinen Palm Computern, ich hatte keinen. Aber wenn das einer hatte,  war das cool und ich habe mir dann für die Diplomarbeit sogar auf Ebay einen Apple Newton gekauft. Also der war der Vorvorgänger von diesen Systemen. Total spannend, wenn man bedenkt, wo wir heute sind, knapp 15 Jahre später.

Christoph Luchs: Zu dieser Zeit haben wir uns ja auch kennengelernt in diesem Thema und da haben wir gemeinsam damals drüber nachgedacht. Wenn du das heute, einige Jahrzehnte, also fast über zehn Jahre später, rekapitulierst und denkst du, heute, hätte die Idee noch einmal eine Chance als App? Oder ist das einfach alles durch andere Techniken hinweggefegt worden, was du dir damals für Konzepte gemacht hast in Richtung Taktik-Analyse für Fußballtrainer?

Wolfram Nagel: Ich glaube, mittlerweile gibt es ähnliche Systeme oder auch im Profibereich wurde das dann mittlerweile gezeigt. Wir kennen das vom Fernsehen, Kamerafahrten und Draufsicht und live, wie die Spieler sich bewegen auf dem Feld. Das wird getrackt mit Kameras und anderen Systemen. Ich war damals mit Leuten in Kontakt, die diese Systeme entwickelt hatten. Über den DFB hatten wir Kontakt, über den Baden-Württembergischen Fußballverband. Ich habe das auch bei der Trainer Tagung mal vorgestellt als potenzielles Konzept, und Umfragen gemacht, um Bedürfnisse herauszufinden. Und ich wollte tatsächlich das als Produkt entwickeln. Da hatten wir uns ja dann auch kennengelernt, habe den Ideenwettbewerb, einen Innovations-Wettbewerb auch damit gewonnen. Aber so den Schritt dahin, die App zu entwickeln, auf den Markt zu bringen,vaus verschiedenen Gründen hat das nicht stattgefunden. Aber ich glaube, es ist nach wie vor ein gutes Konzept und ich glaube, dass das, wenn nicht die Trainer auf dem iPad auf der Bank sitzen sehe, machen die genau sowas in der Form, mit natürlich schnellerer Technologie, besserer Darstellung und Cloud und so weiter. Das gibt es jetzt einfach, glaube ich, vor 15 Jahren wäre das was Neues gewesen, aber es war ein Konzept.

Christoph Luchs: Ja, da gab es damals tatsächlich noch so diese dogmatische Frage. Nein, also was Digitales machen wir nicht. Das ist ja alles viel zu schwerfällig und da muss man überall Kabel anbinden und bis das alles soweit steht und es ist ja alles umständlich, da nimmt man lieber eine Magnettafel oder ein Whiteboard oder anderes, um dann auf der Taktik-Tafel schnell die verschiedenen Positionen hin und her zu schieben. Ich habe das aus nächster Nähe beim Basketball erlebt, wo auch heute immer noch so gearbeitet wird, weil einfach die Spielzüge wahnsinnig schnell sind. Das ist natürlich beim Fußball auch ein bisschen anders von der Sportart her, und insofern ist das durchaus legitim, dass man da vielleicht immer noch sozusagen manuell die Taktik Aufstellungen bespricht damit. Aber heute wird es tatsächlich im Profibereich wirklich höchstgradig digitalisiert. Wir sehen es ja auch derzeit. Diese Folge wird gerade während der Weltmeisterschaft aufgezeichnet. Die deutsche Mannschaft ist ausgeschieden in der Vorrunde. Vielleicht kurz von dir, Du als Fußballfreund und Anhänger des VfB Stuttgart. Was sagst du denn zum Ausscheiden der deutschen Mannschaft?

Wolfram Nagel: Da habe ich mich jetzt gar nicht vorbereitet. Ja, ich glaube, wir sind zu Recht ausgeschieden. Wer einfach in der Gruppe nicht mindestens Zweiter wird, der scheidet zu Recht aus. Ich glaube, es war Pech auch dabei. Es gibt ja mittlerweile Statistiken für alles. Wir hatten die meisten möglichen Tore. Most expected goals: Es gibt so eine Statistik, ja, aber die haben wir nicht gemacht. Und offenbar war die Gruppe gar nicht so schwer, weil jetzt im Achtelfinale sind ja auch die anderen beiden, die weitergekommen sind, ausgeschieden. Insofern ja, alles hat sein Positives oder Negatives. Vielleicht hat es einen positiven Einfluss auf die EM in anderthalb Jahren. Also es gibt bessere Mannschaften, wenn man so reinschaut und dann haben wir es halt einfach nicht verdient.

Christoph Luchs: Genau das ist Sport. Das Verlieren gehört dazu. Es kann immer nur einer gewinnen und insofern ist es ja auch etwas, was man auch als Nation vielleicht noch mal lernen sollte, dass man einfach sportlich zurücktritt und sagt: „Okay, die anderen waren halt einfach besser.“ Dann ist es so. Du bist dann mit deiner Master Thesis weiter vorangeschritten und hast diesen Begriff Multi Screen Experience weiter erforscht. Wie bist du eigentlich auf diesen Begriff Multi Screen gekommen? Hat dir das jemand gegeben? Hast du das irgendwo gelesen? Hast du dir Anregungen geholt und wie war das? Wie bist du da rangegangen, an dieses Thema?

Wolfram Nagel: Das ist schon eine ganze Weile her, über 15 Jahre. Das Masterstudium geht drei Semester und die ersten beiden waren allgemeine Themen, Master relevante, anspruchsvollere Designstrategie-Themen. Ich hatte einen Begriff gesucht und vermutlich, müsste ich in Unterlagen nachschauen, verschiedenste Begriffe kombiniert und der schien mir da am naheliegendsten, weil eben mehrere Screens, damals klassische Smartphone, Tablet, Laptop-oder Desktop-PC und Fernseher. Das waren so meine vier Kategorien und es waren immer verschiedene Screens und daher hat sich der Begriff so entwickelt. Da gab es zeitgleich, ich weiß nicht, die Zuhörer kennen vielleicht Luke Wroblewski, der das Mobile First Buch geschrieben hat. Der hat quasi zeitgleich auch das Thema untersucht und auch ein Buch dazu raus gebracht. Und parallel dazu hat sich noch der Begriff Multi Device etabliert. Multi Screen, Multi Device geht dann noch ein bisschen mehr Richtung IoT vielleicht, weil dann geht es nur um Geräte. Ich hatte mich da primär auf Screens, digitale Interfaces konzentriert und da lag der Begriff einfach nahe.

Christoph Luchs: Was hast du für dich als Erkenntnis daraus gezogen? In der Master Thesis ist es ja auch so, dass du ja dir selbst eine Aufgabe, ein Thema stellst, eine Herausforderung stellst und die dann beantwortest oder Möglichkeiten, Optionen auslotest. Was war für dich dabei am wichtigsten?

Wolfram Nagel: Also ich wollte mich intensiv mit dem Thema beschäftigen. Ich habe das die vier Jahre nach dem Diplom Studium parallel, da wo wir uns auch kennengelernt haben, wie schon erwähnt, immer weiter bearbeitet, mich mit dem Thema beschäftigt, konkret praktisch auf dieses Fußball Trainer Thema beschränkt. Habe dann aber auch immer mehr theoretisch allgemein mich mit dem Thema beschäftigt und dann ging es in die Master-Arbeit. Das war, glaube ich, anfangs noch gar nicht so klar. Ich wollte dieses Fußballtrainer Dings doch noch mal im Detail näher untersuchen. Vollzeit eben, ohne Arbeit nebenher und nicht quasi neben der Arbeit. Dann hat sich über die Theorie, die beschäftigen UX, User Experience, UI Design kam Responsive Design, ein Begriff, der ist einfach allgemein gängig von jedem bekannt und benutzt wird, kam da auch auf und es war ein sehr spannendes Thema. Das fiel ja genau in die Zeit, als das iPhone so ein bisschen Fahrt aufnahm. 2007, 2008, 2009, dann gab es Tablets, kann man sich gar nicht mehr vorstellen, dass es früher keine Tablets oder iPads gab und Smart-TVs. Also damals waren auch die Fernseher noch nicht am Internet so wirklich angeschlossen. Es gab so Pseudo-Geschichten mit Fernseher am Internet. Heute ist ja alles einfach vernetzt und es war die Zeit als das so gestartet hat. Wie gesagt, 2006 wusste ich noch gar nicht, wie ich von diesem Palm diese Taktik auf das Board in der Kabine bekomme oder im Club, im Vereinsheim, weil ja da noch die normalen Fernseher oder so waren. Heute denkt man ja Easy Cloud und alles vernetzt und überhaupt kein Problem. Ich kann mit dem Smartphone den Fernseher bedienen. Das kam dann alles danach und es war einfach ein guter Zeitpunkt, zufälligerweise, um sich mit dem Thema zu beschäftigen.
Und es hat mir sehr viel gebracht, weil ich mich eben in dieses Responsive Design, Atomic Design, verschiedene Geräte, was heute einfach Standard-Anforderung an jedes digitale Projekt ist, egal ob Website, Applikation, Apps und so, das hat dazu geführt, dass ich mir die Grundlagen quasi über die Beschäftigung mit dem Material, das damals da war, also User Experience allgemein und Design allgemein, aber eben noch nicht in diesem technologischen Kontext, wie wir ihn jetzt kennen. Und da habe ich mich damit beschäftigt und es war auf jeden Fall sinnvoll.

Christoph Luchs: Ganz unter uns, es hört ja niemand zu, IUX. Da gibt es ja so ziemlich dogmatische Diskussionen darum, was war zuerst: die Henne oder das Ei? Als ich selbst mit dem Thema Interface Design zu tun hatte, gab es den Begriff UX überhaupt nicht. Da gab es noch eine Ergonomie, eine Arbeitsplatz-Ergonomie für digitale Arbeitsplätze, so hieß das offiziell. Da gab es auch Normen für, DIN-Normen, und es gab so was wie eine Gebrauchstauglichkeit. Das heißt, man hat wissenschaftlich in der Arbeitspsychologie überprüft, ob ein Arbeitsplatz, ob die Gestaltung des Arbeitsplatzes, in dem Fall Oberflächen, auch DIN-Normen entsprechen, ob Toleranzen eingehalten werden etc. Später gab es dann diesen Begriff UX und heute habe ich ein bisschen den Eindruck, auch du sagst ja selbst, dass du UX Designer bist, dass dieser UX Bereich so wichtig geworden ist, dass man eigentlich das UI selbst, also das User Interface, so ein bisschen nach hinten schiebt.
Das heißt vom Konzept ist das UX am wichtigsten. Ist das auch deine Sicht oder wie siehst du diese, ja fast schon dogmatische Diskussion um diese beiden Begriffe, vor allem, wenn sie mit einem Schrägstrich geschrieben werden. Da gibt es ja sogar Vertreterinnen und Vertreter, die sagen: „Um Gottes Willen, das darf auf keinen Fall in einem Atemzug genannt werden, weil das zwei völlig verschiedene Welten sind.“ Was meinst du dazu?

Wolfram Nagel: Da können wir jetzt eine extra Episode drüber machen über das Thema. Da gibt es verschiedenste Ansichten.  Ich habe kürzlich nachgeguckt, weil ich tatsächlich einen Artikel kürzlich darüber geschrieben habe. „What Is UX?“ habe ich den genannt. Und es gab mal die Seite „UX is not IU“, die gibt es nicht mehr. Schade, weil das oftmals verwechselt wird. Seit ich in dem Bereich unterwegs bin, wird es oft verwechselt und UX Designer macht doch UI. Das eine ist nicht wichtiger als das andere. Es sind nur zwei unterschiedliche Dinge. Allerdings gibt es auch da unterschiedliche Ansichten, weil ich hatte kurz erst, während ich diesen Artikel geschrieben habe eine Diskussion auf Twitter mit Scott Jenson, den ich sehr schätze und verehre, der das Vorwort zu meinem Buch geschrieben hat. Und da waren wir uns mal ganz kurz nicht einig. Ansonsten ist alles, was er sagt, top und kann man nur zustimmen. Da waren wir uns mal ganz kurz nicht einig. Ein sehr komplexes Thema. Ich würde mal sagen, vor 15 Jahren war das für mich total schwierig, das zu verstehen. Zehn, 15 Jahre ist es ungefähr her, da ging es dann auch um Stellenausschreibungen, da die einzelnen UX Designer, UI Designer, Interface Designer, Interaction Designer, Content Design, Visual Design wurde dann später noch mal ein bisschen komplizierter.
Meine Definition, die nicht nur meine eigene ist, sondern die habe ich mir aus vielen anderen Definitionen von Experten zusammen definiert. Oder das aggregiert und für mich eine Definition gefunden, mit der ich seit rund zehn Jahren sehr gut leben und arbeiten kann. UX ist der Überbegriff, UI ist für mich zwar das Layout, das ich sehe, nicht zwingend, es gibt auch ein nicht visuelles Layout, also Audio Interface hat auch User Interface, halt nicht Graphical User Interface, sonder User Interface, also nicht GUI. Deswegen ist jede Schnittstellen von Nutzer, vom Menschen zu einem System ist ein UI. Klassisch wird es gleichgesetzt mit dem, was ich sehe, Layout auf einer Website. Heute gibt es Design Systeme, Style Guide und so Geschichten.
UI ist für mich primär erst mal schwarz und weiß Wire Frame, was ist wo? Wenn dann noch Farben und Typografie, Weißraum und Corporate Design Definitionen mit berücksichtigt werden oder mit reinspielen, dann kommt Visual Design mit dazu. Es gibt ausgewiesene Experten, die sehr gut sin, in Visual Design, nicht zwingend UI, das hängt so ein bisschen unter UI nicht, weil wichtiger oder weniger wichtig. Aber ich habe halt erst ein UI und dann Visual Design. Also erst mal muss ich gucken, brauche ich drei Knöpfe oder einen? Ist der links oder rechts, habe ich eine Navigation? Und so weiter. Das spielt dann noch Interaction Design mit rein. Was passiert, wenn ich da draufklicke? Kommt die Navigation von rechts oder von unten oder komme ich auf eine neue Seite oder was passiert?
Also wie verhält sich das System, wenn ich mit ihm interagiere? Interaction design interagiere und noch andere Dinge wie Content, ist noch ganz wichtig. Also ich muss erst wissen, welchen Content, welche Struktur hat der Content? Habe ich langen Text, viele Texte, viele Abschnitte, Bilder, Interaktionsobjekte, Buttons oder Video? Und erst, wenn ich das weiß, welchen Inhalt ich habe, erst dann kann ich das UI machen.
Also das Layout und Schwarz und Weiß, einen Wire Frame, drei Knöpfe nach rechts unten setzen. Wenn es nur eine Funktion gibt, habe ich rechts unten keine drei Knöpfe und wenn es keinen Text gibt, dann muss ich auch kein Layout mit viel Typographie und Text machen. So, deswegen kommt es da vor noch und es gehört alles für mich zu UX dazu, weil Inhalte können textlich sein, visuell sein, können aber auch Audio, ist auch Content, Video. Wir nehmen gerade Audio Content auf, primär, der aber dann auch visuell mit schriftlichem Content bereitgestellt wird und davor kommt noch User Research, gehört für mich auch zu UX. UX User Research.  Auch verschiedene Begriffe sind da gängig. Wenn ich nämlich nicht weiß, was jemand tun muss oder braucht oder welche Probleme, Bedürfnisse es gibt, dann weiß ich ja gar nicht, welche Inhalte ich demjenigen bereitstellen soll, in welcher Form, mit welchem Layout, wie der aussehen muss.
Emotion spielt eine wichtige Rolle im Visual Design, vor allem auch, wie sie es sich verhält. Und so kommt eines zum anderen und formt für mich das Feld von UX Design.

[Musik]

Wolfram Nagel:  Ganz grob erklärt, da mag mir der eine oder andere zustimmen, der eine oder andere vielleicht auch nicht. Aber so funktioniert es für mich. Und wenn ich, was häufig der Fall ist, UX erklären muss.

Christoph Luchs: Ich denke, da können viele mitgehen und können das auch nachvollziehen, was damit gemeint ist, so wie du es gerade beschrieben und erklärt hast. Und ich denke auch, um das ein bisschen auseinander zu kriegen, weil tatsächlich dieser Aufhänger: Ich gucke mal in die Stellenausschreibungen der diversen Plattformen hinein, was da alles an Begriffen durcheinander geworfen wird. Das ist schon der schiere Wahnsinn.
Und dann kommen noch Begriffe wie Screen Design, Multimedia Design, ganz altertümliche Begriffe auf und letzten Endes bezeichnen sie doch sehr viel dasselbe, aber halt auf unterschiedlichen Ebenen. Und ich glaube, diese Ebenen sind tatsächlich relevant.
Denke ich strukturell über Informations Architektur nach, über letztendlich Abfolgen, über Workflows? Versetze ich mich in spätere Use Cases, in Personas, um dann zu sehen, wie ein Fall konkret in einer Software, in einer App oder in einer Lösung oder in einem System insgesamt gelöst wird oder gestaltet wird.
Und bis es dann hinterher zum gestalteten Button in Glossy High, Glossy oder als Flat Design ausartet, ist ja etwas völlig anderes. Und das ist dann tatsächlich, dass diese visuelle Ebene, das absolut letzte Frontend zum User, um das dann hinterher zu gestalten. Und da braucht es tatsächlich heute doch eine ganze Menge Menschen, die diese ganzen Ebenen konzipieren, durchdenken und gestalten.
Würdest du sagen, mal abgesehen davon, dass man früher das sicherlich alleine gemacht hat, also Interface Design war vor 20 Jahren sicherlich eine One Man Show, weil es gab einfach schlichtweg gar keine Interface Designer. Die mussten quasi erst gebacken werden und dann sind es auch ganz viele Webdesigner gewesen, die dann mal schnell auf Interface oder App Design umgeswitcht sind.
Und würdest du heute sagen, das ist unmittelbar eine Teamarbeit oder könnte man das sogar auch als One Man Show weiterhin betreiben?

Wolfram Nagel: Also ich bin seit vielen Jahren in Austausch auf Konferenzen oder seit zwei, drei Jahren haben wir ja ganz viele online Möglichkeiten uns zu treffen, über die ganze Welt verteilt. Was ein super positiver Nebeneffekt ist, neben den vielen anderen negativen Nebeneffekten, die wir hatten und es gibt diese, wo dieses UX Team of one es immer noch gib. Und ich glaube. ein guter UX Designer, da gibt es einen Begriff, Unicorn, kann diese Disziplinen schon gut ausfüllen. Ich würde mich auch als ganzheitlichen UX Designer bezeichnen, aber man kann nicht alles 100 % können, das geht gar nicht. Im Vergleich zu vor 15 Jahren wurde es wichtiger für uns Designer. Designer werden gesucht und dadurch, dass es wichtiger wurde und mehr Zeit oder mehr Relevanz bekommt, gibt es eben auch Spezialisten.
Das, was ich gerade vorher aufgezählt hatte, gibt es noch mehr, natürlich. Ich kenne richtig gute UI Designer oder Visual Designer, müssen aber nicht zwingend gute oder nicht zwingend UX Designer sein. Ein guter Researcher muss nicht zwingend UI oder Visual Design können. Ein UX Designer kennt aber zumindestens alle Disziplinen und erkennt vielleicht auch, wann seine Fähigkeit nicht ausreicht. Also ich brauche jetzt einen Visual Designer, der mir das wirklich richtig gut macht. Research kann ich machen, aber wenn es wirklich umfangreiche Research sein muss, vielleicht auf einen Experten zurückzugreifen. Es geht ja gar nicht, Startups oder kleine Unternehmen können keine UX Abteilungen sich leisten. Deswegen kann man das schon mit den Disziplinen auf eine Person verteilt leisten. Also es geht, aber ich glaube, dass mittlerweile größeren Projekte, größere Unternehmen, das merke ich auch bei uns, differenzieren und auch Spezialisten brauchen. Also wenn möglich auf jeden Fall mehrere. Und es ist auf jeden Fall eine Teamleistung, definitiv. Wir Designer alleine können gar nichts, weil irgendjemand muss es ja umsetzen. Es gab mal eine Diskussion, Designers Must Code oder so was. Ja, vielleicht, aber im Design geht da schon gar nicht, alles perfekt auszufüllen. Aber ich kann doch nicht Research machen, denn noch Content Design, Informations Architektur, Content, whatever Design, Content Management, UI Visual Design, Interaction Design und Motion Design. Und dann ist auch noch Programmieren in zehn verschiedenen Sprachen, je nachdem, ob ich es als iOS App oder als Web App brauche mit einer Datenbankanbindung. Sorry, geht nicht. Was ich sagen will: Wir Designer brauchen die Entwickler, weil alles, was wir designen, muss umsetzbar sein. Und mein toller Mock-Up, der so schön mit den Animationen und Motion in meinem Prototyping Tool so gut aussieht und so schön testen lässt und den Stakeholdern allen gefällt. Wenn der Entwickler den, aus welchen Gründen auch immer, nicht umsetzen kann, gibt es Limitierungen. Das Framework kann das nicht. Dann ist er einfach nichts wert. Das heißt Teamarbeit: Die Entwickler müssen ganz früh mit rein, die müssen sogar schon Research quasi mitmachen oder die Benutzer kennen, um gemeinschaftlich (das ist auch das, was ich immer propagiere und auch im Unternehmen vorantreibe) gemeinschaftlich was zu entwickeln. UX ist Teamarbeit und es ist nicht nur Zuständigkeit für die, die UX auf der Visitenkarte,wenn es die noch gibt, oder in der Signatur haben, sondern das ist definitiv Team Effort, egal welche Rolle man hat.

Christoph Luchs: In einer früheren Podcastfolge war Fabian Rudzinsky zu Gast und der ist Lead Designer mit einer eigenen Game Design Agentur, und wir haben all diese verschiedenen Rollen im Game Design auseinandergezogen und je tiefer wir reingekommen sind, umso mehr Aufgaben gab es und mir kommt das im UI/UX ähnlich vor, dass eigentlich nur die Oberfläche gestaltet wird. Aber wenn man dann darüber nachdenkt, was soll denn die Oberfläche ausdrücken? An wen soll sie sich richten? Wer soll da mit was interagieren? Was ist der Zweck der Software? Wie soll die Software denn eigentlich möglichst elegant und zukunftsfähig programmiert sein? Und so weiter und so weiter. Dann komme ich zu einem ähnlichen Schluss wie du, dass es halt wirklich sehr, sehr viele verschiedene Aufgaben braucht, die ineinandergreifen und eigentlich erst dann, wenn das Team gut funktioniert, dass dann auch ein gutes Produkt entstehen kann oder eine gute Lösung.
Es ist selten, äußerst selten mal eine Einzelleistung von einer Person, die das dann hinterher so gut umsetzen könnte, weil sich letztendlich ja auch in der Forschung, und Forschung ist nicht immer nach dem UI, sondern auch vor und währenddessen, so dass also ein Konzept erst einmal sich bewahrheiten muss. Das heißt, erst in der Forschung zeigt sich dann auch, ob das UI Konzept dann auch wieder benutzbar ist oder ob es in der Praxis funktioniert oder was eben vielleicht nicht funktioniert. Sprich: noch eine Schleife, noch eine Iteration und das Team muss noch mal ran und nachbessern, weil halt einfach die User nicht ganz so funktioniert haben, wie es sich das Team gedacht hat. Das kann ja immer passieren. Kommt das häufig bei euch vor? Wie arbeitet ihr bei TeamViewer, um mal auf deine Arbeit zu kommen? Und wie viele Leute seid ihr denn da? Wie könnt ihr euch ergänzen miteinander in euren Fähigkeiten?

Wolfram Nagel: Komme ich gleich darauf. Ich will noch gerne was zu dem anderen ergänzen. Und zwar natürlich kommt am Ende, wenn man jetzt mal UI als GUI, also Grafical User Interface nimmt, sieht man nachher irgendwas, da kommt was raus. Vielleicht ist es auch deswegen das UI/UX als eins betrachtet wird oder UX macht doch UI, aber wenn die Hausaufgaben davor nicht gemacht werden, also Forschung findet davor und danach statt. Wenn ich davor nicht gut geforscht habe mit den entsprechenden repräsentativen Personen, die das nachher benutzen sollen, welche Probleme die haben? Gibt es überhaupt ein Problem, das ich lösen kann? Oder mache ich nur UI und es gibt gar kein Problem, dann kann ich mir das auch schenken, weil dann wird es auch keiner benutzen.
Da wird die Grundlage, die Basis gelegt, um nachher dieses UI, das dann alle sehen und schön aussieht und allen gefällt, hoffentlich, umzusetzen. Aber da muss davor was passieren und danach genauso. Wenn sich rausstellt, dass die User nicht so funktionieren, wie du es gerade gesagt hast, nicht so funktionieren, wie wir uns das gerne gedacht hätten, das ist ein Denkfehler, weil die sollen nicht so funktionieren, wie wir uns das denken, sondern wir sollen das entwickeln, was die brauchen.
Und es wird eben im Nachgang, und es ist auch nicht linear, so im Nachgang getestet und iterativ. Davor wissen, was die brauchen, dann was machen, dann testen, dann in den meisten Fällen feststellen: Oh, die machen das ganz anders als ich dachte. Und es passiert quasi immer, wenn man mit Nutzern redet oder testet, wirst du vielleicht auch kennen. Ach so habe ich das nicht gedacht.
Es hat nichts mit Erfahrung oder falsch gemacht zu tun, sondern es passiert. Die benutzen es anders, als man gedacht hat. Und deswegen ist diese Interation: Research, machen, testen essenziell. Und ja, und man zieht halt nicht den Test davor und auch nicht die danach und auch die Research davor. Wenn ich die aber gut gemacht habe, dann kann auch das UI glänzen, was nachher am Ende das Produkt rauskommt.
Wenn es nicht gemacht wird, dann ist das UI vielleicht schön, Visual Design auch schön, aber es bringt nichts, weil es nicht das tut, was ich bräuchte oder die Knöpfe an der falschen Stelle sind oder nicht gefunden werden. So viel dazu.
Die Frage war, wie wir das machen und wie das bei uns aussieht. Als ich angefangen habe, waren wir relativ wenige Designer.
In den letzten sechs Jahren hat  sich das stetig gesteigert. Wir haben verschiedene Produkte. Ich arbeite im Core-Bereich für das Hauptprodukt, wo die Firma ursprünglich auch herkommt. Und dann gibt es noch andere Abteilungen bzw Produkt-Sparten und die haben alle ihre eigenen Designer. Wir synchronisieren uns, alignen uns, werden zwar noch die denglischen Begriffe nicht auszuschließen, stimmen uns ab. Sorry Unternehmenssprache ist Englisch by the way. Deswegen werden mir die Begriffe häufiger auch rausrutschen und wir arbeiten seit einer Weile in Scrum schon länger und seit einer Weile sind die Designer in den Scrum Teams eingebettet, was ich sehr gut finde. Davor waren wir eher so zentral und haben dann ausgeholfen. Aber in Scrum, wer agile Softwareentwicklung kennt oder agiles Arbeiten allgemein: Es macht unheimlich Sinn, dass die Designer täglich mit drin sind und quasi mit dem Nutzerhut am Tisch sitzen im Team und aus der Perspektive helfen, das Produkt bestmöglich umzusetzen.
Weil: Funktioniert doch! Ja, funktioniert. Es gibt die Funktion, man kann den Knopf drücken und danach passiert was, ist das eine. Funktioniert das aber auch für den Nutzer, also kann er es benutzen und erfüllt es alle Anforderungen, die wir als Principles und Laws of UX und soweiter kennen, ist es alles richtig gemacht. Und dazu braucht es die Designer in Teams und das haben wir seit einer Weile.
Es funktioniert sehr gut. Wir haben auch ein zentrales Design Team, das sich so allgemein um alles kümmert. Macht auch Sinn. Also wir sind stark gewachsen und wir sind jetzt, ich würde mal so sagen, 30 Designer.

Christoph Luchs: Das ist eine ganz schöne Größe für ein Softwareunternehmen, was ja ursprünglich aus dem Bereich Fernwartung kommt. Also wer den Begriff TeamViewer gar nicht kennt oder gar nicht weiß, was der Kern der Firma ist, die Fernwartung, also dass ich mich irgendwo aufschalte, einlogge per Internetverbindung, um dann einen Computer fern zu steuern oder zumindest fern zu warten. Das ist ja im Prinzip die Herkunft.
Und das ist tatsächlich erst einmal eine reine IT Leistung. Und ich habe es auch als erstes Produkt immer nur bei Informatikern gesehen, die tatsächlich dann PCs gewartet haben und dann über die Fernwartung dann dafür gesorgt haben, dass er wieder lief bei den Kunden oder innerhalb von Firmennetzwerken. Das ist ja nach wie vor der Kern eurer Marke von TeamViewer.
Und interessant ist tatsächlich, dass euer Design Team so stark gewachsen ist, weil der Begriff Design ja dann in erster Linie erst mal nicht so relevant ist. Aber andersherum, wenn ich bei SAP bin, dann sehe ich dort eine ganze Design Abteilung, ein ganzer Haus Block eigentlich, wo nur Kreative arbeiten, um entweder die Oberflächen oder das Drumherum, also Marketing, Verkaufshilfen zu gestalten und das in Form zu gießen.
Also das ist heute eigentlich undenkbar, dass man das Design rauslässt und auch rauslässt aus der Produktion. Du hast eben Scrum angesprochen. Scrum kommt ja eigentlich aus der Erkenntnis, dass Software nicht linear entwickelt werden kann und irgendwann zu einer Menge von Fehlern und Bugs führt, sodass man irgendwann einfach verzweifeln und kapitulieren muss und sagen muss: Diese Bugs werde ich nie wieder lösen.
Ich kann nur in Iterationen, also in Schleifen arbeiten, in Schritten, in zeitlichen Phasen und dann hoffentlich miteinander vorwärts kommen, in kleinen Aufgaben-Teilungen, in kleinen Zielen, sozusagen häppchenweise. Wie groß sind denn eure Zyklen eines Scrum Zyklus? Wie muss man sich das vorstellen, wie ihr durchschnittlich bei einem Projekt arbeitet?

Wolfram Nagel: Also die einzelnen Teams haben, ich weiß nicht, wie es in anderen Produkt Bereichen ist, aber ich denke, ich glaube ähnlich. Wir haben zwei Wochen Sprints. Ist ja der Sinn von agil schnell entwickeln. Und wenn ein Increment zu groß wäre, dann bricht man es auf, dass es in diesen Sprint reinpasst. Und der Vorteil davon ist: schnell entwickeln, releasen, Erkenntnisse gewinnen, anpassen und nicht quasi Wasserfall, wir planen jetzt mal das Projekt für die nächsten zwölf Monate durch und dann machen wir das, und im Januar das und im November machen wir das. Weil sich im Juni oder viel früher schon rausstellt, dass das im November gar nicht mehr gebraucht wird oder gar nicht funktioniert und was anderes gebraucht wird, wie auch immer. Und durch diese iterative, schnelle Erkenntnisgewinnung wird eben nachjustiert.
Ich weiß heute noch nicht, was ich im März mache. Also grundsätzlich schon, aber ich weiß nicht, in welcher Form ich an welchem Feature arbeite oder was ich teste bzw welche Erkenntnisse wir gewinnen müssen oder in der Produktentwicklung einbringen, weil wir eben reagieren. Es kann sein, der Markt reagiert, da müssen wir uns ändern. März 2020 war so ein globaler Bedürfnis Change weltweit, wurde Onlinemarketing und alles Remote Thema plötzlich super wichtig, was an sich nicht schlecht war, weil wir die digitale Transformation einfach alle machen mussten.
Also Top. Ich weiß nicht, ob wir jetzt hier den Podcast so aufnehmen würden. Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ja, ich schweife ab. Zwei Wochen Sprint, agil, wir reagieren auf Erkenntnisse und es gibt mittlerweile einen monatlichen Release, also zwei Sprints. Und zwei Sprints werden Dinge entwickelt, die dann am bestenfalls, wenn sie den Test und Qualitätsmanagement durchlaufen haben, positiv releast. Also es sind quasi keine Stufen oder große Stufen Treppen, die der Kunde bekommt, sondern ganz kleine, weil er immer wieder was bekommen.

[Musik]

Christoph Luchs: Jetzt bist du ja beruflich stark eingebunden in solche Prozesse, die viele im Team betreffen und eingebunden werden, von Entwicklern bis hin zu Kreativen. Hast ja auch unterschiedliche Stationen selber kennengelernt, auch kleinere mittelständische Agenturen oder Arbeitswelten und hast an zwei verschiedenen Hochschulen studiert. Meinst du denn, dass heute diese Arbeitsweise im Team, aber auch das Agile, dass das heute an zum Beispiel Design-Hochschulen noch so unterrichtet wird oder schon unterrichtet wird? Wie siehst du das, wenn neue Teammitglieder zu dir kommen, mit denen du dann arbeitest. Haben die schon so eine Erfahrung? Oder ist das für die eigentlich was völlig Neues? Wie ist es aus deiner Sicht, wenn du jetzt zum Beispiel auch auf die universitäre Ausbildung oder generell auf die Ausbildung blickst? Ist es eigentlich fachgerecht in den Bedürfnissen, wie ein großes Unternehmen wie TeamViewer zum Beispiel braucht, was an Fähigkeiten, an Skills entwickelt wird? Und mal ganz unabhängig davon nicht die Kenntnis der Typographie in allen ihren Klassenstufen und Geschichten, sondern mehr das Zusammenspiel, wie aus vielen verschiedenen Bausteinen ein ganzes Design werden kann.

Wolfram Nagel: Ähm, kleine Korrektur: Ich habe zweimal an derselben Hochschule studiert, die war aber zu dem Zeitpunkt tatsächlich an einem anderen Ort, weil die umgebaut wurde. Insofern kann man da auch als zwei sehen.
Gute Frage! Kann ich schwer beurteilen, weil ich schon eine Weile raus bin. Rückwirkend: Mein Studium war gut. An der Hochschule für Gestaltung in Schwäbisch Gmünd werden die Gestaltungsgrundlagen sehr gut vermittelt. Finde ich. Neutrale Beurteilung kann ich ja nicht vornehmen, weil ich die anderen Hochschulen nicht kenne. Ich kann nur sagen, ich fand es gut, was wir da gelernt haben und was die Studenten heute noch lernen. Wir haben viel mit Schwarz Weiß Typografie Formen bis zum Abwinken gemacht. Aber so eine Grundlage braucht es, glaube ich. Typografische Grundlagen schaden keinem Designer, egal ob er UX, Interaction oder was auch immer nachher wird.
Ich weiß nicht, ob man alle Schriftsysteme kennen muss. In ein Studium gehört so was rein. Also ich finde es schon richtig auch zu wissen, wo wir Designer herkommen oder was früher passiert ist. Und die UX gab es da ja nicht. Die klassische Gestaltung, das zu lernen. Ich darf seit vier oder fünf Jahren, seit ich da bin, Studenten betreuen.
Wir haben mittlerweile regelmäßig jedes Semester bis zu vier Studenten. Also ich habe vier Studenten und habe da natürlich auch unterschiedlichste Hochschulen und Leute kennenlernen dürfen, mit denen arbeiten dürfen. Manche kommen direkt von der Schule und studieren, manche haben eine Ausbildung davor, so wie ich es auch gemacht habe. Manche haben gearbeitet und dann studiert und dementsprechend sind die Skills auch anders.
Jemand, der direkt von der Schule kommt, ins Studium geht. Ich glaube, da fehlt einiges an Praxis. Keine Kritik, es kann ja nicht anders sein. Dazu sind so Praktika ja da. Also das lernen sie dann im Unternehmenskontext. Manche kennen Scrum schon, manche haben agil schon mal gehört. Um auf deine Frage zurückzukommen: Vielleicht würde es nicht schaden. Ich glaube, es ist nicht überall im Curriculum. Es würde vielleicht nicht schaden, so was wie Scrum oder Kanban, andere Frameworks in einem Semester mal anzureißen, um es mal gehört zu haben und mal auf eine Arbeit gelernt zu haben, es mal so gelesen zu haben. Das glaube ich, würde nicht schaden. Also bisschen Praxisbezug oder Aktualitätsbezug. Ich habe auch Studenten von der Hochschule in Ahlen regelmäßig, die haben vor vier oder fünf Jahren den Studiengang User Experience hochgezogen.
Ich war auch in Kontakt mit der, die das gemacht hat damals. Das fand ich ganz spannend. Früher war das Kommunikationsgestaltung und dann wurde es etwas digitaler, Interface Design. Und jetzt heißt es, glaube ich, wieder ein bisschen anders. Da hat sich auch, während ich studiert habe, zweimal, dreimal die Bezeichnung geändert. Aber es gibt auch die klassischen UX Design Studiengänge, die dann vermutlich ein bisschen, ohne wertend zu sein, moderner sind und auf diese Anforderungen mehr eingehen als die klassischen analogen Grafikdesign Studiengänge.

Christoph Luchs: Ausbildung ist ein Thema. Für Ausbildung braucht man auch Literatur. Du hast ein Buch geschrieben, Du hast es vorhin schon erwähnt. „Multi Screen UX Design“ in der englischen Fassung der Untertitel „Developing for a Multitude of Devices“. Wie bist du zur englischen Fassung gekommen? Zum Buch? Du hast es ja quasi, wenn ich das richtig mich erinnere, aus deiner Master Thesis heraus im Eigenverlag erst einmal veröffentlicht. Und wie ging es dann weiter? Weil das ist ja selten, dass man jetzt eigentlich eine Masterarbeit schreibt und dann kann man gleich ein Buch dazu herausbringen und dann wird das auch noch ein internationaler Bestseller in Fachkreisen.

Wolfram Nagel: Ob es ein Bestseller ist, weiß ich nicht. Danke. Hinterher weiß ich auch, dass das nicht geht. Ich dachte, das geht. Ich habe das Buch und das Thema im Grunde dreimal geschrieben, vielleicht sogar viermal, weil es kam aus der Diplomarbeit. Da habe ich eine praktische Anwendung, diese Trainer-Applikation, eine praktische Multi Screen Anwendung konzipiert, ohne mich mit der Theorie näher beschäftigt zu haben, einfach für diesen einen Use Case, sagen wir mal, mich damit beschäftigt, dann kam dieser Wunsch, das näher zu beleuchten.
Dann kam dieses iPhone und zwischen 2006 und 2010 auf, mich damit näher theoretisch zu beschäftigen und auch angrenzende Bereiche, also User Experience „About Face“ von Alan Cooper. Wie spielen die Personas in einen Kontext mit rein und das dann alles behandelt. Das war dann die Master Thesis, die war, glaube ich, ziemlich gut, gab auch eine gute Note.
Insofern kann ich das behaupten. Ich habe quasi seit 2005, als ich mit diesem Trainer Thema angefangen habe, immer dieses Thema immer drin gehabt. Seit jetzt, seit etwa 17 Jahren, wenn ich mich nicht verrechnet habe und ich wollte es auch nicht loslassen. Deswegen kam es von der von der Diplom Trainer Projekt so zu dem Master Thesis Thema und dann war das Thema fertig und Master Thesis abgegeben und das soll es jetzt gewesen sein?
Und eigentlich ist doch ganz gut, wir haben es ja schon in Buchform abgegeben. Lasst uns das doch als Buch rausbringen, ist ja schon da. Okay, gut, dann habe ich bei meinem damaligen Arbeitgeber, der Chef, Michael, an der Stelle, falls er das irgendwann  mal hört: Grüße! Danke dafür! Konnte ich ihn davon überzeugen, dass wir da ein Buch dazu machen. Ich habe das dann mit den Digi Pardon hieß die Firma damals, die haben sich mittlerweile umbenannt, das Buch im Eigenverlag herausgebracht. Es hat sich aber herausgestellt, dass man große Teile einfach noch mal für ein Buch anders aufbereiten muss, umformulieren muss, Informationen dazu packen muss und es auch keine Masterarbeit ist, sondern ein Buch für ein anderes. Nicht für den Professor, der das liest und benoten muss, sondern für Berufskollegen, die einen Mehrwert daraus ziehen können sollen. Das deutsche Buch Veröffentlichungsdatum, weiß ich gar nicht mehr genau. 2012 wird es gewesen sein. Elf zwölf okay, cool. Dann Buch geschrieben wollte ich, wer will das nicht? Und dann dachte ich, weiß ich nicht mehr, wie es dazu kam und dann das in Englisch zu haben wär doch auch ganz toll. Wir müssen es ja eigentlich nur übersetzen lassen.
Habe ich mir dann einen Verlag gesucht, gefunden, Exposes, den ganzen Prozess. Du hast auch schon Bücher geschrieben, weißt, wie das läuft. Und mit Harry Potter wird man reich. Ja, mit so einem Buch nicht, wenn man den Aufwand dagegen stellt. Aber ich habe viel gelernt. Super! Lange Rede, kurzer Sinn. Das war dann auch nicht so, dass man einfach das Deutsche ins Englische übersetzen muss. Dann kamen noch neue Themen dazu. Die wollte ich noch anhängen,  zwei neue Kapitel hinzu gemacht, Übersetzungen gemacht, mit dem Übersetzungsbüro umformuliert, ergänzt und im Grunde das Thema war dasselbe, die Kapitel mehr oder weniger auch, bis auf die zwei neuen. Aber ich habe das Buch im Grunde noch mal neu auf Englisch geschrieben und so kam es dazu, dass das dann 2005 war. Ich müsste die Jahreszahlen wissen, ich glaube.

Christoph Luchs: Ich weiß es. 2015.

Wolfram Nagel: Ja, danke, kam dann das englische Buch raus. Genau so kam’s von einem zum anderen, weil mich das Thema nicht losgelassen hat.

Christoph Luchs: Würdest Du es noch mal schreiben.

Wolfram Nagel: Ja, natürlich. Wenn ich jetzt anfangen müsste auf einem leeren Papier und ich sage, ich will ein englisches Buch zu dem Thema schreiben, nebenberuflich mit Family und Job kaum möglich, würde ich sagen. So wie es gelaufen ist, weil es ist ja so eine evolutionär sich von einer Diplomarbeit über eine Masterarbeit über ein deutsches Buch zu einem englischen Buch entwickelt hat. Super, würde ich genauso, glaube ich, wieder machen, weil der Zeitaufwand immer okay war. Gut, Freizeit war in der Zeit natürlich. Na ja, mein Tag hat 24 Stunden, man muss schlafen und arbeiten und dann kann man noch was anderes tun. Und dann habe ich halt Buch geschrieben, statt andere Dinge gemacht. Aber das war okay.

Christoph Luchs: Ja, im Nachhinein sieht das immer so wahnsinnig stringent aus. Und wenn man sich das dann hinterher genau im Detail anguckt, dann war das überhaupt nicht geplant. Und wie du schon sagtest, du hast dann das Buch quasi mehrfach neu geschrieben und bei meinen Büchern war das ähnlich, dass ich dann gemerkt hab: Nee, also das, was man an innovativen Ideen hatte, auch an Metaphern, die man vor drei, vier Jahren angewendet hat. Es gibt dann einfach bessere Sachen, bessere Ideen und die müssen einfach dann wieder neu beschrieben werden. Und dann muss vielleicht auch die Sichtweise neu angenommen werden oder ein neuer roter Faden gestrickt werden, der einfach ein bisschen dicker oder ein bisschen robuster oder neuer ist, um Geschichten zu erzählen. Und letztendlich auch ein Fachbuch muss ja auch gut erzählt sein, damit es dann erfolgreich ist, so wie Deins. Und interessant ist, finde ich, daher, dass man tatsächlich über Multi Screen als Thema zumindest UX Design als Oberthema dazu halt noch Bücher hat. Und es gibt ja eine ganze Menge Bücher, auch im Bereich Interface Design. Gibt es von dir einen Tipp, was man sich auf jeden Fall, wenn man sich mal mit dem Thema UX/UI beschäftigt, auf jeden Fall gelesen haben sollte. Außer natürlich Deinem Buch?

Wolfram Nagel: Meins natürlich unbedingt.  Ich werde, wenn jetzt jemand eins kauft, reich davon, kann mir ein Eis kaufen, so salopp gesagt.

Christoph Luchs: Die Kugeln werden auch jeden Tag teurer.

Wolfram Nagel: Ja, vielleicht reicht es gar nicht mal mehr für eine Kugel. [lacht] Es gibt so viele gute Bücher und ich hätte die gern alle auch schon gelesen. Und ich habe viele. Ich habe viele Bücher und ich habe es bei manchen gar nicht geschafft, alles zu lesen. Ich lese relativ viele Blogs, kurze Artikel tief in ein Thema rein. Was ich aber unbedingt empfehlen kann, ist die Book Apart Buchreihe. Da habe ich auch einige davon. Mobile First, da ist davon entstanden. Atomic Design ist mittlerweile wahrscheinlich schon im Antiquariat zu finden, weil unsere Profession sich so schnell weiterentwickelt. Aber immer noch, ich würde sagen Standardwerk und dann naja, jeder UI Designer sollte auch Research und mit UX allgemein sich beschäftigen und mir hat Jobs-to-be-done ungemein geholfen um Stakeholdern  und Kollegen zu erklären, müssen wir Designer oft nach wie vor, warum wir das tun, was wir das tun und dass wir das jetzt tun müssen. Da helfen wir die Jobs-to-be-done Metaphern oder das Mindeset dazu relativ gutes Buch von Tim Kalbach. Ich habe so ein Playbook, kann ich unbedingt empfehlen. „About Face“ man schon auch mal gelesen haben. Klassiker, gibt’s vermutlich mittlerweile neuere Version und ganz viel über Content Design sollte man kennen. Also, wenn ich UI mache, muss ich Content Struktur können, Content designen. Curran McRain kann ich da als Inspiration nennen. Es gibt so viele Bücher.

Christoph Luchs: Du hast shon eine ganze Menge genannt. Das ist doch ganz prima. Super. Da gibt es auf jeden Fall viel Anregung, sich damit zu beschäftigen und in diese tiefen einzusteigen. Ein Begriff werden wir nachher noch mal aufgreifen „Jobs-to-be-done“, aber vorher, glaube ich, wird es Zeit für ein Spiel.

Wolfram Nagel: Ja, gern. Ich bin gespannt.

Christoph Luchs: Du spielst auch gerne, oder spielst du noch Fußball? Oder guckst du mehr Fußball?

Wolfram Nagel: Ich spiele gerne Fußball, aber ich spiel gerade nicht wirklich. Ich würde es nicht als aktiv bezeichnen. Hin und wieder mit Freunden, aber nicht mehr aktiv.

Christoph Luchs: Wir spielen das AB Spiel. Du bekommst zwei Begriffe und darfst dich für einen Begriff entscheiden. Wenn ich sage Hund oder Katze, dann sagst du …

Wolfram Nagel: Katze.

Christoph Luchs: Prima. Du hast die Regeln bereits verstanden. Wenn es eins dieser Begriffe nicht ist oder sein sollte, darfst du dir einen dritten Begriff ausdenken als Alternative. Das ist unsere besondere Regel im AB Spiel. Okay, dann fangen wir mal an!
Hell oder dunkel.

Wolfram Nagel: Hell.

Christoph Luchs: Hellblau oder himmelblau.

Wolfram Nagel: Gibt’s ’nen Unterschied? Hellblau.

Christoph Luchs: Aufstehen oder liegenbleiben.

Wolfram Nagel: Aufstehen.

Christoph Luchs: Wecker oder Smartphone.

Wolfram Nagel: Zum Aufstehen tatsächlich der Wecker. Klassisch.

Christoph Luchs: Vogelgezwitscher oder Radio.

Wolfram Nagel: Vogelgezwitscher.

Christoph Luchs: Eule oder Lerche.

Wolfram Nagel: Lerche.

Christoph Luchs: Radio oder Playlist.

Wolfram Nagel: Playlist.

Christoph Luchs: Musik oder Podcast.

Wolfram Nagel: Hm. Oh. Kommt drauf an. Ich höre extrem viel Podcast, deswegen, ich höre,  glaub ich, mehr Podcast. Aber ich würde auf Musik nicht verzichten wollen, deswegen will ich mich jetzt nicht entscheiden.

Christoph Luchs: Lieblingssongs oder Playlist des Tages.

Wolfram Nagel: Lieblingssongs.

Christoph Luchs:  Spotify oder Apple Music.

Wolfram Nagel: Spotify.

Christoph Luchs:  Laut oder leise.

Wolfram Nagel: Boah, kommt drauf an, im Zweifel lieber etwas lauter.

Christoph Luchs: Ruhig oder lebendig.

Wolfram Nagel: Kommt total auch drauf an, wow! Könnte man sagen, ich will die Ruhe. Aber trotzdem lebendig.

Christoph Luchs: Frühsport oder Spaziergang?

Wolfram Nagel: Spaziergang.

Christoph Luchs: Durch den Wald oder über das Feld.

Wolfram Nagel: Durch den Wald.

Christoph Luchs: Mountainbike oder Gravel?

Wolfram Nagel: Mountainbike, das war einfach.

Christoph Luchs: Nach Plan oder ins Blaue.

Wolfram Nagel: Nach Plan ins Blaue [lacht]. Also pragmatisch einfach mal machen, aber ganz ohne und auf Veränderungen gefasst sein und es auch machen. Weil planen geht eh nie auf, wie er geplant war aber ganz ohne ’nen Plan ins Blaue rein, ist auch nicht gut, deswegen tatsächlich nach Plan ins Blaue.

Christoph Luchs: Das merken wir uns. Super. Schwäbische Alb oder Norditalien.

Wolfram Nagel: Ich wohn ja da und ich war dieses Jahr in Norditalien im Urlaub am Comer See. Sehr schön da. Trotzdem gefällt es mir hier ganz gut, deswegen: Ich bleibe auf der Schwäbischen Alb.

Christoph Luchs: Mailand oder Madrid.

Wolfram Nagel: Egal, Hauptsache Fußball.

Christoph Luchs: [lacht]
Wolfram Nagel: Nee, nee, nee, nee. Oder nee, hauptsache Italien, so war die Antwort. Nein. Lothar Matthäus, trotzdem Mailand. Da war ich schon mal.

Christoph Luchs: Stuttgart oder Schwäbisch Gmünd.

Wolfram Nagel: Gemein! Schwäbisch Gmünd. Ich habe da 15 Jahre meines Berufs- und Studium-Lebens verbracht.

Christoph Luchs: Stuttgart oder Glasgow.

Wolfram Nagel: Wow, Du hast dich informiert. Glasgow. Natürlich.

Christoph Luchs: Brot oder Brötchen.

Wolfram Nagel: Brot. Ist ja was anderes. Ach so ja, klar heißt bei uns: Brötchen sind bei uns Wecken.

Christoph Luchs: Süß oder herzhaft.

Wolfram Nagel: Kommt drauf an zum Nachtisch, dann braucht es schon, aber herzhaft.

Christoph Luchs: Nutella oder Honig.

Wolfram Nagel: Nutella.

Christoph Luchs: Ei oder kein Ei.

Wolfram Nagel: Wir haben Hühner, aber ich brauche nicht jeden Tag ein Ei. Deswegen, komm,  ein Ei.

Christoph Luchs: Weich oder hart.

Wolfram Nagel: Das Ei dann ähm, weich.

Christoph Luchs: Espresso oder Filterkaffee.

Wolfram Nagel: Kein Kaffee, Tee.

Christoph Luchs: Tee oder Kaffee.

Wolfram Nagel: Tee.

Christoph Luchs: Tee oder Wasser.

Wolfram Nagel: Tee.

Christoph Luchs: Still oder mit Kohlensäure.

Wolfram Nagel: Still.

Christoph Luchs: Medium oder laut.

Wolfram Nagel: Medium oder laut. Man versucht immer den zu überlegen, wo das in welche Bereiche das reinspielt. Medium oder laut? Medium.

Christoph Luchs: Dafür ist das Spiel gedacht. Kopfhörer oder Boxen.

Wolfram Nagel: Boxen.

Christoph Luchs: In Ear oder On Ear.

Wolfram Nagel: Oh, In Ear.

Christoph Luchs: Pop oder Rock.

Wolfram Nagel: Rock.

Christoph Luchs: Rock oder Metal.

Wolfram Nagel: Ah ja, kommt jetzt drauf an, was für ein Metal. Wenn ich an meine Sturm und Drangzeit denke, würde ich sagen Metal.

Christoph Luchs: Rock oder Rap.

Wolfram Nagel: Oh, Rock.

Christoph Luchs: Rap oder HipHop.

Wolfram Nagel: Beides nicht so meins. Einfach egal.

Christoph Luchs: Old School oder New School.

Wolfram Nagel: Was ist denn New School? Musik? Ich bin mittlerweile ich habe eine Ader, dass ich Old School gut finden kann.

Christoph Luchs: Analog oder digital?

Wolfram Nagel: Wow. Ja, schon digital. Wobei es mich nicht per se, also trotzdem digital.

Christoph Luchs: Bleistift oder Füller.

Wolfram Nagel: Bleistift.

Christoph Luchs: Lamy oder Geha?

Wolfram Nagel: Ich war so stolz auf meinen Lamy damals. Deswegen Lamy unbedingt.

Christoph Luchs: Bleistift oder Apple Pen.

Wolfram Nagel: Bleistift.

Christoph Luchs: Paper Prototyp oder Klick Prototyp.

Wolfram Nagel: Paper, geht schneller.

Christoph Luchs: Figma oder Adobe xD.

Wolfram Nagel: Ja, Glaubensfrage. Wir haben beides. Wir stellen gerade um.

Christoph Luchs: Von was auf was?

Wolfram Nagel: Wir kommen von InVision über xD zu Figma. Und die Umstellung finde ich gut. Deswegen, Figma gerne. Mal gucken, was aus Figma wird jetzt Adobe Figma, ne?

Christoph Luchs: Adobe hat’s gekauft und alle haben geschrieen.

Wolfram Nagel: Ich habe auch noch Macromedia, kennst du auch noch? Ne, wir sind ähnlich alt. Macromedia Freehand und so und die ganzen Geschichten.

Christoph Luchs: Ja ja, Page Maker Freehand und was da noch dazwischen kam.

Wolfram Nagel: InDesign. Ich dachte mir damals, wie können die mit InDesign, das können die niemals einholen. Jetzt guck mal, wo wir heute sind. Gibt’s Quark noch, weiß ich nicht?

Christoph Luchs: Ja, es gibt sie noch. Genau. Machen wir weiter: InVision oder Figma?

Wolfram Nagel: Na ja. Figma.

Christoph Luchs: Web Flow oder Figma.

Wolfram Nagel: Lass mal einfach Figma jetzt gewinnen.

Christoph Luchs: Illustrator oder Sketch.

Wolfram Nagel: Illustrator.

Christoph Luchs: Gut! Zeichnen oder malen.

Wolfram Nagel: Zeichnen.

Christoph Luchs: Zeichnen oder radieren.

Wolfram Nagel: Zeichnen.

Christoph Luchs: Notizbuch oder Whiteboard.

Wolfram Nagel: Kommt drauf an, ob für mich selber oder in der Kollaboration mit Kollegen. Da würde ich, wenn wir jetzt wieder Whiteboarding Tool da für das Whiteboard, dann würde ich Whiteboard nehmen, wenn es Whiteboard, das Ding, das an der Wand hängt, ist, dann würde ich Notizbuch sagen. Aber ich sage jetzt mal als digitale Whiteboard ohne Namen zu nennen.

Christoph Luchs: Papier oder Touchscreen.

Wolfram Nagel: Na ja, was haben wir öfter in der Hand heutzutage. Ich bin jetzt mal oldschool, habe ich ja vorhin mir rausgenommen. Deswegen sage ich jetzt einfach Papier, auch wenn ich ein Buch über Multi Screen und Touch und Zeugs geschrieben habe. Aber ich sage einfach Papier.

Christoph Luchs: Second Screen oder Second Life.

Wolfram Nagel: Ach, das war das! Nee, unbedingt Second Screen. Da gibt es ein Kapitel in meinem Buch, deswegen.

Christoph Luchs: Mixed Reality oder Metaverse?

Wolfram Nagel: Mixed Reality.

Christoph Luchs: Avatar oder Persona.

Wolfram Nagel: Persona.

Christoph Luchs: Persona oder Imperfekt Persona?

Wolfram Nagel: Imperfekt Persona.

Christoph Luchs: Use Case oder Szenario.

Wolfram Nagel: Jobs-to-be-done.

Christoph Luchs: [lacht] User Experience oder Ergonomie.

Wolfram Nagel: User Experience.

Christoph Luchs: Affordanz oder Intuition.

Wolfram Nagel: Affordance.

Christoph Luchs: Mensch-Maschine oder HMI.

Wolfram Nagel: Doch das selbe. Deutsch Mensch-Maschine, Mensc- Maschine, deutscher Podcast.

Christoph Luchs: [lacht ]Bedienoberfläche oder Interface.

Wolfram Nagel: Eieiei Interface.

Christoph Luchs: UI oder HMI.

Wolfram Nagel: UI.

Christoph Luchs: UI oder UX?

Wolfram Nagel: Beides. Denn das eine geht nicht ohne das andere, das eine bedingt das andere. Deswegen wäre eine Antwort der jeweiligen Disziplin nicht gerecht. Sorry.

Christoph Luchs: GUI oder Screen Design.

Wolfram Nagel: GUI.

Christoph Luchs: High Glossy oder Flat.

Wolfram Nagel: Ich antworte zu wenig AB, ne? Sorry, zwischendrin Skeuomorphism und das ganze Thema deswegen, Flat.

Christoph Luchs: Den Begriff, den klären wir gleich. Brush Metal oder Wolkenmarmor.

Wolfram Nagel: Sagt mir beides. Ich oute mich nicht mal, ich habe nicht mal eine Ahnung, in welche Richtung es geht. Deswegen Brush Metal hört sich gut an, aber keine Ahnung was das ist.

Christoph Luchs: Flat Design oder Skeuomorphism. Das war der Begriff.

Wolfram Nagel: Ja, ich kann es nicht aussprechen. Ich weiß.

Christoph Luchs: [lacht] Es ist ein schöner Zungenbrecher.

Wolfram Nagel: Es kommt in meinem Buch sogar vor, der Begriff. Aber ich weiß nicht, wie man es ausspricht. Ähm, weder noch. Weder das eine noch das andere Radikale. Flat ist, glaube ich, einfach zu bedienen. Und wir brauchen aus dem Buch Metapher im Digitalen nicht mehr. Aber zu flach, es nicht gut bedienbar. Deswegen Flat Skeuomorphism. Keine Ahnung.

Christoph Luchs: Okay, rund oder eckig.

Wolfram Nagel: Kommt ganz drauf an, rund.

Christoph Luchs: Outline oder solid.

Wolfram Nagel: Kommt auch drauf an, Outline.

Christoph Luchs: Icon oder Piktogramm.

Wolfram Nagel: Icon.

Christoph Luchs: Agiles Design oder Design Thinking.

Wolfram Nagel: Agiles Design.

Christoph Luchs: Design Sprint oder Fast Finish.

Wolfram Nagel: Oh, Fast Finish.

Christoph Luchs: Team Member oder Team Viewer.

Wolfram Nagel: [lacht] Beides.  Na klar, Team Viewer. Aber ohne Team geht es nicht.

Christoph Luchs: Das war eine Fangfrage. Videokonferenz oder Fernwartung?

Wolfram Nagel: Beides wichtig, beides sinnvoll. Ich arbeite in einem Remote Control Produkt, deswegen nehme ich das, obwohl wir ohne Videokonferenz, glaube ich, nicht da wären, wo wir heute wären.

Christoph Luchs: Email oder Chat.

Wolfram Nagel: Kommt drauf an, Chat.

Christoph Luchs: Chat oder Brief.

Wolfram Nagel: Ja, Chat.

Christoph Luchs: Brief oder Besuch.

Wolfram Nagel: Oh, Besuch.

Christoph Luchs: Großmutter oder Großvater.

Wolfram Nagel: Gemein! Beide.

Christoph Luchs: Großmutter oder Grandma.

Wolfram Nagel: Großmutter.

Christoph Luchs: Milieu oder Szene.

Wolfram Nagel: Szene.

Christoph Luchs: Sweat oder Swat.

Wolfram Nagel: Kenn ich nicht. Ich kenne dieses Wort zwar, aber sweat.

Christoph Luchs: 80-20 oder 120 %.

Wolfram Nagel: 80-20. Hättest Du mich vor 15 Jahren gefragt, hätte ich etwas anderes geantwortet. 80-20 definitiv.

Christoph Luchs: Wirtschaftlich oder exzellent.

Wolfram Nagel: Designer und wirtschaftlich und exzellent und perfekt. Ist so ein Ding. Exzellent. Also ja, aber jegliche Exzellenz ohne Wirtschaftlichkeit hat in 99 % der Fälle, gibt es dann halt keinen Sinn. Wirtschaftlichkeit über Exzellenz erreichen. So, jetzt.

Christoph Luchs: Wirtschaftlichkeit durch Exzellenz. Ja, das ist.

Wolfram Nagel: Genau.

Christoph Luchs: Ein guter Slogan. Wer gerade mal zuhört. Jobs-to-be-done oder fertig machen.

Wolfram Nagel: Na ja, gemeine Frage natürlich fertig machen. Aber natürlich auch Jobs-to-be-done, deswegen mit Jobs-to-be-done sich die Basis schaffen. Schneller fertig machen um das Richtige machen zu können. Sorry für die nicht AB, aber das musste sein.

Christoph Luchs: Prima. Danke für das Spiel. Danke, dass du mitgemacht hast.

Wolfram Nagel: Danke meinerseits. Hat total Spaß gemacht. Ich könnte das jetzt noch zwei Stunden machen. Es macht unheimlich Spaß, sich da kurz zwei Begriffe. Ja, super. Danke.

[Musik]

Christoph Luchs: Schnelles Denken – langsames Denken, das ist das, worauf sich das Spiel beruft, gründet oder basiert. Und da geht es tatsächlich darum, dass wir uns ja täglich auch um schnelle Entscheidungen kümmern, damit wir einfach das Hirn entlasten und sagen Nee, also komplexere Sachen, da nehme ich mir Zeit. Aber ob ich jetzt Brot oder Brötchen nehme, das entscheide ich innerhalb von Sekunden oder versuche es zumindest.
Wie Du in den einzelnen Fragen gesehen hast, habe ich da auch deine Design Methoden untergebracht. Ein“ Letter to Grandma“ beispielsweise war für mich ein sehr schöner Begriff für eine Design Methode, die du auf deiner Website „Designmethodenfinder.de“ zusammengetragen hast. Wie bist du denn eigentlich auf diese Idee gekommen, dazu eine Webseite zu machen und was ist denn der Letter to Grandma?

Wolfram Nagel: Das ist sehr gut recherchiert. Hut ab. Das ist auch so ein Studenten-Ding, das mich nicht losgelassen hat. Im Masterstudium waren wir eine Gruppe von zehn Leuten, drei, vier ganz coole Jungs, Designer, getroffen, kennengelernt und da hatten wir im ersten Semester, ich weiß nicht mal mehr, was die Aufgabe war. Wir haben die, glaubeich, einfach nicht bearbeitet. Lange Rede kurzer Sinn: Aus dem ersten Semester ist der Designmethodenfinder entstanden. Damals in, glaube ich, Flash, darf man sagen, programmiert, also umgesetzt. Flash ist ein Programmiertool. Wir mussten uns mit Methoden beschäftigen und Methoden Cluster finden und kamen wir relativ schnell auf die Idee: Lass uns das doch techen finden. Und so weiter. Und dann habe ich wiederum über meinen damaligen Chef, mit dem ich auch dieses Buch im Eigenverlag rausgebracht habe, das Deutsche, als Sponsor gewinnen können, um das von Flash in HTML umsetzen zu lassen von einer Agentur. Der war ursprünglich deutsch. Das habe ich noch mit den Kollegen zusammen gemacht. Die sind jetzt nicht mehr aktiv, aber das Konzept und alles, Credits geht an die drei anderen Jungs, haben wir zusammen entwickelt und ich habe es dann weitergetrieben. Ich habe Geld besorgt von der Umsetzung und wir haben mittlerweile die dritte oder vierte Version draußen auf Englisch.
Alles übersetzt, jetzt auch, mit 78 Methoden, um Methoden zu finden, die man noch nicht kennt. Die man mal benutzen kann. Wenn man immer Brainstorming macht, mal was anderes machen will, kann man da ähnliche Methoden oder ergänzende Methoden finden. Und man kann auch den Suchschlitz mit Begriffen, Schlagwörtern füllen. Es gibt Vorschläge für Suchbegriffe, man kann aber auch Volltextsuche machen und dann werden entsprechende Methoden ausgegeben.
Super, super nützlich benutze ich auch manchmal, wenn ich mal eine andere Methode benutzen will. Und da ist dieser entstanden und mittlerweile in der dritten oder vierten Version draußen. Letter to Grandma. Witzigerweise hast du die rausgesucht. Das ist eine Methode, die wir von dem damaligen Professor bekommen haben, um unseren Designmethodenfinder mit einer neuen Methode zu füllen. Ich weiß nicht, ob es die offiziell gibt, aber die fanden wir cool. Die Aufgabe ist einfach schnell das Thema zusammenzufassen. Stell dir vor, du schreibst einen Brief an deine Oma. Das ist die Methode. Also kurz, kompakt, was zusammen. Vielleicht ähnlich wie Elevator Pitch, ne? So Geschichten, fass mal schnell zusammen.

Christoph Luchs: Letter to Grandma. Ich fand das sehr, sehr schön, weil das ganze eine sehr komplexe Aufgabe vielleicht auf eine ganz irdische Ebene herunterbricht, so man mit ganz simplen Worten an einer völlig andere Zielgruppe, die kein Denglisch kann, keine Fachbegriffe versteht, die auch sonst nicht unbedingt so technikaffin ist, der man das halt einfach erklären soll. Wobei wir jetzt nicht alle Großmütter hier bashen wollen, dass sie keine Technik beherrschen. Das ist nicht wahr.
Aber Letter to Grandma finde ich eine sehr schöne Methode, genauso wie die Imperfekt Persona, für die du dich gerade entschieden hast. Wie kommt es denn dazu?
Personas um das noch mal auszuführen, sind im Prinzip ja stellvertretende Rollen, in die man hineinschlüpfen kann, die verschiedene Situationen haben. Zum Beispiel eine Website. Man besucht eine Website und möchte zum Beispiel eine Reise buchen, aber die einen möchten eine Firmenreise buchen für die gesamte Belegschaft, der nächste macht einen Single Urlaub und die nächsten sind zum Beispiel eine Familie, die entsprechend eine Reise buchen möchten und ein Ziel suchen. Jeder hat eine andere Intention, jeder hat einen anderen Wissensstand,  einen anderen kulturellen Umraum und damit natürlich auch einen anderen Erfahrungsschatz, um relativ schnell unter Zeitdruck eine gewisse Aufgabe zu bewältigen. Und das ist die klassische Herangehensweise bei Personas.
Wie kommt es jetzt eigentlich dazu, dass man daraus sozusagen noch eine Methode entwickelt hat, nämlich diese Imperfekt Persona?

Wolfram Nagel: Hm, ich glaube, es gibt noch mehr Persona Varianten. Wir nutzen bei uns im Unternehmen seit langem die Proto Persona, wird sie genannt. Die Imperfekt persona, weiß ich nicht mehr, wie ich auf die gestoßen bin. Ich habe mich viel mit Methoden beschäftigt, deswegen auch der Methodenfinder. Und wenn mir gute Methoden über den Weg laufen sozusagen oder wenn ich auf Methoden stoße, nehme ich die dann auf. Die habe ich gefunden, auf UXMastery.com. Ich bin gerade auch auf der Seite und ich fand die ganz gut, weil es besteht die Gefahr, dass man per Personas zu perfekt macht und quasi sich seine ideale Persona zurecht definiert. An der Realität vorbei. Wir arbeiten auch mit Personas. Ich weiß, dass es dazu unterschiedliche Meinungen in der UX Community gibt. Ich finde es sinnvoll, wenn man es richtig einsetzt im Kontext mit Jobs-to-be-done, by the way, und die Imperfekt Persona hat die Idee dahinter, dass in Persona, dass kein Mensch da draußen perfekt ist und dass es die Persona, wie sie definiert wird, in der Form nicht gibt. Die hat Schwächen, irgendwas passt halt nicht und das ist die Imperfekt Persona, um dem ganzen so ein bisschen menschlicheren Touch zu geben und nicht diese technische perfekte, lehrbuchmäßig, nach welche Dinge muss ich ausfüllen und definieren, um die perfekte Persona zu haben, um dem so ein bisschen aus dem Weg zu gehen, näher an den Menschen zu sein und sich dessen bewusst zu machen, dass es die Persona schlechthin eh nicht gibt. Und die fand ich ganz gut, als ich die gefunden habe in einem Newsletter über Suche. Ich weiß jetzt nicht mehr, wie die auf mich gestoßen ist oder ich auf sie.

Christoph Luchs: Konntest du sie denn einmal praktisch anwenden?

Wolfram Nagel: Nee, wie gesagt, wir arbeiten mit Proto Persona, aber es spielt so im Hinterkopf mit. Bzw. es ist, wenn man nicht so dogmatisch mit einer Persona arbeitet, dann sind alle Persona steht ja repräsentativ für Nutzer. Und wir haben in unserem Research Tool, das wir entwickelt haben, haben wir eine Datenbank mit Leuten, die gewisse Eigenschaften haben und die weichen ja alle in irgendeiner Form, also suchen Leute für Research, die zur Persona passen, weil wir über die Persona definieren, was wir was für Produkte wir entwickeln, für welche Art Nutzer.
Und die Leute, die entsprechen alle der Persona, aber sind alle nicht perfekt. Deswegen haben wir die Imperfekt Personas quasi durch die Menschen, mit denen wir arbeiten, vielleicht, aber ich habe die Methode an sich so noch nicht explizit angewandt.

Christoph Luchs: Ist das nicht etwas, was Designer immer wieder antreibt, wenn sie Konzepte erarbeiten, auch im Team? Das ist also auch ein durchaus ein Team Phänomen, finde ich, dass Designer, Kreative dann dazu neigen, sich Personas auszudenken, die natürlich genau das Konzept erfüllen, natürlich die verschiedenen Sichtweisen beleuchten, aber dass das natürlich immer alles so unglaublich nahtlos ineinander passt und dass eigentlich schon bei der Vorstellung von Use Cases und Personas, dass da meistens schon dieser Hauch der Perfektion rüber weht, als ob man jetzt gerade etwas verkauft bekommt. Und man weiß ganz genau, in der Praxis funktioniert es eigentlich nie, oder da gibt es garantiert auch Schwachstellen. Ist das etwas, was du auch beobachtest? Ist das vielleicht dann eine Methode, diese Unperfektion mit hinein zu streuseln in den Kuchenteig? Und ist das etwas, was man eigentlich grundsätzlich auch lernen sollte und was vielleicht auch so ein bisschen Lebenserfahrung darstellt?

Wolfram Nagel: Also es besteht die Gefahr, dass man sich in seine Persona verliebt und die so perfekt gestaltet, dass die halt dann eben nicht der Realität mehr entspricht und alles optimiert wird. Und Personas sind ja auch nicht dazu da, um so schön jetzt ausdrucken, Rahmen drum, an die Wand hängen. Sie dienen eher als Orientierung. Und die sind dann, glaube ich, auch einigermaßen langlebig, wenn man nicht zu dogmatisch damit arbeitet und Abweichungen zulässt, oder ja, passt nicht ganz genau. Vielleicht so 80-20. Mensch, Nutzer, der 80-20 auf die Persona trifft, ist auch die Persona oder eine inperfekte Persona von der Definition, die ich mir ausgesucht habe. Die Gefahr besteht, das ist auch die Kritik an Persona, die berechtigt ist. Ich finde die Methode an sich trotzdem sinnvoll, um den Menschen im Team, in der Diskussion zu haben, ihn sich vorstellen zu können. Jede Persona, Gender und so, und Alter nicht überhaupt gar nicht relevant, weil die haben ein Bedürfnis, einen Job to be done und die müssen irgendwas erledigen. Aber sobald eine Persona definiere und ein Bild zu raussuche, um die greifbar zu machen in den Teamdiskussionen, ist halt Mann, Frau, alt, jung. Aber es ist eigentlich gar nicht wichtig.
Was die tun wollen ist wichtig und es kann sein, ein sechsjähriges Kind hat das gleiche, dasselbe oder das ähnliche Bedürfnis wie nen 60-jähriger und dann ist das Alter egal und die Skills sind vielleicht auch dieselben, IT-Skills können dieselben sein. Ist nicht dieselbe Persona. Und da gibt es ja diese radikale Ansichtsweise mit Jobs-to-be-done braucht man keine Personas mehr.
Könnte man jetzt auch einen eigenen Podcast dazu machen. Hatte ich vor acht oder neun Jahren eine Diskussion auf Twitter mit Kollegen. Sehe ich auch nicht so, in Kombination finde ich gut, aber da gibt es auch nicht richtig oder falsch. Es sind auch andere Ansichten vollkommen okay und argumentativ auch okay. Jeder braucht sein Werkzeug, das ihm weiterhilft.

Christoph Luchs: Absolut. Und die Persona an sich, um das mal abzuschließen, ist ja auch eine Methode, um einfach mal eine andere Perspektive zu eröffnen. Also dass ich eben nicht aus meiner persönlichen Argumentation heraus sage, ich will das so haben, weil ich mir die Welt so vorstelle und ich baue sie mir jetzt als Gestalter. Und endlich darf ich in meiner beruflichen Umgebung die Welt verändern und dann mache ich das auch noch, sondern dass ich sage, ich gestalte für andere Menschen und deren Sichtweise nehme ich ein, einen Perspektivwechsel, dass ich den quasi bewusst zumindest gedanklich herbeiführen, auch wenn ich vielleicht nicht in die Situation komme, es mal machen zu müssen, in Realität, aber, dass ich zumindest im Konzept diese verschiedenen Perspektiven einmal einnehme, vor der Umsetzung und bevor ich in die eigentliche Umsetzung gehe und mir nicht sozusagen hinterher noch tolle Erfolgsgeschichten sozusagen ausdenke und danach vielleicht noch die Personas finde. Also quasi das Pferd von hinten aufzäumen, sondern dass ich das möglichst in dem Konzept frühzeitig mit angehen.

Wolfram Nagel: Personas erstellt man nicht einfach so, sondern die basieren auf Kundengesprächen, Erkenntnissen, die man aus Research hat. Und dann destillieren sich die einzelnen Personas heraus. Und die sollten sich auch stark unterscheiden. Also wir haben natürlich viele verschiedene Arten von Nutzern. Aber ich kann nicht mit 20 Personas arbeiten und wir haben fünf Personas repräsentativ, die sich ganz stark unterscheiden. Die sind entstanden aus dem, was wir von unseren Kunden und Nutzern wissen. Ganz wichtig. Und es hilft eben extrem, die andere Perspektive einzunehmen und nicht nur aus Entwickler oder Designer Sicht, weil das ist einfach you are not der User und Punkt. Deswegen braucht es diese Perspektive. Und da sind Personas ein gutes Tool dazu. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten.

Christoph Luchs: Genau. Und einer hast du erwähnt Jobs-to-be-done. Erklär doch mal kurz für jemanden, der das noch nie gehört hat, was verbirgt sich dahinter? Vielleicht kannst du ja auch ein Beispiel nennen, wie ihr das bei TeamViewer einsetzt in der Entwicklung.

Wolfram Nagel: Jobs-to-be-done wird oftmals als Methode beschrieben. Für mich ist es eher ein Mindset. Natürlich gibt es Vorgehensweisen, da gibt es auch unterschiedliche Strömungen, teilweise kontroverse. Da finde ich das Buch von Tim Kalbach ganz gut, der das Ganze auf eine pragmatische Weise zusammengeführt und runtergebrochen hat. Jobs-to-be-done: Jeder Mensch hat einen Job-to-be-done. Alles, was wir tun, hat irgendetwas, das wir danach erreicht haben wollen. Wenn der Job erledigt ist, dann ist er gedone, das lässt sich jetzt schwer mit Deutsch Englisch machen). Ich nehme jetzt die Beispiele, die ich in meinen Vorträgen und Slides immer verwende. Ich kann eine Geschichte erzählen, die ich aus einem Artikel habe. Eine Mutter hat mit ihrer Tochter geredet und die Tochter hat zur Mutter gesagt: „Mama, ich möchte Schwimmflossen zum Geburtstag. Aber Schwimmflossen interessiert mich überhaupt nicht.“ Komisch, du willst Schwimmflossen, aber interssiert dich nicht. Dann hat die Mutter mit ihrer Tochter sozusagen Research gemacht. Sie hat mit ihrer Tochter geredet und hat rausgefunden, dass die Tochter sich wie eine Meerjungfrau fühlen will oder eine Meerjungfrau spielen will. Und dazu: „People hire a product to get a job done“. Und sie hired quasi diese Flossen, um eine Meerjungfrau zu sein. Wenn ich das weiß, was der eigentliche Job ist, wenn ich jetzt ein Schwimmflossen-Anbieter bin, kann ich meine Schwimmflossen so viel optimieren, wie ich möchte. Wenn aber ein anderer diese Meerjungfrauen besser verstanden hat, ein andere Wettbewerber und Schwimmflossen für diese Meerjungfrauen, die sehen dann ganz anders aus, sie haben so ein schwanzartiges, fischartiges Ding und sie ist dann nur eine Flosse für beide Füße, dann kaufen die Meerjungfrauen alle diese Flossen. Und wenn es jetzt ein großer Anteil am Markt ist, dann mache ich weniger Umsatz. Und darum geht es, diesen Job zu erkennen.
Nur wenn die Mutter das weiß, kann sie das bestmögliche Geschenk für die Tochter kaufen zum Geburtstag. Können Schwimmflossen sein, kann aber auch ein Meerjungfrauen-Kostüm sein, erfüllt den Job genauso. Und das ist Job to be done. Ich muss wissen, was die Leute tun wollen. Ich muss wissen, warum Leute TeamViewer benutzen. Welche Jobs die haben, sich remote auf eine Bohrinsel verbinden, dass sie da nicht rausfahren müssen. Nein, ich nehme die Granma, der ich schon den Letter vorher geschrieben habe, der helfen, das Word-Dokument auszudrucken. Dazu benutze ich TeamViewer, ich kann aber auch das Rad nehmen und zur Oma hinfahren. Dann verkaufen wir unser Produkt nicht. Aber das ist der Job, den die Leute erledigt bekommen wollen. Und wenn ich das weiß, dann kann ich entsprechen, dass ist absolute Nutzerzentrierung, wie es kaum besser vorstellbar ist aus meiner Sicht. Wenn ich das weiß, kann ich entsprechend Funktionen, Lösungen mir überlegen. Unterhalb dieses Jobs gibt es dann noch Bedürfnisse oder Outcomes.
Da gibt es verschiedene Begriffe im Feld. Ich benutze den Begriff „Needs“, „User Needs“ oder Bedürfnisse. Der Job muss definiert sein. Ich möchte mich wie eine Meerjungfrau fühlen. Ich möchte Musik hören. Ich möchte über den Fluss kommen. Dann kann ich mir mögliche Lösungen überlegen. Das kann eine Brücke sein. Zu mir kommen oft Kollegen sagen: „Ich brauche eine Brücke von dir.“ Dann sage ich: „Stopp! Moment, das ist schon die Lösung. Schon das Feature. Ich möchte aber nicht über ein Feature reden, denn ich möchte wissen, warum du eine Brücke von mir möchtest.“ Dann sagt der immer: „Ja, ich möchte über den Fluss.“ Okay, möglich wäre auch ein Floß oder irendwas anderes. Oder vielleicht auch die Brücke. Ich kann ja sogar die Brücke nur bauen, wenn ich weiß, wer (Persona), wer Nutzer, wie oft, warum über den Fluss muss. Vielleicht stellt sich heraus, er muss gar nicht über den Fluss, weil das, was er tun will, kann er auf der anderen Seite machen. Und das ist Nutzerzentriertheit und dann kann ich anfangen. Das ist die Basis für Research. Dieses Mindset braucht es und alles, was danach kommt, führt zu sinnvollen Lösungen und Produkten. Wenn ich den Job nicht kenne, was mache ich dann? Also dann kann ich ja gar kein Produkt entwickeln. Also ich muss den Job kennen, den die Menschen haben, die Bedürfnisse, die dazu gehören oder die da um diesen Job herum angesiedelt sind. Ich muss wissen, welche Priorität und Relevanz diese Bedürfnisse für die jeweilige Zielgruppe oder für die Nutzer hat. Wenn ich das weiß und priorisiert habe, dann kann ich Ideen und Lösungen generieren, nicht davor. Deswegen ist Job to be done essenzielle Basis für meine Arbeit, um überhaupt irgendwas zu erschaffen. Weiß nicht, ob es das jetzt erklärt. Ich bin ein bisschen abgeschweift, weil ich zu dem Thema Bände reden könnte und ich habe versucht, es möglichst kurz zu halten. Ich hoffe, das ist mir gelungen.

Christoph Luchs: Ich konnte dir ganz prima folgen und dabei kamen mir auch gleich Assoziationen in ganz andere Richtung, um das mal auf andere Ebenen runterzubrechen. Wenn es jetzt vielleicht nicht um große Kundengruppen geht, aber zum Beispiel wenn, ich sage mal, der klassische Einzelunternehmer/Unternehmerin, zu dem Menschen geht seines Vertrauens, der irgendwas mit Computer kann, dann heißt es ja auch: „Machen wir mal einen Flyer.“ Und eigentlich meint er gar keinen Flyer, sondern einen Folder. Und wenn er dann ein Folder in der Hand hätte, hätte aber noch lange nicht sein Problem gelöst, nämlich Kunden zu akquirieren. Und die Kunden kommen vielleicht gar nicht über den Folder in sein Geschäft, in sein Ladengeschäft beispielsweise oder auf seine Website, weil es an sich schon Medienbruch bedeutet und andere Dinge. Also das heißt, dort könnte man mit diesem Ansatz ja ganze Ketten von Logiken, die es eigentlich so offensichtlich gibt, komplett aufbrechen und sagen: „Wir müssen mal grundlegend nachdenken.“ Ist es nicht etwas, was häufig gern aus Zeitgründen nach hinten geschoben wird?
Ich fange jetzt mal im ganz Groben an, auch im Produktmanagement, dass man sagt, ob das jetzt reale physikalische Produkte sind, so was wie Fahrzeuge, Autos oder ob das Software für Computer ist oder auch mal ganz kleine Produkte, die ein Alltagsproblemen lösen, wie zum Beispiel Meerjungfrauen, Schwimmflossen. In dem Fall war es eine gute Lösung. Ist das nicht etwas, was häufig im Produktdesign oder auch im Produktmanagement, um da noch diese Ebene drüber ziehen, häufig mal übersehen wird, weil grad die Zeit drängt, man muss agil ad hoc handeln, man muss den Aktienkurs beeinflussen oder man muss andere Dinge tun und letzten Endes kommt man gar nicht auf diese Ebene. Was ist der Job?

Wolfram Nagel: Exakt, Exakt. Und genau das ist das Problem, oder nicht das Problem, das ist die Herausforderung. Das Beispiel mit den Steinen war super. Vor allem wir Designer, egal, ob analog, digital, Print, egal welche Branche, Kunden kommen zu uns, weil sie was wollen. Die kommen aber nicht zu uns und sagen: „Hey, ich möchte meine Meerjungfrauen, ich brauche bessere Schwimmflossen, unsere Schwimmflossen verkaufen sich nicht mehr und ich brauche ein Flyer.“ Und ich bin mittlerweile schon viele Jahre so gepolt, dass wenn jemand zu mir mit einer Lösung kommt, ich weise den nicht zurück, weil er keine Ahnung hat oder überhaupt gar nicht. Die erste Frage ist immer: „Warum brauchst du einen Flyer und für wen?“ Was ist der Job? Oder den Main Job, nennen wir das, und was ist die Zielgruppe? Persona, egal ob das jetzt der richtige oder falsche Begriff ist, ich benutze immer die Begriffe, die die Leute verstehen. Ich frage auch nicht nach dem Job. Ich nenne es dann vielleicht Use case, weil er das mal gehört hat. Und ein Job ist nicht ein Use Case. Aber um dem Ziel näher zu kommen, kann man es auch mal Use Case nennen, da bin ich nicht so dogmatisch. Wenn ich das weiß, „Warum möchtest du ein Flyer von mir? Für wen? Okay, oder warum willst du eine Webseite? Deine Zielgruppe sind, keine Ahnung, Leute, die analog unterwegs sind, macht keinen Sinn. Warum willst du einen Flyer für 20-jährige Jugendlich? Für mich sind die Jugendlichen. Durch einen Flyer. Wo liegt der dann aus?“ Kontext ganz wichtig, Nutzungs-Kontext. Okay,  du möchtest mehr irgendwas verkaufen. Habe verstanden. Für wen. Okay, so, das ist der Job. Lass uns mal drüber nachdenken, ob der Flyer wirklich das richtige ist und im Produktmanagement, egal in welcher Sparte, genau dasselbe.
Meine Empfehlung nicht ein Feature auf eine Roadmap zu packen, weil es kann sich einfach ändern. Ich diese Schwimmflossen Verbesserung auf die Roadmap packe, dann mache ich halt nie eine bessere Schwimmflosse. Wenn wir aber das mit unseren Maschinen hinbekommen können, auch Meerjungfrauen-Kostüme zu machen, machen wir vielleicht Meerjungfrauen-Kostüme. Ich muss den Job, die Bedürfnisse, die Probleme, Pain Points, es gibt verschiedene Begriffe, je nachdem in welcher Richtung man unterwegs ist.
Die müssen auf eine Roadmap. Nehmen wir das Beispiel Across the River: Nicht die Brücke muss auf die Road Map, sondern die Leute wollen über den Fluss. Mit dem nächsten Release müssen die Leute über den Fluss kommen. Wir können die Brücke entwickeln. Dauert zwei Monate. Wir können aber auch ein Floß bauen. Dauert zwei Wochen. Kann man im nächsten Release schon rauskriegen. Lass uns das mal versuchen. Das ist zentral, elementar, versuche ich immer, wenn ich mit Stakeholdern diskutiere. Nicht irgendwie gegen, sondern gemeinsam. Okay. Feature Request okay, erlaubt. Ich habe nichts gegen Feature Requests. Mich interessiert das Feature hinter dem Request aber weniger als, wo kommt der Feature Quest her und für wen willst du dieses Feature entwickeln? Und dann kommen wir der Sache näher.
Ganz einfach. Und wer das verstanden hat, gut, macht es einfacher, weil wenn man aus der Feature Ecke kommt,  Idea driven. Ich habe ja auch oft super Ideen, die unbedingt in das Produkt rein müssen, aber es ist genauso auch ein Feature, wenn die Research nicht dazu stattgefunden hat oder ich das nur eine gute Idee finde.
Oder im schlimmsten Fall muss ich mir hinterher noch ein Problem suchen, dass mein Feature überhaupt Sinn macht. Deswegen elementar. Das muss man den Leuten beibringen. Es klingt so oberlehrerhaft, will ich gar nicht sein. Den Leuten im Dialog erklären, rausfinden, was ist der Job? Okay, können wir uns darauf einigen? Für wen? Nicht für alle. Ja, ich weiß, jeder soll es kaufen. Aber um wen geht es primär? Wenn das geklärt ist, dann können wir ein gutes Produkt abliefern. Egal, ob das nachher das Feature ist, das wir ursprünglich wollten oder was anderes. Flyer ja/nein, kann ich dir sagen, wenn du mir gesagt hast, was du erreichen willst. Und ja, das gibt es in allen Bereichen. Das gibt es im Produktmanagement. Es gibt Leute, die denken schon in der Richtung, andere nicht. Nicht schlimm, und zwar immer. Also ich bin schon so, ich sehe immer einen Job, wenn mein Kleiner nicht das tut, was ich will oder er irgendwas. Oder wir sind uns nicht einig. Nur mal so formuliert. Dann denke ich: „Was ist sein Job?“ Es ist ja nicht per se jetzt dagegen oder irgendjemand anderes ist ja nicht Freund, egal wer. Was ist dessen Job. Wenn wir in Urlaub fahren, die Frau hat eine andere Vorstellung. Was ist der Job? Der eine will relaxen, der andere will Museen angucken, der andere will rauskommen, der andere will viel erleben. Das ist der Job. Und die muss man manchmal vielleicht unter einen Hut bringen, wenn ich den Job kenne, es gibt im täglichen Leben, ich habe in der Familie schon Diskussionen dazu geführt, eigentlich immer, was ist eigentlich dein Job? Und habe dann angefangen, über Jobs-to-be-done zu referieren. Meine Frau hat dann gesagt: „Ist gut jetzt.“ Ach ja, sorry, ja, aber das funktioniert immer eigentlich. Deswegen finde ich das so ein starkes Werkzeug.

Christoph Luchs: Ich bin absolut überzeugt, aber die Auswirkungen in den Alltag kann ich sehr gut nachvollziehen. Das ist tatsächlich ein hartes Brot. Wenn man dann diese Jobs-to-be-done-Brille auf hat und die vieles analysiert und dann aus einer anderen Perspektive sieht und dann auch einfach alles per se hinterfragt. Das ist ja manchmal auch extrem anstrengend, drüber nachzudenken, über Prozesse, über Dinge wie zum Beispiel, dass das Stichwort Flyer. Muss man da wirklich noch mal drüber nachdenken, der kostet fast nichts und die Gestaltung ist auch schnell gemacht. Ja, aber warum muss ich es dann überhaupt machen? Wozu ist es wirklich nötig? Wie viele Ressourcen setze ich ein, um dieses Ziel zu erreichen? Und erreiche ich überhaupt das Ziel? Bzw. welches Ziel habe ich denn überhaupt damit definiert und das gehört natürlich auch damit dazu, diese ganzen Prozesse, die ganze Prozesskette eigentlich vorne weg zu denken, durchzudenken und dann auch daraus einen Entschluss zu fassen, auch vielleicht zu sagen: „Nö, wir machen es nicht, wir machen was anderes oder wir lassen es mal für einen Tag oder eine Woche liegen und denken dann noch drüber nach, weil wir überhaupt noch gar keinen Job definiert haben in deiner Sprache.“ Und ich finde, das ist schon ein auch im Sinne der Nachhaltigkeit, der nachhaltigen Gestaltung, ist es ja ein ganz wichtiger Punkt.

Wolfram Nagel: Ja klar. Und natürlich, wenn ich will, ja, wenn ich jetzt als Designer arbeite, will ich den Flyer natürlich machen. Und kommt ein Kunde zu mir und will einen Flyer, nichts einfacher als das, dann mache ich dem einen Flyer, vielleicht habe ich schon 100 gemacht und macht ihm halt noch mal einen. Und natürlich ist es auch für Stakeholder Kunden, wen auch immer, jetzt fragt er erst mal wiederum nach warum. Ich habe ihm doch gesagt, ich will dieses Feature, diesen Flyer, mach doch einfach, aber kurz mal nur mal kurz drüber nachzudenken. Eine Viertelstunde. Wir haben eine Methode und ein Toolset und ein Tool dazu und Jobs-to-be-done, Needs Research zu quantifizieren, richtig Daten zu generieren. Man kann es aber auch mal pragmatisch machen. Deswegen meine ich, gibt es methodisch, wie man da rangeht und so. Viel wichtiger ist aber das Mindset, also von daher zu denken, es kann auch nur eine Stunde angewendet werden, indem man im Team darüber redet, welchen Job lösen wir eigentlich ohne Research, ohne alles, nur okay, alles klar, verstanden. Reicht auch schon.

Christoph Luchs: Super. Ja, wir haben hier fast zwei Stunden schon miteinander gesprochen. Es ist verrückt, wie schnell die Zeit vergeht. Vielleicht noch mal abschließend: Wo findet dich jemand, wenn er dich auf der Bühne sehen will? Oder wo findet er dich, wenn er gerade nicht Zeit hat, dich auf der Bühne zu sehen? Wie bist du im Internet vertreten?

Wolfram Nagel: Auf der Bühne, ab und zu auf Konferenzen zu sehen, demnächst auf einer großen englischsprachigen, aber online „nur“ in Anführungszeichen. Ansonsten WolframNagel.com wird aktuell umgeleitet auf einen Medium Account, allgemein nach Wolfram Nagel googeln. Da gibt es noch einen Forscher, 100 Jahre alt irgendwie. Den findet man auch, aber der andere bin dann ich, der mit den roten Haaren und auf Twitter Medium, wie gesagt, ja, findet man mich dann.

Christoph Luchs: Da schreibst du ja auch gelegentlich längere Abhandlungen über das eine oder andere nicht ganz triviale Thema.

Wolfram Nagel: Genau. WolframNagel.com, da findet man dann die Links zu anderen Quellen.

Christoph Luchs: Super! Hast du abschließend für heute einen Tipp für junge angehende Kreative, die sich überlegen, ein Studium des Designs anzustreben oder überhaupt irgendetwas mit Medien zu machen? Ich glaube, das ist mal so der Obertitel. Ich habe schon letztens überlegt, ich müsste eigentlich als Slogan über meine Agentur schreiben. Irgendwas mit Medien, die kommen alle zu mir. Ist das etwas? Oder andersherum gesagt: Hast du einen Tipp für diese jungen Menschen, die sich kreativ austoben wollen?
Wonach sie sich entscheiden, was das denn eigentlich ist und ob sich das lohnt und wie man heute eigentlich arbeitet.

Wolfram Nagel: Ich würde sagen: Mach das, was dir Spaß macht und dann wirst du es gut machen, glaube ich einfach. Ich weiß nicht, ob Design die bestbezahlte Branche ist. Vielleicht nicht, aber egal. Das, was dir Spaß macht, das musst du machen und dann wird es auch gut. Dann macht es ja auch nichts aus, ein Buch zu lesen, was zu lernen, nebenher irgendwie dich weiterzubilden. Dann macht es einfach Spaß. Das ist die Grundvoraussetzung. Und dann die Grundlagen lernen und nie auslernen. Ich würde Dinge, die ich vor fünf Jahren und vor zehn Jahren gemacht habe, heute nicht mehr so machen. Und ich werde definitiv Dinge, die ich heute so mache, wie ich sie gerade mache, in zehn Jahren anders machen.

Christoph Luchs: Das klingt jetzt sehr mysteriös. Jetzt muss ich dir mal die konkrete Frage stellen: Was gäbe es denn, wenn du aus heutiger Sicht oder welchen Tipp würdest du dir selber geben, aus heutiger Sicht, wenn du dich vor zehn oder 20 Jahren siehst, so zu sagen: Lass das sein, mach das nicht oder konzentriere dich auf anderes?

Wolfram Nagel: Würde ich gar nicht, weil dann hätte ich ja das nicht gelernt. Also das was gut war, war gut. Das Buch zu schreiben war gut. Wie auch immer, der Werdegang könnte ein anderer sein. Ich finde es gut, wie es gewesen ist. Es hat Spaß gemacht und ich würde Dinge nicht anders machen. Also ich bin jetzt da, wo ich bin und mir hat es Spaß gemacht. Deswegen ich würde Dinge anders machen, heißt nur, ich habe dazugelernt. Aber das ist ja normal. Wenn ich da Dinge anders gemacht hätte, dann hätte ich andere Dinge nicht gelernt. Insofern Nee, nee, schon alles gut. Aber sich vielleicht auch bewusst zu sein, dass Designer nicht der Nabel der Welt sind und dass es auch noch andere Dinge gibt und auch andere Perspektiven auf Design relevante Themen durchaus nicht falsch sind. Es gibt immer verschieden. Da gibt es ein schönes Diagramm, wo man auf zwei Kreise guckt und der eine sieht Striche und der andere sieht Kreise. Beide Perspektiven sind richtig, der andere kann auch recht haben.

Christoph Luchs: Prima. Lieber Wolfram, vielen herzlichen Dank für den Podcast, dass du bei uns Gast warst als Designerklärer, als Evangelist, wie du es selber bezeichnen würdest, aber vielleicht auch als Design Erklärer im Sinne des UI/UX unterwegs. Danke schön.

Wolfram Nagel: Vielen Dank auch von meiner Seite. Hat sehr viel Spaß gemacht. Danke, danke, Danke an alle, die bis hierher zugehört haben.

[Musik]

Christoph Luchs: Wenn ihr Fragen zum Podcast habt, dann besucht unsere Website Desigerklaerer.de, wo ihr auch alle anderen Folgen findet. Und Fragen und Anregungen könnt ihr per Instagram oder LinkedIn an uns stellen.

[Musik]

 

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