In der dritten Folge des Podcasts unterhält sich Christoph Luchs mit Luisa Wachsmuth, Studierende des Studiengangs Ecodesign an der Ecosign Akademie in Köln.
Das Gespräch wurde am 15.9.2022 in Marburg aufgezeichnet. Die Transkription erfolgte automatisch aus der Audio-Datei des Podcasts und wurde hinsichtlich der Lesbarkeit und des Textverständnisses bearbeitet, ohne die sprachliche Aussage zu verändern.
Wie studierst Du EcoDesign, Luisa Wachsmuth?
Christoph Luchs: Herzlich willkommen zur dritten Podcastfolge der Design Erklärer. An sich heißt es ja Designerklärer und das ist im Plural gemeint. Das bedeutet, dass nicht ich der Designerklärer bin, sondern wir. Heute sind wir zu zweit und ich begrüße Luisa Wachsmuth.
Luisa Wachsmuth: Hallo.
Christoph Luchs: Ja. Schön, dass du bei uns bist.
Luisa Wachsmuth: Ja. Vielen Dank für die Einladung.
Christoph Luchs: Ja, Luisa, du hast mir schon einen sehr interessanten Lebenslauf geschickt. Und du hast ein sehr interessantes Studium, über das wir sprechen wollen. Aber es gibt auch noch ein paar andere Themen, über die wir heute sprechen werden. Ganz groß über dieser Folge steht der Begriff „Nachhaltigkeit“. Und ja, ich würde dich bitten, dass du einfach mal kurz etwas zu dir sagst.
Luisa Wachsmuth: Ich bin Luisa Wachsmuth. Ich bin Studentin an der Akademie für Gestaltung in Köln. Seit letztem Jahr. Ich fange jetzt das dritte Semester an und das ist der einzige Studiengang in Deutschland. Und da studiert man eben nicht nur Design oder Gestaltung, sondern das Ganze unter dem Aspekt Nachhaltigkeit in vielerlei Hinsicht.
Christoph Luchs: Wie muss ich mir das denn vorstellen, dass Nachhaltigkeit als Studiengang angeboten wird?
Luisa Wachsmuth: Na ja, also ich persönlich bin eben vor allem im Kommunikationsdesign tätig. Neben Kommunikationsdesign kann man an der ecosign auch noch Illustration, Fotografie und Produktdesign studieren. Im Produktdesign liegt der ganze Nachhaltigkeitsaspekt, vielleicht sogar noch ein bisschen mehr. Oder ich sag mal offensichtlicher: „Wo kommen die Dinge her, die wir für die Produkte eben brauchen?“
Christoph Luchs: Diese Akademie, die gibt es in Köln. Das ist eine Privat-Akademie.
Luisa Wachsmuth: Genau.
Christoph Luchs: Das bedeutet, du musst Geld bezahlen dafür.
Luisa Wachsmuth: Ich muss ordentlich Geld zahlen.
Christoph Luchs: Okay. Gut. Vielleicht kommen wir später noch mal zu dem Thema Kulturpolitik zurück, um vielleicht mal die Frage zu stellen, wie das mit der Nachhaltigkeit und der Politik ist. Aber da können wir später noch drauf eingehen. Ich möchte mal kurz ein bisschen beleuchten, wie es eigentlich dazu gekommen ist, dass du dort studierst. Und was hat dich eigentlich so fasziniert an diesem Thema der Nachhaltigkeit?
Luisa Wachsmuth: Also ich habe schon länger den Wunsch gehabt, oder eigentlich durch das Praktikum hier bei dir in der elften Klasse. Danach habe ich den Entschluss gefasst: „Okay, ich möchte gerne was mit Design, was mit Gestaltung machen.“ Ich wusste aber eben noch nicht genau, wo geht die Richtung hin. Dann habe ich mich natürlich informiert, recherchiert. Und die ecosign bietet immer Infotage an für Studieninteressierte.
Da habe ich dann mal mitgemacht und das hat mich total angesprochen. Ich habe mich direkt irgendwie zu Hause gefühlt und dadurch, dass Nachhaltigkeit ja auch im Moment in aller Munde ist, das ist schon fast zu einem Trend geworden, was ich, nebenbei gesagt, gar nicht so gut finde. Aber es ist einfach ein Thema, das wichtig ist und das wichtig bleibt.
Und das wird in Zukunft immer wieder neu gefragt sein. Und dadurch, dass der Studiengang auch einfach einzigartig ist und einfach auch die Idee, Design und Nachhaltigkeit zu verbinden, das hat mich fasziniert und ich wollte mehr davon wissen. Dann habe ich mich dafür entschieden, mich da zu bewerben. Man kann sich da nicht einfach einschreiben. Das ist mit einem Bewerbertag verbunden.
Und dann habe ich gesagt, ich mache das und ich schaue mal, was dabei herausspringt. Und wenn ich angenommen werde, umso besser.
Christoph Luchs: Was müssen denn die Bewerberinnen und Bewerber leisten vor Ort, wenn sie diesen Bewerbertag haben oder den Bewerbungs-Tag?
Luisa Wachsmuth: Das besteht aus zwei oder eigentlich drei Teilen. Also einmal einen Theorie Teil, da geht es darum, wie gut kann man Texte verstehen und zusammenfassen, Thesen daraus ziehen. Das so der theoretische Teil. Und dann gibt es einen praktischen Teil, der ist auch noch mal zweigeteilt. Da muss man dann einfach was gestalten zu einer bestimmten Aufgabe. Ich glaube, die wechselt sogar.
Und dann der dritte Teil ist ein persönliches Gespräch, ein paar Fragen, eigentlich wie ein normales Bewerbungsgespräch.
Christoph Luchs: War das für dich schwer oder ist dir das leichtgefallen?
Luisa Wachsmuth: Leichtgefallen ist es mir nicht. Es war auch anstrengend. Es ging den ganzen Tag. Ich kam dann auch gerade aus der Schule, aber gerade so mit dem Textverständnis, das konnte ich durch die Schule noch ganz gut. Gestalterisch, das fiel mir sogar noch ein bisschen schwieriger. Die Aufgaben waren auch herausfordernd und ich war natürlich auch aufgeregt. Das zählt natürlich auch dazu. Das Ganze fand damals auch über Zoom statt, durch Corona und das hat einem noch mal so ein bisschen die Angst genommen, weil man eben zu Hause saß und nicht dann irgendwie schon in der Uni in ungewohnter Umgebung. Es war schon herausfordernd und es ging eben den ganzen Tag. Was ich sehr geschätzt habe, war, dass wir danach direkt das Ergebnis bekommen haben. Wir wurden dann immer rausgeholt in eine Break Out Session und dann wurde uns auch reflektiert, was war gut, was war vielleicht nicht so gut. Und dann eben auch, ob wir angenommen wurden oder nicht.
Christoph Luchs: Was gab es denn für eine Aufgabe, die du dann zu bewältigen hattest?
Luisa Wachsmuth: Gestalterisch? Also eine Aufgabe war, ein digitales Selbstporträt zu erstellen, aber ohne mich darzustellen, also ohne jetzt ein Bild von mir zu zeichnen oder einfach nur Hobbys aneinanderzureihen.
Christoph Luchs: Und was hast du gemacht?
Luisa Wachsmuth: Das war ganz interessant. Ich habe so eine Silhouette gemacht, also wie ein Icon von der Person, aber wo man eben kein Gesicht sieht. Und dann waren unten solche Fakten über mich, also das, was man wahrscheinlich sagt, wenn jemand fragt: „Wer bist du?“ Und dann kommt der Name und das Alter, vielleicht auch die Herkunft. Und so weiter. Und obendrüber waren Interessen und was mich ausmacht. Ich habe mich immer selbst als oder auch andere nehmen mich oft als offene Person wahr, so ein bisschen offener gestaltet.
Christoph Luchs: Das ganze Anmeldeverfahren war rein digital mit einer Zoom Konferenz. Heute wird es wahrscheinlich dann wieder präsent sein, nehme ich an? Und die ersten Semester waren ja dann auch rein online, ist das richtig?
Luisa Wachsmuth: Rein online nicht, die ecosign hat da ein Hybrid Modell geschaffen, was ich eigentlich ziemlich genial finde. Der Unterricht findet dann entweder komplett online statt, über Zoom oder in Hybrid. Das heißt, wir haben dann in der Uni die Möglichkeit, in Präsenz den Kurs zu machen. Wer aber lieber digital teilnehmen möchte oder wer eben Corona hat oder Verdachtsfall, wie auch immer, der hat die Möglichkeit, über Zoom teilzunehmen und wird dann eben da zugeschaltet. Und man hat eigentlich die gleichen Möglichkeiten, den Unterricht so mitzuverfolgen.
Christoph Luchs: Wie ist das jetzt? Hat sich das gewandelt? Ist es jetzt ein reines Präsenz Modell oder hat die Akademie das so übernommen und weiter fortgeführt?
Luisa Wachsmuth: Wir haben das immer noch, das Hybrid Modell. Einmal wissen wir ja nicht, was jetzt im Herbst, im Winter auf uns zukommt mit der Corona Lage. Ich merke, es sind mehr Präsenz Kurse, also mehr die Hybrid stattfinden. Manche sind auch nur auf die Präsenz angelegt und manche Kurse sind auch nur online. Das liegt immer ein bisschen an dem Dozenten. Aber ich merke, es sind wesentlich mehr Präsenz-Kurse bzw Hybrid-Kurse als am Anfang.
Christoph Luchs: Apropos Dozenten – wer unterrichtet das denn eigentlich? Und wie viele Fächer hast du? Wie kann ich mir das vorstellen?
Luisa Wachsmuth: Also im Moment besteht mein Studium im dritten Semester noch aus sechs Modulen. Das besteht aus Design-Praxis und einem Projekt. Das, was die Praxis angeht. Dann was die Theorie angeht, da haben wir immer die Wahl zwischen Design-Theorie, Kulturwissenschaft und Philosophie. Da können wir uns dann jedes Semester anschauen, was uns gefällt. Und Nachhaltigkeit und Design. Dann haben wir noch eine Kompetenz nach Wahl. Da können wir je nach Interesse uns entscheiden, welchen Kurs wir belegen. Was uns interessiert. Und dann sogenannte „Igel-Runden“, das ist die Abkürzung für individuelle gestalterische Entwicklung. Da geht es um Feedback. Das sind Besprechungsrunden, vor allem Feedback geben und Feedback nehmen.
Christoph Luchs: Und woher kommen die Dozentinnen und Dozenten? Sind das alles praktizierende Gestalterinnen und Gestalter oder sind das Fachleute? Sind die quasi als Dozenten angestellt oder sind es dann Professoren?
Luisa Wachsmuth: Es gibt einige Festangestellte, die oft auch an der ecosign selbst studiert haben. Und dann gibt es andere Künstler oder Philosophen, die dann die Kurse so anbieten, die nicht fest angestellt sind. Also eigentlich ganz breit gefächert.
Christoph Luchs: Zur Philosophie kommen wir sicherlich später noch mal, da werden wir ein bisschen nachhaken und in die Tiefe gehen. Aber ich gehe noch mal einen Schritt zurück. Du hast vor deinem Studium, du hast eben gerade gesagt, dass du das Thema Nachhaltigkeit sehr spannend findest, aber dass du dich auch ärgerst, dass das eigentlich ein Trend ist. Warum?
Luisa Wachsmuth: Na ja, einmal ist ein Trend etwas, das nie langlebig ist. Also ein Trend geht immer irgendwann vorbei und die Nachhaltigkeit sollte nicht vorbeigehen. Die Nachhaltigkeit ist wichtig und es geht darum, was zu ändern. So. wie wir bis jetzt gelebt haben oder in den letzten Jahrzehnten, so kann man nicht weitermachen. Also die Industrialisierung, die hat ganz viel verändert und der menschliche Einfluss auf unsere Kultur, auf unsere Erde, hat sich total verändert, vor allem durch die Industrialisierung. Ich meine die Klimakrise, die ist wahrscheinlich den meisten Menschen ein Begriff, aber da steckt noch viel, viel mehr hinter. Also vielleicht sind die planetaren Belastungsgrenzen dem einen oder anderen ein Begriff, und das sind neun insgesamt. Man könnte zwei noch ein bisschen aufteilen, also vielleicht elf. Davon ist die Klimakrise nur eine. Das heißt, es geht um unsere Biosphäre, da geht es noch um viel, viel mehr. Das ist nicht nur die Klimaerwärmung oder die Klimakrise, sondern ganz verschiedene Dinge.
Christoph Luchs: Was gehört noch zu den neun Punkten, die du genannt hast?
Luisa Wachsmuth: Das ist einmal die Klimakrise, dann sind es neue Substanzen und Organismen, die eingebracht werden. Das Ozonloch, die Partikel-Verschmutzung der Atmosphäre, Ozean-Versauerung, die bio-geo-chemischen Kreisläufe. Also da in Phosphor und Stickstoff eingeteilt, da spielt die Landwirtschaft einen ganz großen Einfluss. Der Süßwasser-Verbrauch, der Landnutzungs-Wandel und die Unversehrtheit der Biosphäre, wo es auch ganz viel um Artenvielfalt geht, die einfach zurückgeht.
Christoph Luchs: Jetzt könnte ich ja eigentlich mal sagen, das hört sich für mich so an, als ob ihr Ökologie studiert.
Luisa Wachsmuth: Oh nein.
Christoph Luchs: Nein, warum nicht? Was ist der Unterschied dazu? Worum geht es dann, wenn du jetzt diese Themen nennst? Das klingt ja für mich auch sehr komplex. Da stecken ja große wissenschaftliche Hintergründe drin, auch Kreisläufe. Ich denke, das ist auch ein ganz wichtiger Begriff dabei. Was ist dann die Ausrichtung oder der Unterschied von einem wissenschaftlichen Studium, wo es ja um diese Erkenntnisse geht, aber auch die Erforschung und die weitere Vertiefung und der Erkenntnisgewinn. Abgesehen davon, dass wir wissen, dass, ich sage jetzt mal ganz umgangssprachlich, unser Planet ziemlich runtergerockt ist von der Menschheit. Aber was haben wir noch für Erkenntnisse daraus gewonnen und was hat das jetzt mit Design zu tun?
Luisa Wachsmuth: Also einmal die planetaren Belastungsgrenzen, das ist ökologisch. Aber Nachhaltigkeit, das ist ja noch viel, viel breiter gefasst. Da darf man auf jeden Fall die soziale Ebene nicht vergessen, auch die wirtschaftliche Ebene nicht vergessen. Im Studium stand das erste Semester komplett unter den planetaren Belastungsgrenzen und im zweiten Semester ging es um Wertschöpfungsketten und die Circular-Ökonomie. Da geht es ganz viel um Kreisläufe. Um das Produkt von der Wiege bis zur Liege. Jetzt, im kommenden dritten Semester, geht es um Megatrends. Das ist dann schon wieder viel mehr in dem sozialen Bereich, um den Wandel in Kultur und Gesellschaft. Was war noch mal deine Frage?
Christoph Luchs: Meine Frage war, wie man das eigentlich jetzt schafft, von diesem unglaublichen Gesamtbild. Ja, also ich stelle mir vor, ich fliege quasi über die Erde oder an der Erde vorbei, gucke da drauf, sehe die ganzen Fakten, die Analyse, der Zustand. Und denk mir so: „Was machen wir jetzt damit?“ Was ist denn dann die konkrete Aufgabe im Design? Oder andersherum gefragt, konkret gefragt: „Was habt ihr denn dann eigentlich für Aufgaben?“ Was hast du für Aufgaben? Zum Beispiel darüber nachzudenken, über diese ganzen Kreisläufe, über dieses ganze Gesamtbild? Und wie schafft man das dann eigentlich, das auf einen konkreten Entwurf herunterzubrechen?
Luisa Wachsmuth: Wie schon gesagt, Nachhaltigkeit ist unglaublich komplex und auch kompliziert. Und jetzt gerade im Kommunikationsdesign geht es, denke ich, darum, auch Brücken zu schaffen in das Leben der Menschen, die eben nicht gerade Wissenschaftler zufällig sind, sondern eben die ganz normalen Menschen. Und da auch in jedem sozialen Milieu, dass man die Wissenschaft, die so unglaublich komplex ist und die Nachhaltigkeit mit all ihren Facetten, versucht, so runterzubrechen oder zu vereinfachen, sinnlicher zu machen für die Menschen und da irgendwie auf eine Ebene zu kommen. Und das hat immer eine aufklärerische Dimension, da geht es um Zusammenhänge zwischen Ökologie, Ökonomie, Kultur und Gesellschaft und die eben für die Gesellschaft zu sensibilisieren.
Christoph Luchs: Kannst du dazu ein Beispiel nennen?
Luisa Wachsmuth: Also im letzten Semester, im zweiten, da hatte ich einen Projektkurs, da ging es um visuelle Argumentationsmechaniken, um eine positive Vision für die Gesellschaft, für eine nachhaltige Gesellschaft. Und es ging vor allem darum, wie können wir ohne erhobenen Zeigefinger den Menschen zeigen, welche Möglichkeiten eine nachhaltige Zukunft bietet? Weil oft ist es ja so, wenn man über Klimawandel redet, dann gibt es viele Dokus, was passiert, wenn wir das nicht in den Griff kriegen. Aber was passiert denn eigentlich, wenn wir die in den Griff kriegen und irgendwie so einen Ansporn zu schaffen? Da ging es um konkrete Utopien, Zukunftsbilder. Ich habe mich dem Thema gewidmet. Es ging um Vorurteile und Stereotype in der Grundschule. Vor allem angelehnt an den Pisa Schock 2000, wo ja rauskam oder wo man festgestellt hat, dass eben gerade in Deutschland, was ja eigentlich ein hochentwickeltes Land ist, Kinder aus einem sozial prekären Milieu oder aus sozial schwachen Umfeld schlechtere Chancen haben als Schüler aus sozial starken Umgebungen.
Christoph Luchs: Jetzt hast du das Problem umrissen. Was habt ihr dann konkret gemacht? Was hast du dann konkret gemacht? Was war dann der Entwurf, um dieses Problem, dieses Design-Problem zu lösen?
Luisa Wachsmuth: Das war gar nicht so einfach. Letztendlich ist dabei rausgesprungen: „gemeinsam einzigartig“. Das war eine Art Methoden-Box mit Material für SchülerInnen und LehrerInnen, um einmal für die Lehrer das zu erleichtern, eine objektive Bewertung. Und für die Schüler vor allem Material, sich gegenseitig kennenzulernen. Gerade in den Anfängen der Schulzeit, wo es darum geht, zu lernen, wie andere lernen und wie andere leben, dass die Kinder sich gegenseitig kennenlernen und sehen, dass eigentlich jeder gleich ist oder egal aus welchem sozialen Umfeld man kommt, die gleichen Chancen eigentlich haben.
Christoph Luchs: Das ist eine sehr schöne Idee. Habt ihr das denn dann ausprobiert? Also habt ihr das mit Kindern, mit Jugendlichen getestet?
Luisa Wachsmuth: Leider nicht so ganz. Ich arbeite selbst noch als Vertretungslehrerin in der Grundschule, aber da ist es nicht zu gekommen, da das Semester dann schon weit fortgeschritten war. Dann kamen auch die Sommerferien, also zu einem richtigen Test ist es leider nicht gekommen.
[Musik]
Christoph Luchs: Du hattest vorhin das Wort „planetare Belastungsgrenzen“ erwähnt. Es gibt ja auch den Überlastungstag, also den planetaren. Kannst du darauf mal eingehen? Was heißt das eigentlich?
Luisa Wachsmuth: Das heißt, dass die endlichen Ressourcen für ein Jahr dann an diesem Überlastung-Tag für das Jahr schon aufgebraucht sind und wir praktisch schon die Ressourcen von dem nächsten Jahr verbrauchen, was jedes Jahr schon irgendwann im Sommer ist. Ich glaube, durch Corona ist der dann noch mal ein Stück weit nach hinten gerückt, da ja die Wirtschaft auch sehr nach unten gefahren wurde. Da kann man dann mal sehen, wie viele Ressourcen wir eigentlich verbrauchen.
Christoph Luchs: Ich hatte mal in den 90er Jahren oder End-80er war das, glaube ich, einen Vortrag zum Thema Erderwärmung gehört. Und da haben noch zu der Zeit alle mit dem Kopf geschüttelt und haben gesagt: „Das ist Quatsch, das ist so ein Öko Gedöns und das können ja viele behaupten.“ Tatsächlich war das ein Vortrag vom Darmstädter Öko Institut, die das einfach anhand von Klima-Kurven, Temperatur-Kurven etc., CO2-Ausstoß, Nachweis in Eis-Bohrungen in Eisbohrkernen nachgewiesen haben und dabei letztendlich schon Prognosen angestellt haben. Wann verändert sich das Klima nachhaltig? Und das heißt, ab diesem Zeitpunkt hat bei mir schon, ich sag mal, da wurde so ein Notiz-Zeichen im Gehirn abgelegt, da passiert was mit der Erde. Dieses Jahr war ungefähr damals um das Jahr 2010 bis 2020 angesiedelt. Wir sind exakt mittendrin. Alle Vorhersagen, die ich damals gehört habe, sind eingetroffen. Andere gab es noch dazu. Damals gab es noch ein Ozonloch, das hat sich mittlerweile wieder geschlossen. Dafür öffnen sich andere Löcher. Und dabei gibt es natürlich auch immer wieder die Frage: „Was machen wir damit, was können wir ändern?“ Und es gibt dazu schöne Bücher. Maja Göpel, Professorin für Transformations Design, die hat ein Buch geschrieben, ein neues Buch mit dem Thema „Wir können auch anders.“
Luisa Wachsmuth: Ja.
Christoph Luchs: Und das könnte man jetzt provokant formulieren, nach dem Motto: „Wir können auch anders.“ Heißt, wir können auch ganz anders wehren.“ Aber auf der anderen Seite ist das für Sie natürlich eher eine Prognose zu sagen: „Wie können wir uns anders, wie können wir unser Leben anders gestalten? Wie können wir unser Leben transformieren?“ Und darauf ist sie zum Beispiel auf das Thema Elektroautos eingegangen, dass sie gesagt hat, und das ist auch ihre These, zum Beispiel allein zu diesem Bereich, dass sie sagt: „Ja, Elektroautos, das ist ja alles schön und gut, aber das ist keine Lösung.“ Es ist nur eine Abänderung eines fossilen Brennstoffes im Prinzip durch Strom. Aber Strom muss ja auch wieder produziert werden. Strom verbraucht auch Ressourcen. Und wenn also Elektroautos jetzt gebaut werden, die so 700 PS haben, dann hat das alles überhaupt keinen Sinn. Und deswegen stelle ich dir jetzt einfach mal die Frage: „Was hältst du davon eigentlich?“ Wie im Moment zum Beispiel im großen Rahmen solche Transformationsprozesse, ja ich sag mal, in Gang gesetzt werden, die sind ja schon am Laufen. Um zum Beispiel auf das Thema Automobil zu kommen. Die EU hat ja beschlossen, Verbrenner auch quasi zu verbieten ab einer gewissen Zeit oder sind auch noch dabei das zu entwickeln. Wie siehst du das? Wie siehst du diese großen Transformationsprozesse? Und wenn dann zum Beispiel Maier Göpel sagt: „Nö, das ist aber gar nicht der Weg, sondern wir müssten eigentlich über unsere Mobilität nachdenken.“
Luisa Wachsmuth: Das ist richtig. Mobilität, das ist natürlich ein breiter Begriff. Ich glaube auch, die Elektroautos, das ist jetzt nicht die Lösung. Das ist einfach nur ein anderer Weg irgendwie. Da lässt sich auf jeden Fall nachdenken. Ich meine, gerade bei Elektroautos muss man ja auch die Batterie bedenken. Als was wird die hergestellt, usw. und eben auch der Strom, den wir dann dafür brauchen. Ich meine jetzt im Moment machen sich viele Sorgen, dass wir im Winter im Dunkeln da sitzen. Der Strom muss eben auch irgendwo herkommen. Und ich denke mal, da liegt es auch daran, dass wir mal anfangen, mehr erneuerbare Energien irgendwie auszubauen und einfach darauf setzen, dass man eben nicht endliche Ressourcen nutzt, sondern erneuerbare Energien. Also ich glaube, es sind immer große Transformationen notwendig, weil wenn sich nicht irgendwann mal was ändert, dann ändert sich gefühlt nie was und irgendwann muss man auch mal große Schritte gehen. Die Frage ist nur, in welche Richtung? Ja, über Mobilität nachzudenken, wäre auf jeden Fall der nächste Schritt. Vielleicht gerade in dem Kontext: Wie sieht es denn überhaupt mit der Bahn zum Beispiel aus? Also ich glaube, das Netz könnte auf jeden Fall ausgebaut werden. Was ist mit der Pünktlichkeit? Ich glaube, wenn es da noch optimiert werden würde, dann würden viel, viel mehr Leute auch die Bahn nutzen. Ich meine, das sieht man ja auch am 9 € Ticket. Es wird genutzt. Zurzeit ist die Deutsche Bahn unglaublich teuer, wenn man mal irgendwo hinwill, wenn es nicht gerade zu Zeiten von 9 € Ticket ist. Und man kann eben auch nicht darauf setzen, dass die Bahn immer pünktlich ist und das Netz könnte auch besser aufgebaut sein. Also ich glaube, da ist auf jeden Fall noch viel Luft nach oben. Auf jeden Fall gibt es andere Wege, als Auto zu fahren, zum Beispiel.
Christoph Luchs: Vom Plastik Bashing zum Bahn Bashing.
Luisa Wachsmuth: Ja.
Christoph Luchs: Ja, die Bahn dient als Prügelknabe immer gerne. Allerdings muss man tatsächlich sagen, wenn man den Vergleich zu anderen Ländern und auch anderen Transportsystemen zieht, dass die Bahn tatsächlich vergleichsweise teuer ist. Und ich glaube letzten Endes, die Bahn ist ein extrem komplexes System und da müsste man eigentlich auch schon den Begriff System Design mal ansetzen. Wie ist denn die Bahn eigentlich designt als System, in dem sie eben nicht nachhaltig wirtschaftet? Weil offensichtlich tut sie das nicht, sonst hätten wir ja ein attraktives Transportsystem und bräuchten definitiv keine individuelle Mobilität im Sinne von rollenden Statussymbolen auf vier Reifen. Das heißt, da wäre durchaus etwas zu tun, was die Attraktivität angeht, und das macht natürlich auch was mit dem Preis. Und tatsächlich kann man über den Preis auch ein Verhalten steuern. Also man kann wiederum eine Mobilität designen, wenn ich das mal so sagen darf. Das heißt, wir können unser Verhalten auch im Positiven verändern und es kann auch motiviert werden dazu, dass wir unser Verhalten ändern. Das heißt natürlich nicht, dass der Einzelne nicht entscheidet, ich bringe jetzt meine Kinder trotzdem mit dem SUV zum Kindergarten und bis vors Gartentor, sondern es entscheidet, ob die gesamte Gesellschaft halt mehr Bahn verwendet in dem Fall oder mehr öffentlichen Nahverkehr oder mehr Carsharing. Und das sind natürlich auch Dinge, die durchaus politisch motiviert werden müssen, aber auch, dass Anreize geschaffen werden. Ich glaube, dass der Preis und ich glaube, das haben wir alle jetzt gelernt bei dem 9 € Ticket. Der Preis macht die Musik an der Stelle. Auch ein verhältnismäßig unattraktives Angebot der Bahn in Hinblick auf die regionale Versorgung, in Hinblick auf ländliche Bevölkerung und Taktraten und überhaupt die Erreichbarkeit. Mal abgesehen von Pünktlichkeit. Also ich persönlich finde das jetzt mittlerweile auch gar nicht mehr so wahnsinnig wichtig, die Pünktlichkeit. Wichtig ist, dass ich ankomme, dass ich den Anschluss kriege und dass ich dann weiß, ich komme auch an, und wenn ich das noch nicht mal weiß, dann setze ich mich nicht mehr in die Bahn. Wenn ich weiß, ich komme an dem Tag nicht mehr an zu einem Geschäftstermin. Oder ich reise mit meiner Familie irgendwo hin. Und das hindert natürlich schon. Das heißt, das ist eigentlich die negative Motivation. Es verhindert an der Stelle, dass ich mich damit auseinandersetze. In anderen Ländern gibt es sehr wohl gute Transportsysteme. In der Schweiz beispielsweise gibt es einen Stundentakt. Also fast in jeder mittelgroßen Stadt gibt es stündlich eine Verbindung zur nächsten Stadt. Das heißt, ich muss gar nicht auf den Plan gucken. Ich gehe einfach dann, wenn ich selbst entscheide, ich möchte mich bewegen, bewege ich mich zum nächsten Bahnhof und ich setze mich nicht ins Auto, weil das ist Quatsch. Und abgesehen davon, geblitzt werden in der Schweiz ist fürchterlich teuer. Also auch das ist eine Form des System-Designs.
Wir wollten über Bücher sprechen und ich hatte vorhin schon Maja Göpel einfach mal in den Raum geworfen. Ich habe noch ein paar andere dabei, aber du hast auch welche dabei, welche sind das?
Luisa Wachsmuth: Ich habe einmal, dieses Jahr erst rausgekommen, Nachhaltiges Design von zwei Dozenten von mir, Bernd Graser und Elmar Sander. Da geht es wirklich von der Wiege bis zur Liege, von den Ursprüngen des nachhaltigen Designs bis heute. Wie setzt man das um und in den verschiedenen Bereichen mit ganz aktuellen Projekten aus der Uni. Also ja, sehr interessant und es lohnt sich, da mal reinzuschauen.
Christoph Luchs: Wie ist das Buch aufgebaut? Was ist für dich die Erkenntnis? Oder andersherum gesagt,was hast du für Schlüsse erst einmal gezogen, aus dem Buch? Mal abgesehen davon, dass es ja auch deine Dozenten sind, also quasi, du könntest ja auch einfach mal nachfragen. Ich habe da einen Satz nicht verstanden und dann gehst du einfach zu denen zu den hin und sagst: „Wie habt ihr das gemeint? Erklärt es mal!“
Luisa Wachsmuth: Also ich muss gestehen, ich habe es noch nicht ganz gelesen, aber es gibt natürlich viele Themen, die mich dann gerade noch mal mehr interessieren oder die anderen vielleicht weniger, wo ich dann gerne mal einfach reinschaue. Also ich glaube, es ist gar nicht nötig, das von vorne bis hinten so durchzulesen wie jetzt einen Roman. Es geht aber am Anfang um die Herkunft des nachhaltigen Designs. Es geht darum, wie wirkt das Design und wann hat das so seine Anfänge gehabt? Und dann geht es um verschiedene kulturelle und gesellschaftliche Themen. Also Religion ist dabei, die unternehmerische Verantwortung und auch im Zeitalter der Digitalisierung, wo spielt da die Nachhaltigkeit eine Rolle? Verschiedene Design-Prozesse, wie spielt die Nachhaltigkeit damit mit rein? Und auch einfach die Nachhaltigkeit? Nachhaltiges Design? Wie kann man das als Brücke verstehen in das Leben von Nicht-Wissenschaftlern?
Christoph Luchs: Ja, es scheint ein sehr interessantes Buch zu sein. So viel zum Thema Nachhaltigkeit gibt es ja noch gar nicht. Mich hat das bei der Recherche verwundert. Eigentlich ist das Thema Design ja schon recht lang, auch im Diskurs der Nachhaltigkeit. Also anderssherum, aus der Sicht der Ökologie ist ja auch Design durchaus kritisiert worden. Stark kritisiert worden. Und andersherum haben sich ja auch Designerinnen und Designer damit auseinandergesetzt.
Ich bin bei meiner Recherche zum Jahr 1971 zurückgekehrt und ein sehr spannender Kopf des Designs hat einen interessanten Text dazu geschrieben. Den lese ich mal kurz vor. Victor Papanic ist Design Theoretiker und selber Designer. Der lebte von 1923 bis 1998 und er hat 1971 tatsächlich dieses Buch geschrieben „Design for the Real World“. Und er hat das folgendermaßen ausgedrückt. Auf der ersten Seite seines Buches steht folgendes: „Es gibt Berufe, die mehr Schaden anrichten als der des Industriedesigners, aber viele sind es nicht. Verlogener ist wahrscheinlich nur noch ein Beruf: Werbung zu machen, die Menschen davon zu überzeugen, dass sie Dinge kaufen müssen, die sie nicht brauchen, um Geld auszugeben, das sie nicht haben, damit sie andere beeindrucken, denen das egal ist. Das ist vermutlich der schlimmste Beruf, den es heute gibt. Die industrielle Formgebung braut eine Mischung aus billigen Idiotinnen zusammen, die von den Werbeleuten verhökert werden. Früher musste man, wenn man gerne Menschen umbrachte, noch General werden, ein Kohlekraftwerk kaufen oder Kernphysik studieren. Heute kann durch industrielle Formgebung Mord auf Basis der Massenproduktion erfolgen.“
Luisa Wachsmuth: Na ja, das sind harte Worte, muss ich sagen. Ich denke, es ist im Wandel, aber er hat nicht ganz unrecht. Also Werbung zu machen und dann gerade den Konsum anzukurbeln, das sollte nicht unser Ziel sein. Marketing und Werbung sind wichtig und für viele Unternehmen wirklich ein fester Bestandteil. Aber da geht noch mehr, sage ich mal so. Als ich angefangen habe, Kommunikationsdesign zu gestalten, habe ich auch viel noch in dieser Werbeschiene gedacht und ich habe gedacht, ja, ich schaue mal, was da so auf mich zukommt, auch gerade jetzt an der Akademie. Aber wie schon gesagt, da geht noch mehr. Es geht eben bei Kommunikationsdesign um die Kommunikation und um die Botschaften, die man vermittelt. Und das sollten nicht in erster Linie Konsumbotschaften sein, sondern nachhaltigere.
Christoph Luchs: Wir haben im Vorfeld miteinander uns ausgetauscht und da tauchte immer wieder ein Begriff bei dir auf, den ich mit dir jetzt auch verbinde, das ist der Begriff „Sinn“. Kannst du dazu was sagen?
Luisa Wachsmuth: Ein Dozent von mir sagt immer: „Richtig ist, was Sinn ergibt“. Und genau das ist es einfach. Und da sollten wir uns als Designer vielleicht immer fragen oder ganz am Anfang fragen oder auch immer wieder dazwischen fragen. Ich habe auch schon hier in unserem Austausch vorher geschrieben, ich habe, glaube ich, einen kleinen Hang zu Deko in der Gestaltung. Dass ich gerne mal dann hier und da so Sachen noch drauf packe, weil es irgendwie ganz gut aussieht. Aber letztendlich sollten Dinge ja nie einfach so noch dabei sein und es muss eine Bedeutung haben und einen Sinn haben. Und wenn es nur das kleine Icon auf einer Visitenkarte ist, was hat das dann vielleicht noch mit dem Logo zu tun, was ich vorher gestaltet habe oder so? Wenn es einen Sinn ergibt, ist es viel, viel nachhaltiger und sinnvoller und es geht ja auch darum, welche Botschaft wir vermitteln. Und wenn die Botschaften sinnvoll sind, dann ist das Ganze schon viel wertvoller und auch nachhaltiger.
Christoph Luchs: Also Gestaltung ist dann ein echtes, nachhaltiges Design, wenn es Sinn macht. Kann man das so sagen?
Luisa Wachsmuth: Ja, ich würde das so unterschreiben.
Christoph Luchs: Ja, die Sinnhaftigkeit ist ja für viele Kreative tatsächlich ein wesentlicher Punkt. Aber es wird ja auch durch den Alltag gerne mal übertüncht, würde ich jetzt mal sagen. Durch Trends. Dann gibt es so Begriffe wie Flat Design oder Vintage Style oder anderes, also wo man einfach so mal bei Pinterest ein bisschen recherchiert, einen Begriff eingibt, sammelt, sammelt, sammelt und dann ergibt sich daraus so ein Potpourri. Und dann denken durchaus auch viele: „Ah, das sieht ja eigentlich ganz nachhaltig aus, das hat so ein bisschen Öko-Charme, das ist ja ganz schön und daneben auch noch Natur-Papier dazu.“ Aber das ist ja eigentlich nicht nachhaltiges Design oder?
Luisa Wachsmuth: Nein, nachhaltiges Design, das motiviert auch gerade im Kommunikationsdesign eben viel nachhaltigere Verhaltensweisen und auch einfach die Verwendung, oder das Wissen oder die das Sensibilisieren. Wie gehe ich mit Dingen um und was füge ich eigentlich meiner Umwelt oder Mitwelt zu? Die Mitwelt finde ich einen ganz spannenden Begriff, denn es geht nicht um die Welt, die uns nur umgibt, sondern es ist es die Welt, mit der wir leben und mit der wir zusammenleben. Und ich würde hier gern ein kleines Zitat einwerfen aus dem Buch, das ich eben erwähnt habe „Nachhaltiges Design“ von Bernd Graser und Elmar Sander. „Deshalb sind Nachhaltigkeit und Design keine Antagonisten, sondern müssen zusammengedacht werden. Design macht Nachhaltigkeit sinnlicher und Nachhaltigkeit macht Design sinnhafter„. Und ich glaube, das ist höchste Zeit, das zu realisieren, die Nachhaltigkeit irgendwie sinnlicher zu machen. Dass Nachhaltigkeit Design sinnvoller macht oder sinnhafter macht, das ist schon klar.
[Musik]
Christoph Luchs: Ja, lass uns über Utopien sprechen.
Luisa Wachsmuth: Gerne.
Christoph Luchs: Habt ihr in eurem Studium Projekte, die mit Utopien auch verbunden werden, also indem ihr Utopien erfahrbar macht oder in einem Projekt mal konkret greifbar umsetzt?
Luisa Wachsmuth: Also im letzten Semester, in meinem zweiten, da habe ich ein Projekt belegt, da ging es konkret um Utopien, verschiedene, also das lag an uns selbst, welche Utopie wir uns eigentlich mal raussuchen. Und ich glaube, eine Utopie hat die Möglichkeit, dass man schon mal anfängt zu denken, was wäre denn möglich? Auch wenn es gerade super utopisch klingt, aber so ein Stückchen Wahrheit steckt vielleicht doch drin. Und wie können wir dazu kommen? Und was können wir tun, um uns in diese Richtung zu bewegen? Und das können autofreie Städte sein, das kann Gleichberechtigung im Arbeitsumfeld, in Schule usw sein. Also ganz verschiedene Dinge.
Christoph Luchs: Und mit welcher Utopie hast du dich dann beschäftigt?
Luisa Wachsmuth: Das war diese Utopie mit der vorurteilsfreien Schule oder stereotyp-freien Grundschule. Das ist einfach ein Status Quo, der noch nicht ideal ist, sage ich mal, und da werden wir wahrscheinlich auch nie von wegkommen, weil dieses gewisse Schubladendenken hat wahrscheinlich jeder Mensch und das wird wahrscheinlich auch immer so sein, aber das sollte wahrscheinlich nicht oder sollte nicht die schulischen Voraussetzungen der Kinder beeinflussen.
Christoph Luchs: Das heißt, dass du als Vertretungslehrerin durchaus den Alltag da mit der Utopie vergleichen kannst, um auch dann zu überlegen, wie kann man das zum Beispiel mit anderen Methoden Box lösen? Das Problem. Das heißt, du hast für dich doch ziemlich konkret eigentlich von der Praxis über die Theorie eine Form schon mal gefunden in einem Projekt, dass du sagst, da gibt es einen Weg oder es gäbe einen Weg für dich in Richtung Utopie?
Luisa Wachsmuth: Also dadurch, dass ich ja dann in der Praxis tätig war und es ist verrückt, wie schnell wir in dieses Schubladendenken rein denken und man halt gewisse Kurzschlüsse zieht, wenn man Kinder sieht oder ihr Verhalten oder ihre Leistung ansieht, woran das liegen könnte. Da kommt man halt ganz schnell auf die sozialen Hintergründe zu sprechen. Ich sage mal, Schubladendenken ist gar nicht so schlecht, solange man die Schubladen eben nie ganz zumacht. Es wichtig, dass man dann am Ende auch umsortieren kann und offen dafür ist, auch Vorurteile und Stereotype zu brechen und über Bord zu werfen.
Christoph Luchs: Hast du für dich Vorbilder an Personen, Künstlern, Künstlerinnen, die für dich sinnstiftend sind, an denen du dich orientieren kannst? Du sagst, „Da möchte ich auch mal so arbeiten oder so wie die das machen, das finde ich total klasse, oder das könnte auch nachhaltig sein.“ Hast du da Vorbilder?
Luisa Wachsmuth: Ja, ich habe konkrete Vorbilder. Wenige. Also auf jeden Fall auch dich, Christoph. Durch dich habe ich viel gelernt. Im Praktikum damals in der elften Klasse. Und natürlich durch den Austausch heute noch. Und es ist natürlich so ein Einblick in die Praxis dann. Ich finde einige Dozenten bei uns sehr inspirierend und die vermitteln auf jeden Fall gute Werte und es ist auch immer interessant zu sehen, wie die arbeiten. Ich habe mal eine Doku auf Netflix gesehen. „Abstract, Design als Kunst“ heißt die, und da habe ich die Grafikdesignerin Paula Scheer gesehen. Ich würde sie jetzt nicht als Vorbild bezeichnen, aber ich finde sie sehr inspirierend oder ihre Arbeitsweise sehr inspirierend. Und ich glaube, inspirieren lasse ich mich immer von Menschen, egal ob Designer oder keine Designer. Also es ist witzig, wie viele Menschen es in meinem Umfeld gibt, die sagen: „Wow, du bist so kreativ oder das, was du machst, das könnte ich niemals.“ Und im nächsten Schritt sehe ich aber, wie die so kreativ sind, aber eben auf eine andere Art und Weise. Also es kann sein, dass ich halt kreativ im Bereich Grafik bin usw aber ich glaube, Kreativität ist nichts, was ausschließlich künstlerisch ist.
Christoph Luchs: Kreativität wird ja gerne auch als hübsch machen verkannt. Ich glaube das ist auch noch ein Prozess, in dem wir uns befinden. Auch ein Kreislauf, der geschlossen werden muss. Dass Kreativität überall, eigentlich jeden Tag angesetzt wird. Um es mal mit Beuys zu sagen, quasi jeder Mensch ist kreativ. Aber das heißt nicht, dass man seine Wohnung hübsch dekoriert oder den Kaffeetisch nett ansehnlich drapiert, sondern es geht um Problemlösen eigentlich, oder?
Luisa Wachsmuth: Ja, auf jeden Fall.
Christoph Luchs: Ja. Ich weiß nicht, ob du Cory Doctorow kennst. Das ist ein sehr interessanter junger Schriftsteller, der hat den Roman „Walk Away“ geschrieben, und er hat eine Utopie vermittelt. In der Utopie ist es so, dass man sich Mitte des 21. Jahrhunderts befindet, und die Erde ist vom Klimawandel gezeichnet. Die Staaten werden von Ultrareichen regiert und die Städte haben sich für die normalen Bürger in Gefängnisse verwandelt. Aber es gibt auch eine Welt, in der sich Lebensmittel, Kleidung und sogar Behausungen per 3D-Druck ohne großen Aufwand produzieren lassen. Warum also in einem so kaputten System ausharren? Warum nicht einfach weggehen? Und dieses Weggehen, das tut hier in dem Fall, in diesem Roman „Walk Away“, eine ganze Gruppe von jungen Menschen, aber auch sozusagen durch alle Altersstufen hindurch, die sich auf einem Pfad befinden, die sich also fortbewegen von einer Station zur nächsten, die sich eine Infrastruktur aufbauen, in der sie Produkte erzeugen. Das heißt, sie haben ihr Wissen, um in der Welt ihre Umgebung zu gestalten. Und ist das etwas, wo du sagst, das ist etwas, eine Utopie, die zum einen ja auch beängstigend ist. Aber ist das für dich, wenn du das jetzt so hörst, ist das für dich auch etwas, wo du sagst, da geht es in die Richtung? Wenn du dich vor allem auch im Studium mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigst, auch wenn das noch in den Grundzügen ist.
Luisa Wachsmuth: Ich denke, es geht durchaus in die Richtung. Also die Gesellschaft ist im Wandel, die Technik ist im Wandel, es werden jährlich immer mehr Dinge möglich. Die Frage ist natürlich immer, wie nachhaltig ist das und wie gut ist das letztendlich auch für uns Menschen? Ist es nicht auch irgendwie schade, wenn auf einmal alles mit einem 3D Drucker hergestellt werden kann? Und diese ganzen, ich sag mal, traditionellen Produktionsverfahren, ich sag mal, verloren gehen? Das ist ja auch kulturelles Gut. Und ich denke, das wird auf jeden Fall kommen, dass so kulturelles Gut verschwindet, das kann ganz verschieden sein. Es fängt ja schon an bei verschiedenen Dialekten, die im Schwinden sind. Und weil einfach irgendwann mal jemand gesagt hat, das tut den Kindern nicht gut, wenn man irgendwie im Dialekt mit denen redet, und dann ist man im Hochdeutsch. Aber das ist eben etwas, was verloren geht. Und das sind kulturelle Güter, würde ich sagen. Ich finde es schade, wenn es so verloren geht.
Christoph Luchs: Also auch das ist eine kulturelle, also eine nachhaltige Aufgabe, eigentlich kulturelle Güter zu bewahren und als Wert, auch als Sinn zu erhalten.
Luisa Wachsmuth: Ja, auf jeden Fall. Also auch so ein bisschen dazu zu sensibilisieren, was macht das denn mit unserer Gesellschaft, wenn auf einmal alles möglich ist, mit einem 3D-Drucker? Und vielleicht hat irgendwann jeder Mensch einen 3D-Drucker zu Hause stehen und druckt sich damit dann schnell mal was auch immer er braucht.
Christoph Luchs: Ich möchte noch mal auf einen Begriff zurückkommen, auf den Begriff „Umwelt“. Nachhaltigkeit, Eco Design hat ja immer mit dem Begriff Ökologie und Nachhaltigkeit und in dem Fall dann Umwelt zu tun. Der Begriff Umwelt, wenn man ihn jetzt rein verbal und sprachlich mal so ein bisschen auseinandernimmt, hat ja auch was Distanzierendes. Also es umgibt mich, ist es um mich herum, aber es hat mit mir eigentlich nicht viel zu tun.
Wie siehst du das genau?
Luisa Wachsmuth: Also Umwelt ist wirklich so ein bisschen, man steckt in einer Blase und alles, was um die Blase drum ist, das ist dann die Umwelt und das können andere Menschen, das kann die tatsächliche Umwelt sein, also die Ökologie, die Natur. Ganz prägend finde ich da den Begriff der Mitwelt, den ich auch durchs Studium kennengelernt habe, den ich viel schöner und viel passender finde, denn wir leben ja in Interaktion mit unserer Umwelt und kein einziger Mensch lebt ganz isoliert und ohne Einflüsse der Natur oder von anderen Menschen. Und es ist immer so eine Kommunikation zwischen einem Selbst, einem Individuum und seiner Umwelt. Und deswegen finde ich Mitwelt einen viel passenderen Begriff. Es geht auch um ein Miteinander. Die Natur könnte ohne uns auf jeden Fall leben, aber wir könnten niemals ohne die Natur leben, ohne die Ökologie, ohne dieses System Natur.
Christoph Luchs: Genau das ist lebensnotwendig. Also insofern auch ein Überlebensdesign, wie es Friedrich von Borries in seinem „Welt entwerfen“ ja beschrieben hat. Er hat gesagt: Ich habe die Möglichkeit, oder die Gesellschaft hat die Möglichkeit ein Design zu finden für sich. Und das eine ist ein Sicherheitsdesign und sich quasi auch zu schützen, abzusichern, sich aber auch dadurch zu begrenzen, einzuengen. Weil jede Sicherheit hat auch dann wiederum die Begrenzung, zum Beispiel eine Mauer, eine ganz simple Begrenzung. Und die Alternative besteht eigentlich darin, ein Überlebensdesign zu etablieren, in dem es möglich ist, dass ich zum Beispiel Krisen überleben kann, dass ich Katastrophen überleben kann. Aber dass ich halt auch so etwas wie die Klimakrise bewältigen könnte. Also vielleicht ist das ein schöner Gedanke in der Design Theory, zumindest hier von Friedrich Borries beschrieben, dass er sagt: “ Wir brauchen eigentlich ein Überlebensdesign.“
Luisa Wachsmuth: Ja, auf jeden Fall. Wir alle, also jeder Mensch ist ein Gestalter oder ein Entwerfer. Wir alle gestalten schon mal unseren Alltag und geben damit natürlich einen gewissen Input in unsere Umwelt, in unsere Mitwelt. Und wir brauchen Weltentwerfer und auch ein Überlebensdesign.
Christoph Luchs: Ja, abschließend möchte ich dich gerne noch fragen: Hast du Tipps? Hast du Tipps für andere Kreative? Wenn die sagen: „Ich würde gern nachhaltiger arbeiten?“ Wie geht das?
Luisa Wachsmuth: Na ja, wichtig ist, was Sinn ergibt, wenn man sich das immer mal wieder ins Gedächtnis ruft und auch ein bisschen überlegt, was vermittle ich eigentlich durch mein Design oder meine Gestaltung? Das kann nicht schaden und von Deko würde ich immer abraten, aber das sage ich wahrscheinlich noch mehr zu mir selbst.
Christoph Luchs: Prima. Ja, dann würde ich sagen, vielen herzlichen Dank für deinen Besuch hier beim Designerklärer. Wir haben heute versucht, ein kleines Stückchen Design zu erklären. In weiteren Folgen werden wir andere Themen beleuchten. Aber ich glaube, das Thema Nachhaltigkeit wird uns so schnell nicht loslassen und auch wir werden uns mit dem Thema noch weiter beschäftigen.
Luisa Wachsmuth: Ja, vielen Dank für die Einladung.